Bensheimer Haushaltsentwurf 2023 weist Defizit von 7,9 Millionen Euro aus
Bürgermeisterin Christine Klein bringt nach dem vom ausgeschiedenen Kämmerer Adil Oyan übernommenen Finanzdezernat ihren ersten Haushalt im Parlament ein + + + Nach den Vorstellungen der Rathauschefin soll es im kommenden Jahr trotz hoher Defizite keine Steuererhöhungen gebenBENSHEIM. - Nach dem vorzeitigen Ausscheiden des Bensheimer Stadtrats und Kämmerers Adil Oyan übernahm Bürgermeisterin Christine Klein das Finanzdezernat und brachte am Donnerstag den Haushaltsplanentwurf 2023 in erster Lesung im Parlament ein.
Die Fraktionen werden das Zahlenwerk in den kommenden Wochen beraten und wohl noch bis zum Jahresende 2022 beschlie0en.
Die Rede der Rathauschefin im Wortlaut:
> „Vielleicht gibt es schönere Zeiten, aber diese ist die unsere!“ Dieses Zitat von Jean-Paul Sartre trifft sehr gut auf das aktuelle Weltgeschehen und seine Auswirkungen auf unser Leben zu. Und genauso trifft diese Aussage auf den Haushalt 2023 zu, den ich Ihnen heute vorlege.
Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die Zahlen werfen: Wir planen im ordentlichen Ergebnis mit Erträgen von rund 121,1 Mio. Euro. Demgegenüber stehen Aufwendungen von rund 129 Mio. Euro. Per Saldo ergibt sich ein Fehlbetrag von rund 7,9 Mio Euro.
Trotz dieses Fehlbetrags ist der Haushaltsausgleich im Ergebnishaushalt gegeben. Grund hierfür ist der Stand unserer Rücklage des ordentlichen Ergebnisses von 10,7 Mio. Euro zum 31.12.2021. Da wir derzeit von einer schwarzen Null für 2022 ausgehen – steht uns dieser Betrag zum Ausgleich des Defizits in 2023 zur Verfügung. Der Ergebnishaushalt ist daher gem. § 92 Abs. 5 Nr. 1 HGO ausgeglichen.
Wichtigste Einnahmequelle bei den Erträgen sind die Steuern und steuerähnlichen Erträge. Sie machen 82% unserer Einnahmen aus.
Im Bereich der Aufwendungen bilden auch die Steuern den höchsten Posten. Nur handelt es sich hier um die Abgaben, die wir leisten müssen. Wie die Kreisumlage, die Schulumlage, die Gewerbesteuerumlage und die in Deutschland einmalige hessische Heimatumlage. 42% unserer Aufwendungen müssen wir hierfür reservieren.
In der mittelfristigen Ergebnisplanung 2024 bis 2026 sollte es uns gelingen, ab dem Jahr 2024 für den
gesamten Zeitraum positive ordentliche Ergebnisse im mittleren oder oberen sechsstelligen Bereich
darzustellen. Enthalten sind in diesen Ergebnissen Erhöhungen der Gewerbesteuer und Erhöhungen
der Grundsteuer B.
Darstellung von positiven Ergebnissen unmöglich
Wenn wir diese Steueranpassungen 2024 bis 2026 unterlassen, ist die Darstellung von positiven Ergebnissen unmöglich. Es fehlen dann in jedem Planjahr mehr als 2 Mio. €. Eine Genehmigung des Haushaltsplanes 2023 mit dauerhaften Fehlbeträgen in der mittelfristigen Ergebnisplanung ist trotz der Ergebnisrücklage mehr als zweifelhaft, eher unmöglich.
Im Finanzhaushalt beträgt der Saldo aus laufender Verwaltungstätigkeit rund ./. 6,1 Mio. Euro. Der Saldo aus Investitionstätigkeit beträgt für das Jahr 2023 rund ./. 10,5 Mio. Euro. Die Aufnahme neuer Kredite wäre theoretisch in gleicher Höhe möglich.
Aufwendungen von rund 20,9 Mio. Euro
Für das Jahr 2023 planen wir jedoch keine Aufnahme neuer Kredite. Denn wir verfügen über ausreichend Liquidität zur Finanzierung aus eigener Kraft. Den Tilgungsleistungen stehen daher keine Einzahlungen aus Krediten gegenüber und es ergibt sich der Saldo aus Finanzierungstätigkeit in Höhe von rund ./. 4,3 Mio. Euro.
