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Langjährige Versäumnisse holen Bensheimer Politiker und Stadtspitze ein

Aktuelle Handlungen und Entscheidungen der Stadtspitze wie auch des Stadtparlaments werfen angesichts gewaltiger Finanzkrise erhebliche Fragen auf

BENSHEIM. - Das Jahresdefizit im Bensheimer Haushaltsplan 2024 war zu Beginn des Jahres mit rund 12,5 Millionen Euro angegeben. Entsprechende Rücklagen aus nicht getätigten Investitionen sicherten dennoch die Genehmigung des aktuellen Jahresetats durch die Aufsichtsbehörde.

Doch schon zur Jahresmitte war klar: die Gewerbesteuer fließt nicht in erhofftem Maße, vielmehr werden Rückzahlungen an Gewerbesteuer-Vorauszahlungen fällig. Die massiven Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt durch die Mindereinnahmen sind ausschließlich der schwierigen Wirtschaftslage geschuldet, hies es damals aus dem Rathaus.

Defizit von ursprünglich 12,5 Mio. auf vorläufig deutlich über 40 Mio. angewachsen

So werde sich das Jahresdefizit 2024 statt der veranschlagten 12,5 Millionen nunmehr auf 42,7 Millionen Euro erhöhen. Das aber war nach Insider-Berichten schon damals nur der untere Wert des prognostizierten Jahresdefizits im Bereich zwischen 42,7 und 47 Millionen Euro.

Insider sprechen inzwischen gar von einem Jahresdefizit des Bensheimer Etats von über 50 Millionen Euro bis 31. Dezember 2024. Ein gewaltiger Donnerschlag im Bensheimer Rathaus machte sich breit.

Magistrat verfügt Haushaltssperre

Flugs wurde vom Magistrat eine Haushaltssperre verfügt, sprich nur noch unabdingbare Aufgaben und Pflichten dürfen seither getätigt werden (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews).

„Die massiven Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt durch die Mindereinnahmen seien ausschließlich der schwierigen Wirtschaftslage geschuldet“, wurde Ende Juni dieses Jahres aus dem Bensheimer Magistrat kommuniziert.

Aber offensichtlich stimmten auch andere Vorausberechnungen nicht, denn Insider wissen, dass sich das Steuerdefizit aus der Gewerbesteuer gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsansatz bei „nur“ rund 15 Millionen Euro im Minus bewegt.

Nur „unwirksame Sparmaßnahmen im Peanutsbereich“ von Verwaltung vorgenommen

Sparmaßnahmen wie Absage des städtischen Empfangs zum Bergsträßer Winzerfest 2024 und die Absage von öffentlichen Weihnachtsbäumen in den Zentren der Stadtteile waren die unmittelbare Folge und wurden von einzelnen Fraktionen im Bensheimer Stadtparlament als „unwirksam“ angesichts des großen Haushaltslochs abqualifiziert. Das seien lediglich „Sparmaßnahmen im Peanutsbereich“ von der Verwaltung.

Während einzelne Fraktionen Sparmaßnahmen größeren Ausmaßes verlangten und bis dato danach suchen, werden zeitgleich Maßnahmen auf den Weg gebracht, die - nach Ansicht vieler Bensheimer Bürger - nicht mit der aktuellen Finanzsituation der Stadt in Einklang zu bringen sind.

Versäumnisse oder Missachtungen einzelner Stadtverordnetenbeschlüsse

In diesen Kontext fallen durchaus auch nicht unerhebliche Versäumnisse oder Missachtungen einzelner Stadtverordnetenbeschlüsse durch den Magistrat wie ebenfalls falsche Beschlussvorgaben durch das Stadtparlament.

So wurde beispielsweise im Jahr 2018 der Magistrat beauftragt das ehemalige Hoffart-Gelände im Stadtbesitz zu veräußern. Nach inzwischen sechs Jahren (!!!) ist dieser Beschluss noch immer nicht umgesetzt.

Dabei gab es vor zuletzt zwei Jahren immerhin drei Bewerber, die sich für das Grundstück interessierten und bereit waren, an dieser exponierten Stelle neben dem Parktheater im Einvernehmen mit städtischen Vorstellungen in Immobilien zu investieren.

Interessenten von Baudezernentin um zwei Jahre vertröstet

Diese wurden damals von Baudezernentin und Erster Stadträtin Nicole Rauber-Jung auf 2024 vertröstet, weil angeblich andere Bauvorhaben wie Marktplatz, Neumarktcenter und die Sanierung des Altbaus beim Heilig-Geist-Hospital Vorrang hätten.

