NEWS

Irrungen und Wirrungen beim Bensheimer Marktplatz dauern seit 2015 an

Zum Bensheimer Winzerfest 2022 präsentierte sich das neue „Haus am Markt“, wie Satiriker Oliver Roeder seine Sichtweise zum Ergebnis des >Bensheimer Wegs< im August in sozialen Medien veröffentlichte, während ...

... ein von Anwohnern mitgestalteter begraster „Fliegender Teppich“ im Hamburger Park Fiction ebenso, wenn auch ...

... in deutlich anderen Dimensionen, Parallelen aufweist, wie die >Superkilen-Anlage< in Kopenhagen, zum von der ...

... BI BMBB zu Ostern 2022 präsentierten Drei-Zonen-Modell als >Integrationsplatz< für Bensheim. Fotos: privat, Stadt Hamburg, Stadt Kopenhagen, Archivfoto: er

Seit dem 01. Dezember 2020 ist die Stadtverwaltung Bensheim mit der Auslobung eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs beauftragt – knapp zwei Jahre später ist über den Umweg >Bensheimer Weg< noch immer nichts finalisiert

BENSHEIM. - Die Irrungen und Wirrungen in der Bensheimer Stadtverwaltung unter wechselnder Führung wie auch der verantwortlichen politischen Vertreter im Stadtparlament zur Neugestaltung des östlichen Bensheimer Marktplatzes rund um das frühere Haus am Markt (HaM) reichen zurück bis ins Jahr 2015 und sind aktuell auch über den „Umweg“ >Bensheimer Weg< noch immer nicht finalisiert.

Grundsatzbeschluss von 2015 wurde mehrfach gecancelt

Vor sieben Jahren gab es im November einen Grundsatzbeschluss der Stadtverordneten zum Abriss des HaM und für einen Neubau, in dem H&M angesiedelt werden sollte.

16 Monate später die Rolle rückwärts, nachdem die H&M-Ansiedlung geplatzt war: jetzt erging Auftrag an Verwaltung und die Stadttochter Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim (MEGB) zur Prüfung alternativer Planungsüberlegungen für einen Ersatz des HaM und dessen Nutzung.

Heftige Bürgerproteste für Erhalt des Hauses am Markt fanden kein Gehör

Heftige Bürgerproteste samt Unterschriftenaktionen für den Erhalt des bestehenden Hauses und Anpassung an aktuelle Erfordernisse fanden nach beschlossenem Abriss 2018 ebenso wenig Gehör bei Verwaltung und der regierenden Stadtpolitik wie ein konkretes Kauf- und Nutzungsangebot von privater Seite für das HaM.

Die weitere Entwicklung gestaltete sich von Abriss des HaM hin zu einem Bauantrag für einen monströsen, neoklassizistischen dreigeschossigen Neubau, dem die Genehmigung versagt wurde, bis zur eigenmächtigen Reißleine des früheren Verwaltungschefs Rolf Richter, die den geplanten Neubau zunächst endgültig stoppte.

Bürgerdialog forderte Wettbewerb für optional 0-, 1- und 2-geschossiger Bau

Ein dann von der Stadt mit immerhin 20.000 Euro finanzierter Bürgerdialog mündete, dessen Ergebnis (Wettbewerb für optional 0-, 1- und 2-geschossiger Bau) missachtend, in einer von der Verwaltung erarbeiteten Vorlage für einen „städtebaulichen Wettbewerb für ein Gebäude“.

Mit den Stimmen von CDU und SPD gegen die Stimmen der übrigen Stadtverordneten wurde die Verwaltungsvorlage für ein Gebäude mit gastronomischer Nutzung (Cafe Extrablatt) bei 22 ja (CDU und SPD), 14 nein und 4 Enthaltungen angenommen.

BI forderte Umsetzung des Ergebnisses aus dem Bürgerdialog

Die Bürgerinitiative „Bensheimer Marktplatz besser beleben“ (BI BMBB) gründete sich mit dem Ziel, die Entscheidung der Stadtverordneten durch einen Bürgerentscheid zu Gunsten eines Ideenwettbewerbes auf Basis aller im Bürgerdialog erarbeiteten Ergebnisse von 2019 aufzuheben.

Der BI wurden von Anfang an vom Bürgermeister und der Ersten Stadträtin in undemokratischer und diskriminierender Weise Steine und Hindernisse in den Weg gelegt.