Der gesamte Zahlungsmittelbedarf für 2023 beträgt demnach rund 20,9 Mio. Euro. Dies bedeutet, dass wir Ende 2023 20,9 Mio. Euro weniger Geld auf dem Konto haben als zu Beginn 2023.
Der gesetzlich definierte Haushaltsausgleich im Finanzhaushalt lässt sich mit diesen Zahlen nicht
darstellen. Eine Genehmigung ist aufgrund des hohen Liquiditätsstands aber ohne Einvernehmen mit der oberen Kommunalaufsicht möglich.
Doch verlassen wir das „trockene“ Zahlenwerk:
Unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker ist es nach meiner Ãœberzeugung, Verantwortung zu
übernehmen und aus diesen, unseren Zeiten, das Beste zu machen. Doch dabei dürfen wir nicht stehen bleiben. Verantwortung übernehmen heißt auch, den Blick nach vorne zu richten.
Das heißt: Langfristig denken, die Zukunftsgestaltung gestalten, die Bedürfnisse der nachfolgenden Generationen mitberücksichtigen. Mit anderen Worten und ganz konkret: Wie gelingt es uns, Bensheim auch in schwierigen Zeiten als die lebens- und liebenswerte Kultur- und Bildungsstadt zu erhalten, die sie heute ist?
Wie gelingt es uns, bei aller gebotenen Fokussierung auf das Mögliche und Machbare, die zentralen Baustellen der Zukunftsgestaltung nicht „links liegen zu lassen“? Ich denke da beispielsweise an den Ausbau des ÖPNV, um die zum Schutz des Klimas dringend notwendige Mobilitätswende zu schaffen.
Ich denke daran, wie wir die Bensheimer Innenstadt als lebendigen Ort der Begegnung und auch als
florierendes Geschäftsviertel attraktiv halten können. Wie wir sie auch klimatechnisch weiterentwickeln können – zum Beispiel durch Begrünung.
Ich denke an das ebenfalls sehr wichtige Thema Kinderbetreuung und Angebote für die Jugend. Ich denke an den Erhalt von Sportstätten, an erforderliche Brand- und Katastrophenschutzmaßnahmen und vieles mehr.
„Schulden machen kann in krisenhaften Zeiten notwendig sein“
Dass dies alles unter dem Vorbehalt geordneter Finanzen steht, ist aber ebenso Teil der Wahrheit. Eine vernünftige Haushaltspolitik muss den Erhalt der politischen Handlungsfähigkeit zum Ziel haben.
Das heißt: Schulden machen kann gerade in krisenhaften Zeiten notwendig sein, um weiterhin politisch gestalten und zum Erhalt unseres demokratischen Gemeinwesens beitragen zu können.
Sowohl in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren der Corona-Pandemie als auch in der aktuellen Energiekrise finden sich zahlreiche Beispiele für solche durch Schulden finanzierte Maßnahmen, die letztlich auch dem Fortbestand unseres demokratischen Gemeinwesens dienen.
Gleichzeitig muss aber – gerade auf kommunaler Ebene – ein ausgeprägter Finanzierungsrealismus walten. Denn wenn durch Überschuldung irgendwann das finanzielle Korsett so eng wird, dass man keine politischen Schwerpunktsetzungen mehr vornehmen kann, dann ist die politische Handlungsfähigkeit dahin.
Eine ehrliche Aufgabenkritik betreiben
Es muss also bei einer vernünftigen Haushaltspolitik auch darum gehen, eine ehrliche Aufgabenkritik zu betreiben: Welche Aufgaben kann und muss die Kommune in diesen schwierigen Zeiten unbedingt weiter erfüllen?
Welche Aufgaben können und sollten auf ein vernünftiges Maß begrenzt werden, um den Haushalt nicht über Gebühr zu belasten? Wo setzen wir die Prioritäten, wo setzen wir Schwerpunkte? Ich komme darauf später noch zurück.
