„Freude, dass er gelebt hat“ beim Abschied von Georg Stolle
Bensheims Ehrenbürgermeister bei Trauerfeier in der Stadtkirche St. Georg unter großer Anteilnahme gewürdigtBENSHEIM. - „Georg Stolle konnte Menschen zusammenführen und vernetzen, er war gerne unter Menschen, er hat für die Menschen gelebt, war für viele ein Geschenk und über Geschenke dürfen wir uns freuen“, sagte Pfarrer Thomas Catta.
Der Bensheimer Ehrenbürgermeister Georg Stolle war am 19. Januar im 82. Lebensjahr verstorben (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews)
Sein Lebenswerk wurde am Samstag beim Trauergottesdienst mit mehreren hundert Menschen in der bis auf den letzten Platz besetzten Stadtkirche St. Georg ausführlich gewürdigt, ja mehr noch: „gefeiert“, wie der Geistliche bemerkte.
„Er hatte immer wieder neue Pläne, steckte voller Begeisterung“
„Mein Vater ist so plötzlich gestorben, dass wir nicht einmal von ihm Abschied nehmen konnten. Wir dachten, wir hätten noch soviel Zeit“, sagte Christine Weyand, die Tochter Georg Stolles.
„Er hatte immer wieder neue Pläne, steckte voller Begeisterung, wollte noch soviel sehen und erleben, und auch wir hofften, dass er noch lange bei uns bleibt“, beschrieb die Tochter in einer persönlichen Würdigung ihren Vater als „liebevollen, geduldigen, humorvollen und offenen Ehemann, Vater und Großvater“.
„Weint nicht, weil es vorbei ist, sondern lacht, weil es so schön war“
Die Familie sei „für jede Sekunde dankbar, die wir mit ihm hatten“. Trotz aller Traurigkeit wolle sie vor allem der schönen Momente gedenken, „die wir mit ihm erleben durften, weil ein bejahender und friedvoller Abschied das größte Geschenk ist, das man einem Verstorbenen machen kann“.
Bei aller Trauer um seinen Tod: „Freuen wir uns doch, dass er gelebt hat, und was wir durch ihn und mit ihm erleben durften“, forderte Christine Weyand die Trauergemeinde auf und ergänzte: „Weint nicht, weil es vorbei ist, sondern lacht, weil es so schön war.“
„Das Positive als letztes Geschenk mitgeben“
Ihr Vater hätte nie gewollte, dass „wir hier wie Trauerklöße sitzen, und uns die Seele aus dem Leib weinen. Am liebsten hätte er ewig gelebt, nur um uns die Trauer über seinen Tod zu ersparen. Er hätte gewollt, dass wir ihn positiv in unserer Mitte bewahren, mit all den schönen Erinnerungen, die uns verbinden. Das ist es, was bleibt!“
Dieses Positive solle man dem Verstorbenen mit auf den Weg geben, „als letztes Geschenk und aus Dankbarkeit“.
Auch dass sein Sohn Martin mit dem Kammerchor Cantemus und dem Chor St. Georg den Trauergottesdienst mitgestaltete hätte ihm eine besondere Freude bereitet, sagte die Tochter.
„Einer, der große Lebensspuren hinterlassen hat“
Georg Stolle sei ein souveräner und umsichtiger Skifahrer gewesen, der nicht forsch und waghalsig die Pisten hinuntergerast sei, sondern auf Sicherheit Wert gelegt habe, sagte Pfarrer Catta in seiner Predigt. Er habe mit feinem Gespür seine Spuren im Schnee hinterlassen.
Vielleicht sei die Art, wie Georg Stolle Ski gefahren sei, „ein gutes Bild für seine Persönlichkeit, wie er war, und wie er Familien- und Stadtgeschichte geschrieben hat.
Einer, der mit Umsicht und Rücksicht, einem Ziel vor Augen, souverän, aber nicht arrogant, mit Verantwortungsbewusstsein seinen Weg gegangen ist, der Wege vorgezeichnet, und andere mitgenommen und auf ihrem Weg begleitet hat. Einer, der große Lebensspuren hinterlassen hat.“
Mit aufrechtem Charakter sein Amt geführt
Catta zeichnete den Lebensweg Stolles von der Flucht von Neustadt in Oberschlesien über Recklinghausen nach Bensheim nach. Hier sei er als 11-Jähriger mit Mutter und Bruder in Viehwaggons Anfang August 1949 angekommen.
Bezeichnend, dass der Schlafsaal im Bischöflichen Konvikt, in dem die Familie zunächst wohnte, später zu Stolles Amtszimmer als Bürgermeister wurde. Als Rathauschef prägte der Verstorbene dann 30 Jahre lang die Geschicke der Stadt Bensheim.
Mit aufrechtem Charakter, habe er sein Amt geführt. „Zuversicht statt Resignation, Qualifikation statt Parteizugehörigkeit“ sei seine Maxime gewesen. „Sein Beruf war seine Berufung, Georg Stolle war der Patron und Vater der Stadt“, sagte der Pfarrer.
„Ein Schrittmacher des Friedens“
Mit eisernem Willen und Dank der Unterstützung seiner Ehefrau Waltraud habe er im Verlauf der langen Jahre seiner Krankheit gegen diese angekämpft und sich liebevoll um seine beiden Enkelinnen gekümmert.
Geprägt von den Kriegs- und Nachkriegsereignissen sei ihm die Zusammenführung Europas ein besonderes Anliegen gewesen. „Von West bis Ost auf Augenhöhe“ sei Georg Stolle auf seine Art „ein Schrittmacher des Friedens“ gewesen.