Die Beschränkungen auf Grund der Corona-Pandemie ließen keine ausreichende Stimmensammlung zu. Die Wiedereinsetzung des Verfahrens versuchte die Verwaltung mit diversen juristischen Tricks zu stoppen.

Verwaltungsgericht sorgte für Wiedereinsetzung des Verfahrens

Das von der BI angerufene Verwaltungsgericht sorgte für die Wiedereinsetzung des Verfahrens. Das Bürgerbegehren war mit mehr als 4.000 Stimmen erfolgreich. Die Stadtverordneten erklären auf Basis des erfolgreichen Bürgerbegehrens den Bürgerentscheid für zulässig.

Als Termin für den Bürgerentscheid wurde mit den Stimmen von CDU, SPD und AfD gegen die Stimmen von BfB, FDP, FWG und GLB, die etwa 40.000 Euro an Zusatzkosten sparen wollten, der 17. Januar 2021 festgelegt.

Der Bürgermeister und sowohl CDU als auch die SPD hofften offensichtlich mit dem separaten Termin auf Grund zu geringer Wahlbeteiligung den Bürgerentscheid stoppen zu können.

Stadtparlament tritt Forderung aus Bürgerbegehren bei

Nach der am 15. November 2020 für Rolf Richter gegen Christine Klein verlorenen Bürgermeisterwahl-Stichwahl wurde am 01. Dezember 2020 auf CDU-Antrag mit überwältigender Parlamentsmehrheit beschlossen, die im Bürgerbegehren geforderten Maßnahmen durchzuführen.

Die Verwaltung wurde beauftragt, die entsprechende Ausschreibung vorzubereiten. Damit entfiel der für den 17. Januar 2021 vorgesehene Bürgerentscheid.

Die jetzt entstandene Hoffnung auf eine rasche Ausschreibung des beschlossenen und beauftragten städtebaulichen Ideenwettbewerbs und Befriedung des jahrelangen politischen wie auch in der Bevölkerung über die städtischen Protagonisten implementierten Streits um die beste Lösung zur Zukunftsgestaltung des Marktplatzes waren jedoch rasch zerstoben.

Stadtspitze will über >Bensheimer Weg< erneut Empfehlungen

Von der Stadtspitze wurde im Frühjahr 2021 statt der nun gemäß dem vom Stadtparlament erteilten Auftrag für einen städtebaulichen Ideenwettbewerb fälligen Ausschreibung und trotz des bereits 2019 durchgeführten Bürgerdialogs die Kampagne „Gemeinsam für Bensheim – 365 Tage für die Zukunft unserer Innenstadt“ ausgerufen.

In diesem Zusammenhang wurde ein als „Bensheimer Weg“ bezeichnetes Prozessmanagement- und Bürgerbeteiligungsmodell entwickelt an Hand dessen einmal mehr Empfehlungen für die politischen Entscheidungen erarbeitet werden sollten.

Vorgeschlagenes Werkstattverfahren erwies sich als Rohrkrepierer

Ein in diesem Zusammenhang implementiertes Empfehlungsteam schlug an Stelle des beschlossenen Ideenwettbewerbs dem Reflexionsteam (VertreterInnen der Fraktionen) ein Werkstattverfahren vor. Dies stieß auf massive Ablehnung und erwies sich schnell als Rohrkrepierer.

Satiriker spotteten schon vor Monatsfrist angesichts eines für das Winzerfest vor der Kirche platzierten Containers für Rettungsdienste in sozialen Medien: „Das neue Haus am Markt steht endlich.

Nach fast zweijährigem Ringen um die beste Lösung konnte gestern das neue Haus am Markt eingeweiht werden. Es zeigte sich bei allen Gästen Begeisterung für dieses überzeugende Ergebnis am Ende des >Bensheimer Weges<, einem Prozess, an dem sich viele Bensheimer Bürger beteiligten.“

Fachleute der Architektenkammer und des Büros „UmbauStadt“ für Ideenwettbewerb

Auch Fachleute der Architektenkammer Hessen und des Frankfurter Büros „UmbauStadt“ bezeichneten den „Ideenwettbewerb“ als absolut angemessenes Verfahren für die Marktplatzgestaltung.

Die BI BMBB entwickelte, basierend auf einer Idee ihrer Vertrauensperson Gundula Bunge-Glenz, eine sogenannte Drei-Phasen-Zone ohne neues Gebäude für den Bensheimer Marktplatz.