Dies alles stellt eine herausfordernde Aufgabe dar, die ich gemeinsam mit Ihnen allen angehen möchte. Der große Soziologe Max Weber hat einmal konstatiert: „Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.“
Ich möchte ergänzen: Dieses Bohren gelingt nur gemeinsam. Wenn da nur Eine oder Einer bohrt, führt das zu nichts. Lassen Sie uns also gemeinsam mit Leidenschaft und Augenmaß daran arbeiten, mit unserem Haushalt das unter schwierigen Bedingungen Bestmögliche für unsere Stadt Bensheim und ihre Bürgerinnen und Bürger zu erreichen.
Versuchen, das Notwendige mit dem Wünschenswerten verbinden
Lassen Sie uns dabei versuchen, das Notwendige so gut es eben geht mit dem Wünschenswerten zu verbinden. Die Zahlen zeigen: Dies wird kein leichtes Unterfangen. Denn der Haushaltsplanentwurf 2023 schließt im ordentlichen Ergebnis mit einem Fehlbetrag von rund 7,9 Mio. Euro ab.
Ein Haushaltsausgleich im Plan ist damit im dritten Jahr in Folge nicht möglich. Und – eigentlich kaum vorstellbar –, es kann noch schlimmer kommen! Denn die Ansätze im vorliegenden Haushaltsplan beruhen im Wesentlichen auf der Mai-Steuerschätzung.
Die gerade veröffentlichte Novembersteuerschätzung geht zwar von einem robusten Wachstum der Steuereinnahmen aus. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht hier aber von der trügerischen Ruhe vor dem Sturm. Denn die Steuerschätzung zeigt – noch – nicht die dramatische Entwicklung der öffentlichen Finanzen!
Ein Zerrbild der zu erwartenden Entwicklung
„Die heute veröffentlichen Zahlen der Steuerschätzung zeigen nur ein Zerrbild der zu erwartenden Entwicklung der öffentlichen und nicht zuletzt kommunalen Finanzen. Wir stehen sehr wahrscheinlich vor der größten Finanzkrise der Städte und Gemeinden seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland“, so Dr. Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Daher auch seine Forderung, dass der Bund gemeinsam mit den Ländern daran gehen muss, ein rasch umsetzbares Konzept zur Absicherung der finanziellen Handlungsfähigkeit der Kommunen auszuarbeiten.
Die aufbereiteten Zahlen zur Novembersteuerschätzung, soweit diese angesetzt werden können, legen wir Ihnen im Rahmen der Haushaltsberatungen vor.
Trotz der tiefroten Zahlen ist es mir wichtig, im Jahr 2023 keine Steuererhöhungen vorzunehmen! Allein wegen der noch gar nicht vollständig absehbaren Auswirkungen der Energiekrise sind die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen hohen finanziellen Belastungen ausgesetzt.
Als Bürgermeisterin dieser Stadt sehe ich mich in der Verantwortung, die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Existenz zu stärken und weitere Belastungen von ihnen fernzuhalten. Das sehe ich in dieser schwierigen Situation als unsere gemeinsame Aufgabe.
Gemeinsam alle notwendigen Entscheidungen treffen
Deshalb lade ich Sie dazu ein, dass wir gemeinsam alle notwendigen Entscheidungen treffen, um dieses Ziel für unsere Stadt zu erreichen.
Das negative Ergebnis ist zum Teil bedingt durch Abläufe, auf die wir keinen Einfluss haben. Wie zum Beispiel der mittlerweile seit 2 ½ Jahren andauernde Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Und natürlich die Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine mit der daraus resultierenden Energiekrise und der höchsten gemessenen Inflation in der Geschichte der Bundesrepublik.
Auch die hinlänglich bekannte und seit langem beklagte Unterfinanzierung der kommunalen Familie ist unverändert gegeben. Ich erspare ihnen und mir langatmige Ausführungen hierzu.
In der Ergebnisrücklage ausreichend Mitte, um das Defizit 2023 auszugleichen
Die Dinge auf die wir Einfluss haben, sollten wir aber gemeinsam mit allen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern und Gremien unserer Stadt umsetzen. Uns stehen in der Ergebnisrücklage ausreichend Mittel zur Verfügung, um das Defizit 2023 auszugleichen.
Die Mittel können genutzt werden, da in der Vergangenheit ordentlich gewirtschaftet wurde und notwendige – ja auch schmerzliche – Beschlüsse im Rahmen der Haushaltskonsolidierung gefasst wurden.