„Für die Stadt Bensheim war er ein großes Glück“
„Ein Riesenstück Bensheim geht für uns mit Georg Stolle verloren“, sagte Bürgermeister Rolf Richter. „Für die Stadt Bensheim war er ein großes Glück. Er hat von 1972 bis 2002 unsere Stadt geprägt und sich auch danach noch intensiv in die Stadtgesellschaft eingebracht.“
In der Stunde des Abschieds zeige sich einmal mehr, wie sehr diese Stadtgesellschaft ihm dankbar sei. „Eine überwältigende Welle der Anteilnahme ist spürbar.“ Stolle sei sein politischer Ziehvater gewesen, „auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren, habe ich viel von ihm gelernt“.
Er habe in den 70-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Weichen für die Modernisierung Bensheims gestellt. Bensheim sei heute ein Magnet für Familien, Unternehmen und Arbeitnehmer, habe damals aber eher als verschlafene Kleinstadt gegolten.
Startschuss für eine moderne Stadtentwicklung gegeben
Stolle habe den Hessentag 1976 nach Bensheim geholt und damit den Startschuss für eine moderne Stadtentwicklung gegeben, die bis zum heute florierenden Mittelzentrum Nummer eins in Südhessen geführt habe.
„Dass Bensheim heute ein hochwertiger Technologiestandort ist, verdanken wir auch seinen weitreichenden Entscheidungen“, sagte Richter. Auch habe er die Vereine unterstützt, und wichtige Infrastruktur und Sportstätten gebaut.
Gleichwohl habe er die Menschen beim Feiern zusammengeführt und die dörfliche Gemeinschaft gestützt. So sei auch das Bürgerfest auf seine Initiative zurückzuführen. Georg Stolle sei eine charismatische Figur gewesen. „Er war unser Schorsch, eine Institution!“
„Vordenker im Kreis und der gesamten Region“
Für die Landesregierung würdigte Staatssekretär Thomas Metz die Verdienste Georg Stolles. „Er war ein Vordenker im Kreis und der gesamten Region, ein Mann der leisen Töne und gleichzeitig durchsetzungs- und willensstark“, skizzierte Metz den Verstorbenen.
Nie habe er sich in den Vordergrund gespielt. Gleichwohl sei seine Präsenz stets deutlich spürbar gewesen. „Er war ein Vorbild!“, sagte Metz.
„Baumeister des modernen Bensheim“
„Fassungslos über den Tod einer großen Persönlichkeit“, zeigte sich Landrat Christian Engelhardt, der zugleich im Namen der anwesenden Bürgermeister und des hessischen Landkreistages sprach. „Mit Tatkraft und Geschick hat Georg Stolle die Region groß gemacht, und dabei immer über den Tellerrand hinaus geblickt. Er war der Baumeister des modernen Bensheim.“
Für den Hessischen Städte- und Gemeindebund sprach dessen geschäftsführender Direktor Karl Christian Schelzke. Dort war Georg Stolle von 1968 bis 1972 als Verwaltungsjurist in leitender Funktion tätig.
„Alles was er in dieser Zeit seiner Tätigkeit erfahren hat, war mit ein Grund, dass er ein so hervorragender Bürgermeister geworden ist“, sagte Schelzke. „Georg Stolle war immer präzise vorbereitet und hat seine Meinung immer deutlich vertreten.“ Auch sei sein hintergründiger Humor unvergessen.
„Partnerstädte waren Herzensangelegenheit für Georg Stolle“
„Eine Herzensangelegenheit“ seien die Partnerstädte für Georg Stolle gewesen, sagte Carola Heimann für die Freundeskreise der Partnerstädte. Er sei der „Baumeister“ des europäischen Hauses gewesen. Nicht zuletzt sei die Ehrenbürgerwürde für Georg Stolle in den Partnerstädten Beaune, Klodzko, Riva del Garda, Mohà cs und Amersham Zeugnis für sein Wirken.
Der Landesvorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Siegbert Ortmann, skizzierte Georg Stolle als „kompetenter Seiteneinsteiger mit großem Sachverstand und ausgleichendem Wesen. Er war ein unendlich guter Mensch.“
Auch bei kontroversen Diskussionen habe er stets für Verständigung gesorgt und bis zum letzten Tag gegen Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus gekämpft.
„Zeit mit ihm war immer ein großer Gewinn“
„Die Zeit mit ihm war immer ein großer Gewinn“, ließ Christoph Bergner für den Lions-Club Bergstraße die gemeinsame Zeit Revue passieren. Georg Stolle habe als Brückenbauer immer die Möglichkeit gesucht, den Menschen zu helfen. „Er war ein großer Gewinn für die Gesellschaft.“
Beim Trauergottesdienst erwiesen auch die Bürgermeister aus den Partnerstädten Klodzko, Riva del Garda, Mohà cs, Amersham und Hostinne Georg Stolle die letzte Ehre. Freiwillige Feuerwehr, THW- und DRK-Ortsvereine sowie die Bürgerwehr >Oald Bensem< standen Spalier.
Den Gottedienst gestaltete mit Pfarrer Thomas Catta dessen Kollege Franz-Josef Herd. Die musikalische Leitung des Kammerchors Cantemus und des Chors St. Georg hatte Christoph Siebert und an der Orgel begleitete Gregor Knop die Trauerfeier mit Werken von Johann Sebastian Bach, Maurice Duruflé und Felix Mendelssohn.