Am Ende dieses zweiten Jahres, in dem den Investoren eine Entscheidung in Aussicht gestellt worden war, bleibt festzuhalten, dass keines dieser damals priorisierten Projekte umgesetzt wurde, und auch der Stadtverordnetenbeschluss aus dem Jahr 2018 bezüglich des Verkaufs des Hoffart-Geländes noch immer auf Umsetzung wartet.

„Open-Gardening“ trotz Parlamentsbeschluss von Magistrat einseitig eingestampft

Zwischenzeitlich wurde 2023 auf Vorschlag der städtischen Bauverwaltung vom Stadtparlament mehrheitlich beschlossen auf dem noch immer freien Hoffart-Gelände mit Förder- und Eigenmitteln in Höhe von 375.000 Euro ein sogenanntes â€žOpen Gardening“ zu implementieren.

Heraus kam im vergangenen Jahr eine mehr als fragwürdige Wandbemalung an der Nordseite des Parktheaters, für die eine „Künstlergage“ fällig wurde, ehe zu Herbstbeginn 2024 das „Open Gardening“ entgegen dem Parlamentsbeschluss von Magistratsseite mangels Beteiligungsinteresse einseitig abgesagt wurde.

Versprechungen an Besitzer des Neumarkt-Centers nicht eingehalten 

Auch dem aktuellen Inhaber des Neumarkt-Centers wurde im Rahmen einer Pressekonferenz von Rauber-Jung im Oktober 2021 zugesagt „noch in diesem Jahr“, sprich vor nunmehr drei Jahren, im Einklang mit den Vorhaben des Investors einen Bebauungsplan zu erstellen.

Auch hier ist nach mehr als drei Jahren festzuhalten, dass diese Zusage nicht ansatzweise eingehalten wurde. Vielmehr gab es zuletzt nach zweijährigen Planungen und mehrfachen Verwerfungen der Pläne durch die Bensheimer Kommunalpolitik vom Investor am 23. November 2023 eine weitere Planungsvorlage an die städtische Bauabteilung.

Die Antwort aus dem Bensheimer Rathaus sei jedoch ebenfalls negativ ausgefallen bzw. zunächst gar nicht beantwortet worden, wie vom Investor verlautet.

Stadtspitze verlangt Finanzierungsbestätigung für nicht abgesegneten Planentwurf

Vielmehr habe die Stadtspitze eine Finanzierungsbestätigung von der Wirtschafts-und Infragstrukturbank Hessens (WI-Bank, KFW) gefordert, die diese aber nur bei Vorlage des endgültigen Planentwurfs hätte geben können.

Da der Entwurf aufgrund der fehlenden Reaktion aus dem Rathaus nicht als genehmigungsfähig angesehen werden konnte, gab es daraus folgend auch keine Finanzierungsbestätigung von der WI-Bank.

Termin mit Geschäftsführer der WI-Bank von Stadtspitze abgelehnt

Der Investor schlug daraufhin vor, mit dem Geschäftsführer der WI-Bank Gottfried Milde zu einem gemeinsamen Termin zu Bürgermeisterin Klein und der Ersten Stadträtin und Baudezernentin Rauber-Jung zu kommen, um die Situation zu klären. Ein solcher Termin wurde damals von den beiden Damen abgelehnt.

Somit ruht das Projekt seit nunmehr einem Jahr komplett, während die monatlichen Belastungen von rund 70.000 Euro ohne Aussicht auf Einnahmen weiterlaufen. In den monatlichen Gesamtkosten sind rund 16.000 Energiekosten (Strom und Gas) enthalten.

Durch die Erhöhung der Zinsen und der Baukosten war die Finanzsituation für den Investor im Jahr 2023 schwierig geworden und die monatlichen Energiekosten konnten nicht mehr bezahlt werden, sodass die Stromlieferung eingestellt wurde, was bekanntlich auch zur Schließung der Tiefgarage führte, nachdem die Nutzungserlaubnis entzogen worden war.

Erhebliche Einnahmeverluste für Investor wie auch die MEGB

Vor diesem Hintergrund sind nicht nur dem Investor des Neumarktcenters erhebliche Einnahmeverluste (die Rede ist von inzwischen 240.000 Euro) entstanden, sondern auch der 100-Prozent städtischen Tochter Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim mbH (MEGB).

Deren eigene, rund 150 Tiefgaragenparkplätze können seit nunmehr Jahresfrist ebenfalls nicht genutzt werden weil diese sowohl über Zu- und Abfahrt als auch technisch mit den TG-Parkplätzen des Neumarkt-Centers verbunden sind.

