„Den Bürgerwillen bei der Marktplatzgestaltung missachtet“
„Ein öffentliches Pissoir mit Bierausschank soll die Versäumnisse der Vergangenheit kompensieren“ + + + Cafe Extrablatt als Schattenthema + + + „Peinliche Ratlosigkeit bei der Rathaus-Spitze“BENSHEIM. - „Es ist nicht einfach, für den Bensheimer >Marktplatz der Zukunft< in Corona-Zeiten Aufmerksamkeit zu bekommen - zumal das Thema nervig, überflüssig und festgefahren erscheint“, sagt Gundula Bunge Glenz, eine der Vertrauensleute der Bürgerinitiative >Bensheimer Marktplatz besser beleben<.
Dennoch lässt die BI derzeit noch immer nicht locker, mit ihrem Anliegen Gehör zu finden. Insbesondere auch, weil man sich wegen der Corona-Krise in seinen demokratischen Rechten eingeschränkt sieht.
Bekanntlich konnten wegen der verhängten Kontaktsperren die für ein Bürgerbegehren erforderlichen Unterschriften bis zum offiziellen Fristende am 9. April nicht in ausreichender Zahl gesammelt werden.
Trotz eindeutiger Rechtshinweise noch keine Positionierung
Der Magistrat der Stadt Bensheim hat sich bisher, trotz eindeutiger Rechtshinweise aus dem hessischen Innenministerium, noch nicht dazu positioniert ob man bereit ist, der BI die durch die Corona-Kontaktsperre unterbrochene gesetzlich verankerte 8-Wochenfrist zu gewähren, damit diese das für einen Bürgerentscheid nötige Quorum von mindestens 3.200 Unterschriften erreichen kann.
Bürgermeister Rolf Richter hatte bereits am 23. April angekündigt, trotz der klaren Hinweise aus Wiesbaden, eigene Rechtsgutachten einzuholen, und hält sich seither trotz mehrerer Aufforderungen zur Positionierung durch die BI in Schweigen.
„Irritiert über Aussage der Ersten Stadträtin und Baudezernentin Rauber-Jung“
„Wir haben, dem demokratischen Recht entsprechend, beim Magistrat >Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt<, und sind wegen der bisher ausstehenden Antwort ebenso irritiert, wie über die Aussage der Ersten Stadträtin und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung“, sagt Akram El-Rikabi.
Rauber-Jung habe in einem Gespräch mit BI-Vertrauensleuten bekundet, die Abstimmung im Bürgerdialogprozess habe keinerlei Bedeutung gehabt. Vielmehr sei es eine rein städtebauliche Entscheidung gewesen, sich am früheren Platz des >Haus am Markt< für ein Gebäude mit gastronomischer Nutzung auszusprechen.
„Transparenz zu politischen Entscheidungsfindungen, Offenheit im Dialog mit den Bürgern, demokratische Prozesse als höchstes Gut verstehen und bewahren, maßvoll mit Finanzen und Ressourcen haushalten und echte Verantwortung für ein zufriedenes, gesellschaftliches Miteinander tragen“, vermisst El-Rikabi hier jedoch „als unabdingbare Basis für eine funktionierende Stadtgesellschaft.“
„Zu Beginn des Dialogprozesses auf Zusage unseres Bürgermeisters vertraut“
„Zu Beginn des Dialogprozesses war ich begeistert und vertraute der Zusage unseres Bürgermeisters, dass die Bürger ohne Beschränkung denken sollten. Es sei ein offener Prozess und keine Meinung würde unter den Tisch fallen sagte der Rathauschef damals“, erinnert sich Gundula Bunge-Glenz.
„Die Verfechter der Ansicht >freier Platz und kein Gebäude< hatten es allerdings schwer, in den Veranstaltungen durchzukommen. Wie es schien, hatte die Liga >Belebung = Gebäude mit Café Extrablatt als Schattenthema< die besseren Karten im Experiment Bürgerbeteiligung.“
Die Veranstaltung, in der die Befragung stattfand, sei ihr noch sehr gut in Erinnerung. „Man konnte nur über die >Höhe eines Gebäudes, aber nicht über die Option >kein Gebäude< abstimmen. Das führte natürlich zu Protesten und blieb nicht unkommentiert. Ungeachtet dessen sollte dieses Stimmungsbild zur Grundlage des Realisierungswettbewerbs werden.“
„Wozu der ganze Zeit- und Kostenaufwand für eine Bürgerbeteiligung?“
Im städtischen Eckpunktepapier liest sich das dann folgendermaßen: „Die Bürger haben sich im Dialogprozess deutlich für ein Gebäude mit gastronomischer Nutzung zur Belebung des Marktplatzes ausgesprochen“.