Durch sie ist es der Verwaltung trotz aller Schwierigkeiten gelungen, einen genehmigungsfähigen Haushaltsplan aufzustellen. Durch ihn ist zunächst einmal die Finanzierung des Notwendigen gesichert.
Aber wie eingangs schon angedeutet: Zur Wahrheit gehört auch, dass im Haushaltsplan auch Wünschenswertes und Liebgewonnenes enthalten ist.
Damit wir in Zukunft das Notwendige finanzieren und uns darüber hinaus den ein oder anderen Wunsch erfüllen können, sind aber weitere schmerzliche Beschlüsse notwendig. Der Entwurf sieht hierfür in der mittelfristigen Finanzplanung unter Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes derzeit schwerpunktmäßig die zusätzliche Erhöhung der fiskalischen Einnahmen ab dem Jahr 2024 vor.
Alternativen und Ergänzungen sind mit der Ausarbeitung zum Haushaltssicherungskonzept, welches Ihnen vor der Sommerpause zugegangen ist und zu dem Sie heute zahlreiche weitere Erläuterungen auf ihre Rückfragen erhalten haben, möglich.
Voraussetzung für die Alternativen zu Steuererhöhungen ist eine gemeinsame konstruktive Zusammenarbeit, die ich sowie meine Kolleginnen und Kollegen im Rathaus ausdrücklich anstreben und die wir uns wünschen würden.
Umsichtig und mit Augenmaß gestalten
Diese konstruktive Zusammenarbeit möchte ich mit Ihnen entschlossen, umsichtig und mit Augenmaß gestalten. Hierfür habe ich innerhalb der Verwaltung eine Arbeitsgruppe unter meinem Vorsitz ins Leben gerufen.
Diese wird Ihnen konkrete Vorschläge unterbreiten, wo und wie Einsparungen zukünftig möglich sind. Bei diesen Vorschlägen habe ich nicht die Frage im Blick, ob zwei oder drei Flaschen Wein verschenkt werden.
Nein, es wird um die großen Brocken gehen. Dinge die wir vielleicht gerne hätten oder gerne behalten würden aber uns nicht bzw. nicht mehr leisten können.
Ich bin mir sicher, dass wir mit den Arbeitsergebnissen der neu gegründeten Arbeitsgruppe in Verbindung mit den bereits vorgelegten Ausarbeitungen zur Haushaltskonsolidierung gemeinsam die richtigen Entscheidungen treffen werden, um einen dauerhaften Haushaltsausgleich, einen nachhaltigen Schuldenabbau und gezielte Investitionen in die Zukunft unserer Stadt auf die Beine zu stellen.
Können uns nicht alles und erst recht nicht alles gleichzeitig leisten
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Klar ist hierbei, dass wir uns nicht alles und erst recht nicht alles gleichzeitig leisten können. Die „eierlegende Wollmilchsau“ werden wir nicht finden! Wir müssen daher unsere Ausgabenwünsche mit dem notwendigen Finanzierungsrealismus verbinden.
Mit anderen Worten: Wenn an der einen Stelle ein Wunsch erfüllt werden soll, müssen wir an einer anderen Stelle Abstriche machen. Das ist wie mit der vielbeschworenen zu kurzen Bettdecke: Wir kriegen nicht den Kopf und die Füße gleichzeitig warm. Aber wir können es nach meiner Überzeugung schaffen, große Teile des Körpers in akzeptablem Umfang abzudecken.
Der Haushaltsausgleich im Ergebnis- und Finanzhaushalt ist dafür die grundlegende Genehmigungsvoraussetzung. Nur mit genehmigten Haushalten sind wir handlungsfähig. Der nachhaltige Schuldenabbau ist uns zum Teil schon gelungen.
So wird seit Ende 2020 kein Liquiditätskredit mehr benötigt. In der vorliegenden Haushaltssatzung kann auf eine Ermächtigung sogar gänzlich verzichtet werden. Der Aufnahme von Investitionskrediten, denen grundsätzlich Vermögenswerte gegenüberstehen, bedarf es im Haushaltsjahr 2023 auch nicht.
Hierdurch können in 2023 Schulden in Höhe von fast 4,3 Mio. Euro abgebaut werden. Damit kommen wir auch der Mahnung der Kommunalaufsicht nach, die unsere hohen Investitionskredite und die damit verbundene Nettoneuverschuldung regelmäßig als bedenklich einstuft.