Ehemaliges Kaufhaus Krämer bisher ein Millionen-Flop für die Stadt

Ein weiteres Negativ-Highlight der städtischen Bauabteilung, das zum Finanzdefizit in der Stadtkasse einen nicht unerheblichen Beitrag leistet, findet sich im ehemaligen Kaufhaus Krämer.

Dieses ist seit dem Frühjahr 2018 ebenfalls im Besitz der Stadttochter MEGB. Trotz einem städtischen Invest, teilweise über das Tochterunternehmen, von inzwischen gut 4 Millionen Euro wurde dies seither keiner Nutzung zugeführt. Nicht einmal ansatzweise gab oder gibt es gar bisher ein entsprechendes Nutzungskonzept.

Immobilienentwickler für das MEGB-Großprojekt verantwortlich eingestellt

Nach dem Immobilienkauf 2018 wurde mehr als zwei Jahre später zum 01. Oktober 2020 sogar ein zuvor beim Immobilienentwickler BPD tätiger Fachmann „für das MEGB-Großprojekt verantwortlich“ bei der Stadttochter eingestellt.

Der neue Mann, mit einem Jahreshonorar im sechsstelligen Bereich ausgestattet, war für BPD zuvor schon für Bensheimer und weitere regionale Immobilien-Großprojekte wie die Bauvorhaben auf dem Euler- und EKZ-Gelände in Bensheim sowie in Heppenheim auf dem Areal der früheren Vitos-Klinik tätig.

Bei einem Workshop Ende Oktober 2020 sollte geklärt werden, welche Nutzungen für den Gesamtkomplex möglich sind. Der damalige MEGB-Geschäftsführer Helmut Richter und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung sahen sich auf einem guten Weg.

Bis dato kein Nitzungskonzept - Fachmann verließ Stadttochter MEGB entnervt

Neben dem Kaufpreis von knapp 2 Millionen Euro wurden weitere rund zwei Millionen Euro in Vorplanungen einer Architektengruppe investiert, ohne dass es jedoch auch nur ansatzweise zu einem Konzept, geschweige denn zu einer Umsetzung kam. Der neue verantwortliche Mann gab zeitnah entnervt auf und verließ die MEGB.

Aktuell kommen inzwischen Forderungen aus Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung auf, das Gebäude im Stadtzentrum zu veräußern, sofern es nicht dauerhaft wirtschaftlich betrieben werden kann und Verlustausgleiche seitens der Stadt erforderlich sind. Eine diesbezügliche Entscheidung steht nach einem Antrag von BfB, VuA und FWG zur kommenden Sitzung der Stadtverordneten auf der Tagesordnung.

Selbst die Stadtbibliothek wird zum Geldvernichter im sechstelligen Bereich

Auch der geplante Umzug der Stadtbibliothek, wie zuletzt durch Mehrheitsbeschluss der Stadtverordneten veranlasst, wirft erhebliche Fragen auf. So sollen sich die Kosten, die im Frühjahr 2024 noch mit 200.000 Euro veranschlagt und so auch vom Parlament genehmigt worden waren, für eine Übergangslösung (!) nun auf 520.000 Euro, sprich gut eine halbe Million Euro belaufen.

Nachdem die zunächst vorgesehene Übergangslösung mit zwei Standorten in der Schwanheimer Straße wie in der >Alten Gerberei< im Stadtzentrum verworfen und lediglich die >Alte Gerberei< zum räumlich stark beengten >Notnagel< auserkoren wurde, soll es dennoch beim nicht unerheblichen Kostenaufwand von rund 500.000 Euro bleiben.

„Keine über- und außerplanmäßige Kosten“

Die Mehrkosten sollen nach Verwaltungsvorschlag gemäß §100 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) als „über- und außerplanmäßige Kosten“ deklariert werden, was Verwaltungsjuristen als nicht gesetzeskonform erachten.

Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass diese Kosten weder „unvorhergesehen und unabweisbar sind“ und auch die Deckung angesichts der vorhandenen Haushaltsmisere keineswegs uneingeschränkt gewährleistet ist.

Längst reparierter Wasserschaden als Auslöser

Ursächlich für die Umzugspläne der Stadtverwaltung war der bekanntlich im Sommer 2023 aufgetretene Wasserschaden in der Wohnung oberhalb der städtischen Bibliothek im Neumarkt-Center. Dieser Schaden wurde vom Eigentümer der Immobilie repariert.

Zusätzlich sei dann die Forderung von der Stadt gekommen, die Wartung der Lüftungsanlage des Bibliothekgebäudes mit Kosten von etwa 20.000 Euro durchzuführen.