„Wozu dann der ganze Zeit- und Kostenaufwand für eine Bürgerbeteiligung? Das sieht wirklich nicht nach echtem Interesse an der Bürgermeinung aus. Damit wird auch der Motto-Satz,
>der Bürger sei der Bauherr< zur Farce.
Das Ganze wirkt eher wie eine Alibiveranstaltung, in der die Stadt testen wollte, was von den >alten Plänen< durchzusetzen ist oder wie hoch der Widerstand in der Bevölkerung ist.
Dass ich dem als mündige Bürgerin widersprechen muss, ist sicher nachvollziehbar. Dieses Ergebnis war schließlich der entscheidende Punkt, der zur Mitgründung der BI geführt hat“, verdeutlicht Gundula Bunge-Glenz.
„Fassungslos, wie undemokratisch der Prozess ablief“
„Weil es mich fassungslos gemacht hat und immer noch macht, wie undemokratisch der Prozess ablief und wie wenig man auf die Wünsche der Bürger eingegangen ist, habe ich diese BI mit gegründet“, sagt Susanne Reichert, die von städtischer Seite einen „konstruktiven, wertschätzenden Umgang miteinander“ vermisst.
„Eine Stadtverwaltung, die uns als >Feind< ansieht und regelmäßig gegen uns >schießt<, hatte ich so nicht erwartet. Ich möchte mich weiterhin für mehr Demokratie und Mitbestimmung einsetzen.“
„Ein Riesen-Aufwand für Nichts“
Noch deutlicher wird Theo Sartorius: „Alle, die glauben, dass das Wohl und Wehe der Innenstadt von der Ostrandbebauung des Marktplatzes abhängt, haben nicht erkannt, dass die Stadtspitze das alte >Haus am Markt< über 10 Jahre sträflich vernachlässigt und hat leer stehen lassen.“
Hier solle jetzt „ein Riesen-Aufwand für Nichts“ betrieben werden. Für das ursprünglich geplante Großprojekt >Haus am Markt 2.0< habe der Bürgermeister samt seines früheren Stadtbaurats einen Architekten-Wettbewerb nicht für erforderlich gehalten.
„Betretene und peinliche Ratlosigkeit bei der Rathaus-Spitze“
„Nach dem Abbruch des >Haus am Markt<, der fehlenden Baugenehmigung und dem verbliebenen Schutthaufen herrschte bei der Rathaus-Spitze betretene und peinliche Ratlosigkeit.
Nun mussten der Bürgerwille herhalten, das Bürgernetzwerk, der Bürgerdialog Marktplatz, und jetzt soll es ein Architektenwettbewerb, und zwar ein Realisierungswettbewerb, mit ein bisschen Städtebaulich-schmückendem Beiwerk richten. Und wofür: für ein eingeschossiges Gebäude!“
„Bensheimer Probleme nicht mit einem >Hüttchen am Marktplatz-Ostrand< zu lösen“
Das passe alles nicht zusammen, sagt der frühere Bensheimer Stadtbaurat. Und jetzt solle „ein öffentliches Pissoir mit Bierausschank“ in höchst fragwürdiger Weise die Versäumnisse der Vergangenheit an dieser Stelle kompensieren. Damit werde der Bürgerwille komplett missachtet.
„Die Bensheimer Probleme liegen tiefer und sind nicht mit einem >Hüttchen am Marktplatz-Ostrand< zu lösen. Aber dafür benötigt Bensheim eine regenerierte Stadtverordneten-Versammlung und eine engagierte und solide politische Stadtspitze“, sagt Sartorius.
Es lasse sich unschwer erkennen, wie verwoben dieses Thema sei und welche Fragen daraus resultierten, finalisiert Gundula Bunge-Glenz ihr Statement: „Wie können wir Konflikte lösen und einen Gewinn daraus ziehen? Wie wichtig ist uns eine lebendige Demokratie? Wie stellen wir uns unsere Stadt in den nächsten 10 bis 15 Jahren vor?
Um sich damit konstruktiv zu beschäftigen bräuchten wir deutlich weniger Feindbilder und Parteitaktiken. Ehrliches Interesse an den Ideen und Vorstellungen des Gegenübers sind gefragt. Sind es die Politiker, Gastronomen, Geschäftsleute oder Bürger. Eher Respekt und Wertschätzung und die Bereitschaft miteinander zu reden. Die BI ist dazu in jedem Fall bereit.“