Stadtparlament: In Bensheim weiter wie bisher mit Christine Deppert
Brisanz um die Wahl zum >Ehrenstadtverordneten< Carmelo Torre, der diese Auszeichnung für 20-jährige Tätigkeit erhielt, davon aber mehr als die Hälfte dieser Zeit dem Gremium unrechtmäßig angehörteBENSHEIM. - „Als größte Stadt des Kreises zählt Bensheim zu den stärksten Städten der Region. Die heimliche Kreisstadt ist landschaftlich bezaubernd und ökonomisch stark. Weit über die Stadtgrenzen hinaus gilt Bensheim als überaus lebens- und liebenswert“, sagte Rolf Kahnt.
Der AfD-Politiker hatte als Alterspräsident die Leitung zum Auftakt der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung übernommen und zeichnete ein buntes Bild der rund 43.000 Einwohner beherbergenden Stadt, in der „Wirtschaft, Handel und Kultur täglich herausragende Leistungen erbringen“.
„Abschied von gestern“
Dazu baue das Parlament die „Stadtentwicklung von morgen“ und nehme „Abschied von gestern“. Er sei zuversichtlich, dass das neue Stadtparlament sachgerecht und zielführend arbeiten werde, denn schließlich gelte, „was man für sich beansprucht, solle man anderen nicht versagen“.
StadtverordneteR sei das „höchste Ehrenamt, das die Stadt zu vergeben hat“. Er rege an, es mit „viel Freude und wo immer es angebracht ist, mit einer guten Portion Humor auszuüben“, sagte Kahnt und wünschte den Parlamentariern „eine glückliche Hand bei allen Entscheidungen“.
Nur ein Wahlvorschlag
Zur Wahl als Stadtverordnetenvorsteherin gab es mit Christine Deppert nur einen Vorschlag der Christdemokraten als stärkster Parlamentsfraktion.
Dieser ersten und einzigen Amtshandlung des Alterspräsidenten entledigte er sich souverän und konstatierte ein einstimmiges Votum für die alte und neue Parlamentschefin. Dieser übertrug er die weitere Sitzungsleitung verbunden mit den besten Wünschen.
„Großes Fundament der Demokratie“
Christine Deppert startete ihre zweite Amtszeit als höchste Repräsentantin der Stadt Bensheim mit Dank für ihre Wiederwahl. „Es macht mir sehr viel Freude dieses Amt auch weiterhin mit Herzblut ausüben zu dürfen.“ Die Stadtverordnetenversammlung sei „ein großes Fundament der Demokratie“. Gemeinsame Basis der Arbeit sei „das Wohl der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger“.
Zu Stellvertretern Depperts wählten die Mandatsträger die erstmals im Parlament vertretene Sarah Höller (GRÜNE) und Heiko Moritz (SPD) mit 41 Zustimmungen bei je zwei Gegenstimmen und Enthaltungen.
Einstimmige Beschlüsse gab es zur Feststellung der Gültigkeit der Kommunalwahl, wie aller Ortsbeiräte und des Ausländerbeirats. Festgelegt wurde ebenfalls einstimmig die Besetzung der Ausschüsse mit jeweils 9 Parlamentariern (CDU 3, GRÜNE 2, SPD, FDP, FWG und BfB je 1).
Einmütiges Votum der 45 Stadtverordneten
Auch die Änderung der Hauptsatzung auf künftig neun Magistratssitze fand das einmütige Votum der 45 Stadtverordneten. Darauf hatte man sich im Vorfeld verständigt, um ein Losverfahren zwischen den gleichstarken Fraktionen von FWG und BfB zu umgehen. Dieses wäre bei verbliebenen acht ehrenamtlichen Magistratssitzen nötig geworden.
Die personelle Besetzung der Magistratssitze indes wurde auf CDU-Antrag, wiederum einstimmig, in die nächste Sitzung verschoben, um dies auf rechtswirksamer Basis nach der Hauptsatzungs-Änderung vollziehen zu können.
Zum Schriftführer berufen wurde Benjamin Swatschina, als dessen Stellvertreter Markus Wetzel bestimmt, die beide im Parlamentarischen Büro der Stadtverwaltung tätig sind.
FWG beantragt namentliche Einzelabstimmung über Verleihung der Ehrenbezeichnungen
Brisanz kam nach soviel Einmütigkeit erstmals auf bei einem eigentlich freudigen Anlass. Auf Vorschlag der Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert standen elf Auszeichnungen an für Gremienmitglieder, die 20 oder mehr Jahre ehrenamtlich tätig waren und dafür mit der Bezeichnung >Ehrenstadtverordneter<, >Ehrenortsvorsteher< oder >Ehrenortsbeirat / -beirätin< bedacht werden sollten.
Zur Beschlussfassung über die Verleihung dieser Ehrenbezeichnungen beantragte die FWG-Fraktion durch ihren Fraktionschef Dr. Rolf Tiemann namentliche Einzelabstimmung über die Verleihung der Bezeichnung „Ehrenstadtverordneter“ an Carmelo Torre. Ansonsten solle - wie vorgesehen- en bloc abgestimmt werden.
Trotz persönlicher Wertschätzung Einwände gegen die Verleihung der Ehrenbezeichnung
Dies begründeten die Freien Wähler folgendermaßen: „Trotz der persönlichen Wertschätzung und dem auch von uns anerkannten, langjährigem Einsatz und Engagement von Herrn Torre, erheben wir Einwände gegen die Verleihung der Ehrenbezeichnung >Ehrenstadtverordneter<.