Haushaltsplan sieht gezielte Investitionen in die Zukunft der Stadt vor
Nichts desto trotz sieht der Haushaltsplan gezielte Investitionen in die Zukunft unserer Stadt vor. Für investive Auszahlungen stehen im nächsten Jahr 12,5 Mio. Euro zur Verfügung.
Darin enthalten sind so große Investitionen wie die Kunstrasenplätze im Weiherhausstadion (1,2 Mio. Euro), der Umbau der „Alten Schule Hochstädten“ – im Schwerpunkt für die Kinderbetreuung (1,1 Mio. Euro) und Investitionen in den Brandschutz (1,6 Mio. €).
Gerade unsere Investitionen sind für mich das Licht im Schatten. Sie zeigen, dass wir trotz der schweren Zeiten den Blick nach vorne richten. Dieser ist wichtig, um die an uns gerichteten, vielfältigen Anforderungen zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger auch zukünftig gut erfüllen zu können.
Umfangreiche Aufgabenfelder
Denn hinter den ganzen Zahlen – ob rot oder schwarz – stehen eine Vielzahl von Einrichtungen und Aufgaben die wir zu leisten haben. Wie beispielsweise die Aufwendungen für unsere Kinderbetreuung, die allein mit mehr als 15,8 Mio. Euro im Haushaltsplan veranschlagt sind.
Aber auch der Brand- und Katastrophenschutz, der immer mehr an Bedeutung gewinnende öffentliche Personennahverkehr oder der Unterhalt unserer Straßen sind mit ausreichenden Haushaltsmitteln hinterlegt. Alles Dinge, um unsere Verpflichtung zur Daseinsfürsorge zu erfüllen.
Neben dem Pflichtprogramm finden sich im Haushaltsplan auch wichtige Ansätze für Kultur (2,8 Mio. Euro) oder den Betrieb der Bäder (2,3 Mio. Euro) und weitere freiwillige Leistungen wieder. Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine Erläuterung.
In Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ heißt es „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral!“ Ja: Auch wir müssen in diesen schwierigen Zeiten in unserem Haushalt klare Prioritäten setzen. Und ja: Diese Prioritäten müssen zuallererst bei dem liegen, was notwendig und unerlässlich ist. Nicht in erster Linie beim Wünschenswerten und Liebgewonnenen.
Allen wird Opferbereitschaft, Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz abverlangt
Und dennoch: Mit dem „Fressen“ – um bei der Wortwahl von Brecht zu bleiben – ist es nicht getan. Wir Menschen leben nicht vom Brot allein. In diesen schwierigen Zeiten wird allen Bürgerinnen und Bürgern Einiges an Opferbereitschaft, Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz abverlangt.
Gerade in solchen Zeiten haben auch Kultur, Sport und Freizeitangebote einen enormen gesellschaftlichen Stellenwert. Denn eine Gesellschaft, in der sich alle nur noch um das „Fressen“ kümmern, wäre trist, freudlos und deprimierend.
Und was noch wichtiger ist: Wenn Sie beim Fitnesstraining Ihre Muskeln immer nur angespannt halten würden, wäre das für Ihre Leistungskraft und Fitness nicht förderlich! Es braucht für den positiven Trainingseffekt auch die Phasen der Entspannung.
Genauso brauchen wir Menschen – gerade in schwierigen Zeiten – auch ein reges Kulturleben und Freizeitangebote, um die nötige Widerstandskraft gegen die Zumutungen dieser Zeit aufzubauen und zu erhalten.
Und ein weiterer Punkt ist mir an dieser Stelle wichtig und ich betone diesen explizit: Wo gute Arbeit geleistet werden soll, braucht man auch das nötige Personal dafür.
Auf Magistrat und Stadtverwaltung kommen eine Vielzahl von Aufgaben zu
Auf den Magistrat und die Stadtverwaltung kommen in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Aufgaben zu, die mit hoher Qualität zu bearbeiten sind. Auch von Bund und Ländern werden immer mehr Anforderungen an die Kommunen herangetragen.
