Die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt wieder herstellen
Der SPD-Bundestagskandidat im Wahlkreis Bergstraße, Sven Wingerter, im Gespräch mit Michael Rudolph, Vorsitzender des DGB-Bezirks Hessen-ThüringenBERGSTRASSE / . Damit „gute Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheit“ (wieder) zum Standard werden, ist ein Umsteuern auf dem Arbeitsmarkt erforderlich. Darin waren sich der SPD-Bundestagskandidat im Wahlkreis Bergstraße, Sven Wingerter, und Michael Rudolph, Vorsitzender des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen, einig.
Ein wichtiger Punkt: die Anhebung des Mindestlohns auf mindestens zwölf Euro, wie ihn die SPD fordert. Noch besser: bessere Löhne durch Tarifvertragsbindung.
Wingerter hat sich als DGB-Vorsitzender im Kreis Bergstraße auf die Fahnen geschrieben, arbeitnehmernahe Politik zu machen. „Gute Arbeit heißt, gute Bezahlung sicherzustellen“, erklärte er. Dazu muss seiner Ansicht nach die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt wieder hergestellt werden.
„Wo Unordnung entstanden ist, muss wieder stärker reguliert werden. In Deutschland gibt es den zweitgrößten Niedriglohnsektor in Europa“, monierte Wingerter.
Oft, führte der SPD-Kandidat aus, passiert ein Missbrauch von Arbeitsmarktregeln. Aber die, ist für ihn klar, „müssen eingehalten werden“. Als Beispiel nannte der Wald-Michelbacher die sachgrundlosen Befristungen. „Die gehören abgeschafft.“
Außerdem gilt es, die Leihabreit stark einzuschränken. Zu sozialer Sicherheit, führte er weiter aus, „gehört eine gute Rente“. Und diese in ihrer gesetzlichen Form „muss den Lebensstandard sichern“.
Die Gesprächspartner machten in diesem Zusammenhang klar, dass private Vorsorge nicht die Lösung ist. Denn genau diejenigen, die später eine niedrige Rente bekommen, haben während des Arbeitslebens gar nicht das Geld dazu, zusätzlich etwas zurückzulegen. „Wer sein Leben lang gearbeitet hat, darf nicht in der Rente Armut leiden“, machte Wingerter klar.
Ein weiterer Aspekt der sozialen Sicherheit ist für den Sozialdemokraten bezahlbares Wohnen – nicht mehr nur in den Großstädten ein Thema. Auch im Kreis Bergstraße sind finanzierbarere Wohnungen Mangelware, meinte er mit Blick auf Lampertheim oder Viernheim.
Es fehlen allein 1.800 Sozialwohnungen, ergänzte Wingerter – von der Not junger Familien oder Berufsanfängern gar nicht zu reden.
Die Corona-Krise habe laut Rudolph die Anforderungen für den Arbeitsmarkt aufgezeigt. Das Instrument der Kurzarbeit und das beherzte Eingreifen des Staates bewährten sich, erläuterte er. Dadurch gab es „keine großen Verwerfungen“. Wer aber bisher nicht in die Sozialversicherungen einzahlte, fiel hinten runter.
Sein Umkehrschluss: Ab dem ersten Euro sollen Sozialversicherungsbeiträge fällig werden. Deshalb müssen dem DGB-Vorsitzenden zufolge die 450-Euro-Jobs in der jetzigen Form weg. Der Einstieg in den Ausstieg bei der sachgrundlosen Befristung ist bereits geschafft, so Rudolph.
Sein Ziel: Es soll nur noch eine Probezeit im Arbeitsvertrag geben, aber keine Befristung mehr möglich sein. Er bezeichnete den Tarifvertrag weiterhin als Nonplusultra, denn der setzt den Rahmen.
Das Problem dabei: In Hessen sind nur noch 58 Prozent der Beschäftigten unter dem Schutz von Tarifverträgen – in anderen Bundesländern noch weniger. Sein Appell deshalb: „Die Politik muss einen Ordnungsrahmen setzen.“ Deshalb forderte Rudolph unter anderem, dass „Tarifanarchie“ der Vergangenheit angehören muss.
Arbeitgeber sollen keine Wahlfreiheit mehr haben, ob sie der Tarifbindung unterliegen oder nicht. Der Gesetzgeber auf Bundesebene muss das Tariftreuegesetz durchsetzen, so der DGB-Vorsitzende. Rudolphs Erkenntnis: „Der Markt regelt die Dinge nicht.“
Ein ökologischer Wandel in der Wirtschaft ist nicht ohne soziale Nachhaltigkeit machbar. Denn: „Die Beschäftigten müssen ihn gestalten.“
Arbeit ist für ihn „keine Ware“. Von ihr müssen Beschäftigte Lebensunterhalt, Schutz vor Krankheit, Rente und anderes gewährleisten können. Sein Fazit: „Ein Tariflohn ist wesentlich mehr Wert.“ Der DGB-Mann sprach sich dafür aus, das Rentenniveau bei 50 Prozent zu stabilisieren. Sie ist „die zentrale Säule bei der Bekämpfung von Altersarmut“.
Um der Klimakrise zu begegnen, „müssen öffentliche Gelder generiert und ausgegeben werden“, betonte der Referent. Die Schuldenbremse ist in seinen Augen dabei eher kontraproduktiv, denn sie erschwert Investitionen. Eine schwarze Null, so seine Meinung, „bringt nichts, wenn dadurch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufs Spiel gesetzt wird“.
Das Steuerkonzept des DGB trägt laut Rudolph den Belangen der Arbeitnehmer Rechnung. 95 Prozent der Bevölkerung werden entlastet, erklärte er. Eine einprozentige Erbschaftssteuer hält er für erstrebenswert.
Denn der Staat investierte während der Corona-Pandemie durch seine finanziellen Hilfen in die Zukunft der Betriebe. Nun könnten diese ihren Beitrag zur Bewältigung der Krisenlasten leisten.
Info: Die Veranstaltung fand sowohl in Präsenz als auch als Online-Stream statt. Wer die Veranstaltung nachträglich auf dem YouTube-Kanal von Sven Wingerter anschauen möchte, findet diese unter folgendem Link: https://t1p.de/svenwingerter-dgb