Wir haben daher in Vorgesprächen gebeten, nach für die FWG akzeptablen Lösungswegen zu suchen, die weder Herrn Torre noch das Gremium Stadtverordnetenversammlung beschädigen.
Gravierender Regelverstoß: „Torre war viele Jahre unrechtmäßig Stadtverordneter in Bensheim“
Wie bei der Kommunalwahl öffentlich bekannt wurde, war Herr Torre viele Jahre unrechtmäßig Stadtverordneter in Bensheim. Aus unserer Sicht ist das ein gravierender Regelverstoß.
Parlamentarier legen Regeln fest, die von allen Bürgern zu beachten sind. Da ist zu fordern, dass erst recht Parlamentarier diese Regeln einhalten. Daher ist aus unserer Sicht die Verleihung der Ehrenbezeichnung >Ehrenstadtverordneter< an Herrn Torre nicht gerechtfertigt.
Auch formal wird die Voraussetzung der Verleihung, nämlich eine mindestens 20- jährige, ehrenamtliche kommunalpolitische Tätigkeit nicht erfüllt, wenn die Jahre der nicht rechtmäßigen Mitgliedschaft in der Stadtverordnetenversammlung abgezogen werden.
„FWG-Fraktion stimmt der Verleihung an Herrn Torre nicht zu“
Daher werden die Mitglieder der FWG-Fraktion der Verleihung an Herrn Torre nicht zustimmen. Wir haben großes Verständnis für eine Würdigung des Einsatzes und des Engagements von Herrn Torre durch seine Partei, für die sich sicherlich CDU-intern ein angemessener Weg finden lassen sollte.“
Widerspruch dazu gabs aus den Fraktionen der AfD, der CDU, SPD und BfB. Er bedauere sehr, „dass die bisher harmonisch verlaufene Sitzung jetzt einen Wermutstropfen bekommt“, sagte AfD-Fraktionschef Rolf Kahnt.
„Torre als integre Persönlichkeit kennengelernt“
Er habe Carmelo Torre als integre Persönlichkeit kennengelernt, „der immer Bensheimer geblieben ist“. Das Stadtparlament solle so souverän sein, ihm diese Wertschätzung, „die er sich über viele Jahre verdient hat“, zukommen zu lassen.
Alles andere wäre absurd und würde die Leistungen von Carmelo Torre zunichtemachen, befand Kahnt. Der Antrag der FWG zeuge von schlechtem politischen Stil und er wolle sich nicht ausmalen, „was der Betroffene empfinde“. Der AfD-Chef mahnte an, man möge „Empathie zeigen“.
„Wer, wenn nicht er, sollte ausgezeichnet werden“
„Wer, wenn nicht er, sollte ausgezeichnet werden für die Zeit, die er geopfert hat“, fragte CDU-Fraktionschef Tobias Heinz seine Kolleginnen und Kollegen. Das sei ein „unwürdiges Theater auf offener Bühne“.
Es gehe ausschließlich darum, Personen zu ehren, die 20 Jahre ein Mandat begleiteten. Und das gelte auch für Carmelo Torre, der sich „in vorbildlicher Art und Weise eingebracht“, sich für seine Heimatstadt engagiert, und sich große Verdienste erworben habe.
„Ein extrem engagierter und kenntnisreicher Kollege“
In die gleiche Richtung agierte auch BfB-Fraktionschef Franz Apfel, der bemerkte, er habe Carmelo Torre als äußerst engagierten Stadtverordneten kennen- und schätzen gelernt. Er sei ein extrem engagierter und kenntnisreicher Kollege gewesen, und habe sich diese Ehrung verdient.
Für die SPD forderte Michael Sydow auf, die FWG möge ihren Antrag zurückziehen, und Parlamentsvorsteherin Christine Deppert bekundete, sie „bedauere dies auch sehr“.
37 der 45 Stadtverordneten votierten anschließend in namentlicher Abstimmung für die Auszeichnung Torres zum >Ehrenstadtverordneten<, zwei Vertreter der FWG stimmten dagegen, bei fünf Enthaltungen (vier aus den Reihen der GRÜNEN sowie einer FWG-Abgeordneten). Zehn weitere Personen erhielten das einstimmige Votum der Parlamentarier für die vorgeschlagenen Ehrenbezeichnungen.
Elf Mandatsträger ausgezeichnet
Geehrt wurden: Holger Steinert, Markus Woißyk, Carmelo Torre (alle> Ehrenstadtverordnete<); Brigitte Schmidt, Rita Schuh, Achim Benick, Thomas Roth, Christoph von Fumetti, Bernd Rettig, Klaus-Peter Koch, Dietmar Eberlein (Ehrenortsvorsteher bzw. EhrenortsbeiratsmitgliederIn).
Eingangs der Sitzung hatte Bürgermeisterin Christine Klein die Parlamentarier begrüßt und zu ihrer Wahl beglückwünscht. Klein bedauerte, dass man pandemiebedingt auf die ansonsten übliche Verabschiedungszeremonie der ausgeschiedenen seitherigen Mandatsträger verzichten musste und auch keinen Empfang im Anschluss an die Sitzung geben könne.
Das solle zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Zum Auftakt der neuen Legislatur freue sie sich „auf das Ringen um die besten Entscheidungen für unsere Stadt“, sagte Klein.