Dies alles mit weniger hauptamtlichen Stellen zu bewältigen, ist aus meiner Sicht schlicht weg nicht zu leisten. Auch hier müssen wir also gemeinsam – selbst in Zeiten knapper Kassen – Maßnahmen ergreifen, damit wir handlungsfähig bleiben.
Verwaltung hat dafür Sorge zu tragen, die Aufgaben effizient und bürgernah zu bearbeiten. Die Politik steht in der Verantwortung die entsprechend notwendigen personellen Ressourcen bereit zu stellen.
Es kann also nach meiner Ãœberzeugung nicht darum gehen, gnadenlos das Heute gegen das Morgen
und das eindeutig Notwendige gegen das vermeintlich „bloß Wünschenswerte“ auszuspielen. Es muss vielmehr darum gehen, eine verantwortungsvolle Balance zwischen diesen Ebenen zu finden.
So viel Wünschenswertes wie möglich – bei so viel Finanzierungsrealismus wie nötig
Nach dem Motto: So viel von dem Wünschenswerten wie möglich – bei gleichzeitig so viel
Finanzierungsrealismus wie nötig. Denn erst die Summe all dessen macht – neben der privilegierten landschaftlichen Lage – unser Bensheim so lebenswert.
Damit das so bleibt, lade ich Sie ein, in den anstehenden Haushaltsberatungen gemeinsam das Beste aus der aktuellen Situation herauszuholen. Ich möchte nochmals betonen, dass mir das gemeinsame Ringen um die beste Lösung für unser Bensheim wichtig ist. Es gibt keine Denkverbote.
Die unterschiedlichen Sichtweisen der Fraktionen sollen so gut wie irgend möglich berücksichtigt werden. Jeder Vorschlag kann helfen und ist es Wert, diskutiert zu werden. Der respektvolle Umgang miteinander während dieses Prozesses sollte selbstverständlich sein.
Kurz vor Schluss möchte ich einen Punkt, der mir persönlich bei der Aufstellung des Haushaltsplanes 2023 sehr wichtig war, ein letztes Mal hervorheben. Ich habe eingangs auf die Energiekrise und die derzeit hohe Inflation hingewiesen.
Hierdurch werden nicht nur die kommunalen Haushalte im erheblichen Maße belastet, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger sowie die Gewerbetreibenden in Bensheim. Das Geld ist überall knapp.
Wichtig: Keine weitere Belastung durch die Erhöhung von kommunalen Steuern
Deshalb ist es mir wichtig, in 2023 keine weitere Belastung durch die Erhöhung von kommunalen Steuern hinzukommen zu lassen.
Mir ist bewusst, dass dies im Widerspruch zu dem von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Haushaltssicherungs-Konzept 2022 aus dem letzten Jahr steht. Dieses sieht bekanntlich für 2023 eine weitere Erhöhung der Grundsteuer B und der Gewerbsteuer vor.
Dennoch ist es für mich von wesentlicher Bedeutung, die Menschen in Bensheim an dieser Stelle etwas entlasten zu können.
Ich nehme die Gelegenheit der Haushaltsrede auch zum Anlass, mich bei den Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern im Magistrat, in der Stadtverordnetenversammlung, den Ortsbeiräten, den
Kommissionen und Betriebskommissionen sowie dem Ausländer- und Seniorenbeirat für die gute und konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle unserer lebens- und liebenswerten Stadt zu bedanken.
Lob und Dank an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung
Ein Lob und Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung und der Eigenbetriebe, die allesamt in ihrem jeweiligen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger übernehmen.
Nicht zuletzt lobe ich auch unsere aktive Bürgerschaft für ihre Eigeninitiative und das ehrenamtliche Engagement in zahlreichen Initiativen und ganz besonders in den Vereinen, die das gesellschaftliche Miteinander in unserer Stadt beleben und fördern.
Lassen Sie mich abschließend allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit bei der Erstellung dieses Zahlenwerkes herzlich danken.
Für ihre geschätzte und geduldige Aufmerksamkeit danke ich Ihnen und freue mich schon jetzt auf eine fruchtbare und konstruktive Haushaltsberatung.
Lassen Sie uns gemeinsam „das dicke Brett bohren“ und zusehen, dass für unsere Stadt Bensheim dabei das unter den gegebenen Umständen bestmögliche Ergebnis herauskommt. Der Haushalt ist hiermit offiziell eingebracht. <