Dieser Vorschlag liegt der Stadtverwaltung ebenso seit mehreren Monaten vor, wie ein ähnlicher, fast Synchron-Gestaltungsvorschlag für den Bensheimer Marktplatz von Klaus-Peter Becker mit Nutzungsvorschlägen für Kultur, Gastronomie, Grün, Aufenthaltsqualität, kommunikativem Treff und Multifunktionsfläche der Verwaltung seit April 2021 samt Update vom 18. Mai 2022 vorliegt.

Erneute Bürgerbeteiligung über >Bensheimer Weg< nach Bürgerdialog 2019

Anstatt den Beschluss des Stadtparlaments vom Dezember 2020 unter der Prämisse des Ergebnisses des Bürgerdialogs 2019 samt der zwischenzeitlich vorliegenden Gestaltungs- und Nutzungsvorschlägen in einen Wettbewerb einfließen zu lassen und umzusetzen, stellte die städtische Verwaltungsspitze im Frühjahr 2021 die Uhren quasi wieder auf Null und kreierte mit dem >Bensheimer Weg< ein neues Konstrukt.

Damit sollte nach dem Willen von Baudezernentin und Bürgermeisterin über den >Bensheimer Weg< nach dem Bürgerdialog 2019 die erneute Bürgerbeteiligung vor dem eigentlichen städtebaulichen Ideenwettbewerb wiederholt werden. Und das Stadtparlament stimmte diesem Ansinnen zu.

Parallelen zu Projekten in Hamburg und Kopenhagen

Parallelen zu Bensheim und den präsentierten Ideen der BI >BMBB< und Klaus-Peter Becker mit einer Drei-Phasen-Zone und entsprechenden Nutzungsmöglichkeiten als „Integrationsplatz“ gibt es sowohl in Hamburg, als auch in Kopenhagen.

Gestaltung des Park Fiction an der Elbe: Die Idee für den Park Fiction an der Hamburger Elbe und der Name Antonipark entstanden im Jahr 1994 im „Hafenrandverein für selbstbestimmtes Leben auf St. Pauli e.V.“, einer Nachbarschaftsinitiative, die sich Anfang der 1990-er im Zuge der Auseinandersetzungen um den Erhalt der Hafenstraße gegründet hatte.

Öffentlicher Park statt Bebauung durch Wohn- und Bürogebäude

Sie forderten erstmals einen öffentlichen Park für ihr dicht bebautes Viertel und stellten sich damit gegen eine Bebauung durch Wohn- und Bürogebäude.

Die Planung- und Umsetzungsphase dauerte aufgrund diverser Verzögerungen rund ein Jahrzehnt. Zwischen September 2003 und August 2005 wurde der Park der Öffentlichkeit nach und nach zugänglich gemacht.

Park mit unterschiedlichen, von Anwohnern mitgestalteten Inseln

Der Park besteht aus unterschiedlichen Inseln, die von den Anwohnern einst mitgestaltet wurden. So entstanden ein so genannter „Seeräuberinnen-Brunnen“, ein begraster „Fliegender Teppich“ und farbenfrohe, stählerne Palmen. Das „Open Air Solarium“ und „Bambushain des bescheidenen Politikers“ spiegeln den Humor der Gestalter wider.

Superkilen steht in Kopenhagen für die Bedürfnisse der Bevölkerung

Der Superkilen in Kopenhagen ist eine öffentliche Anlage im Stadtteil Norrebro der dänischen Hauptstadt. Der drei Hektar große Park entstand bis 2012.

Superkilen besteht aus drei Teilen:

- ein roter Platz zum Entspannen mit Cafés und Musik,

- im schwarzen Hof trifft man sich zum Plaudern und zum Grillen

- und der natürlich gehaltene grüne Park.

Superkilen kommt den Wünschen von 62 unterschiedlichen Nationen, die in diesem Teil Kopenhagens leben, entgegen. Zur Verwirklichung dieses Konzepts wurden planerisch spezifische Objekte wie Bänke, Mülleimer, Bäume, Spielplätze, Gullydeckel und Beschilderung aus anderen Ländern integriert.

Zum Beispiel waren an der Planung Landschaftsarchitekten des Berliner Büros Topotek 1 beteiligt und es wurden Landi-Bänke aus der Schweiz aufgestellt.