Stadtspitze lehnt Angebot des Immobilienbesitzers ab

Daraufhin schlug der Besitzer des Neumarkt-Centers vor, die Stadt solle das auf eigene Rechnung machen lassen und die Kosten anschließend mit der monatlichen Miete für die Bibliothek (rund 10.000 Euro) verrechnen, sprich die entstandenen Kosten „abwohnen“. Das habe die Stadtspitze abgelehnt.

Stattdessen wurde von städtischer Seite der Umzug der Bibliothek beschlossen. Die monatlichen Mietzahlungen an den Besitzer des Neumarkt-Centers wurden per Oktober 2023 eingestellt, obwohl die Bücher und weitere Medien bis dato noch immer dort eingelagert sind.

Die ursprüngliche mit dem Besitzer übereinstimmende Planung, die Bibliothek in das neue Neumarktcenter-Gebäude umzuziehen und aus dem Bestandsgebäude Wohnungen zu machen, wurde von städtischer Seite somit komplett verworfen.

Investition von mehr als 500.000 Euro für Übergangslösung

Sofern die Wartung der Lüftungsanlage durchgeführt worden wäre, hätte die Bibliothek auch im derzeitigen Gebäude dauerhaft verbleiben können, sagt der Eigentümer.

Durch den jüngsten Mehrheitsbeschluss der Stadtverordneten aber sollen Ausgaben in Höhe von gut einer halben Million für eine Übergangslösung, sprich für ein Provisorium, getätigt werden, die in der städtischen >Kriegskasse< komplett fehlen und den Schuldenstand weiter erhöhen.

Parlamentsbeschluss nicht ausgeführt - interessierten Investor verprellt

In diesen Kontext passt auch ein Beschluss der Stadtverordneten vom Dezember 2022. Damals wurde der Magistrat auf BfB-Antrag beauftragt zu prüfen, ob die im städtischen Besitz befindliche Immobilie >Alte Gerberei< nach der Insolvenz des damaligen Pächters Greenpoint Entertainment, der dort das Varieté-Theater >Pegasus< betrieben hatte, weiterverpachtet oder veräußert werden kann.

Ein entsprechendes Prüfungsergebnis des Magistrats liegt bis dato noch immer nicht vor, bzw. ist zumindest nicht bekannt geworden, obwohl es im Frühjahr 2023 einen wirtschaftsstarken Investor gab, der alternativ zur Pacht oder gar zum Kauf der Immobilie und dem Weiterbetrieb eines Varieté-Theaters bereit gewesen wäre.

Teilweise hochwertiges Inventar verschenkt oder verschrottet

Statt diesen Parlamentsbeschluss auszuführen und bezüglich des Interessenten eine für beide Seiten wie auch dem Image der Stadt dienende Entscheidung herbeizuführen, wurde das gesamte Inventar des früheren Varieté-Theaters, das in Corona-Zeiten mit Fördermitteln von insgesamt knapp einer halben Million auch als Fernsehstudio ausgestattet worden war, zum geringen Teil veräußert, überwiegend verschenkt bzw. verschrottet.

Das ist einer entsprechenden Pressemitteilung der Stadt zu entnehmen (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews).

Entscheidungen der Stadtspitze und/oder des Parlaments, die manchem Bensheimer Steuerzahler die Zornesröte ins Gesicht treibt und die städtische Ankündigung vom Juni dieses Jahres ad absurdum führen: „Zusammen mit dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung gilt es nun, die weiteren Schritte verantwortungsvoll und sorgfältig zu erörtern.

Angesichts der schwierigen Lage muss unser aller gemeinsames Ziel sein, geschlossen und noch entschlossener als bisher zu handeln.“

Stadtspitze lässt Sperrvermerke durch HuF aufheben

Stattdessen empfahl die Stadtspitze dem Haupt- und Finanzausschuss aktuell zwei Sperrvermerke aufzuheben und nicht unerhebliche Mittel in Höhe von 70 000 Euro freizugeben.

Nach einem inzwischen erfolgten Mehrheitsbeschluss des Haupt- und Finanzausschusses (HuF) sollen nun für sage und schreibe 40.000 Euro „Maßnahmen zur Strom- und Trinkwasserversorgung am Nibelungenbrunnen“ in der oberen Hauptstraße zum „Aufhübschen“ dort gelegener Immobilien durchgeführt, und sogenannte „Terrorsperren“ für Veranstaltungen zum Preis von 30.000 Euro angeschafft werden.

Und das, obwohl die seither vorhandenen „Sperren“ durchaus den Anforderungen genügen und sich Terroristen zwischenzeitlich anderer Terror verursachender Geräte wie beispielsweise Drohnen bedienen. Investitionen, die kritische Zeitgenossen angesichts der desolaten Haushaltslage nur mit dem Kopf schütteln lässt.