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Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus fand erstmals in Höchst statt

Zahlreiche Gäste aus Politik, Gesellschaft und Religion nahmen an der Gedenkveranstaltung im Höchster Bürgerhaus teil.

Dr. Dirk Strohmenger suchte nach der Gedenkveranstaltung noch den Gedenkstein auf dem Montmelianer Platz auf, der seit November 1985 an das Schicksal der Höchster Juden und die während der Nazi-Zeit zerstörte Synagoge erinnert.

Ministerpräsident Volker Bouffier mahnte in seinem Grußwort stetiges Erinnern an.

Landtags- und Ministerpräsident mahnen stetiges Erinnern an das schwärzeste Kapitel der deutschen Geschichte an

HÖCHST / ODENWALDKREIS. - In diesem Jahr fand die zentrale landesweite Gedenkveranstaltung für Hessen nicht in der Landeshauptstadt Wiesbaden statt, sondern in der ländlichen Kommune Höchst wurde am vergangenen Freitag wurde am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Thematisiert wurden die Unterdrückungsmechanismen der NS-Diktatur am Beispiel des Odenwalds.

Ausgerichtet wurde die Gedenkveranstaltung vom Hessischen Städte- und Gemeindebund in Mühlheim/Main, dem alle kreisangehörigen Städte und Gemeinden Hessens angehören. Dessen Präsident, Bürgermeister Harald Semler aus Wetzlar, begrüßte die zahlreichen Gäste aus Politik, Gesellschaft und Religion und bedankte sich bei Bürgermeister Horst Bitsch und der gastgebenden Gemeinde Höchst für die Bereitstellung des Bürgerhauses.

In seinem Grußwort mahnte der Hessische Ministerpräident Volker Bouffier eine Kultur an, die das wichtige immer neue Besinnen auf das schwärzeste Kapitel der deutschen Geschichte nicht auf ein bloßes Ritual beschränke, sondern immer neu mit Inhalten fülle.

Und genau das geschehe heute, da der Hessische Städte- und Gemeindebund mit dem Reichelsheimer Gymnasiallehrer Dr. Dirk Strohmenger aus Fischbachtal den Erforscher der NS-Ausprägung im Odenwaldkreis eingeladen hatte, der die Gedenkrede zum Thema „Unterdrückungsmechanismen der NS-Diktatur im ländlichen Raum-am Beispiel des Odenwalds“ hielt und einen direkten Bezug zur gastgebenden Gemeinde Höchst in seinem Vortrag herstellte.

Ebenso griffig wie ergreifend schilderte der Preisträger 2016 des hessischen Wissenschaftspreises einen Auszug der Rechercheergebnisse, die er in dem Buch „Nationalsozialismus im Erbacher Landkreis“ detailliert aufgeschrieben hat.

Damit machte er geradezu den Odenwälder Anteil an der deutschen Schuld greifbar mit der konkreten Beschreibung einiger weniger Opfer und ihrer Geschichte. So rief er die Höchster Jüdin Elsa Frank in Erinnerung, die der Ermordung durch Emigration entging, aber erleben musste, wie ihre Höchster Mitbürger ihren Vater Max Herzfeld der Vernichtung auslieferten.

Wie Strohmenger aufzeigte, hat dies Elsa Frank zeitlebens über die Deutschen grübeln lassen, da sie bei einem Besuch 40 Jahre später in Höchst auf große und freundliche Anteilnahme seitens der Bevölkerung stieß. Er berichtete auch über das Schicksal des Juden Adolf Haas.

In der sogenannten „Höchter Blutnacht“ am 2. März 1933 war es zu einem gewalttätigen Zusammenstoß zwischen Nazis und Aktiven der Arbeiterbewegung gekommen, bei dem auf jeder Seite ein Mensch zu Tode kam. Öffentlich getrauert wurde aber nur um den braunen Toten mit mächtigem Pomp, zu dem auch eine Trauerfeier mit Aushändigung von Bekenntniszeichen zum Nationalsozialismus gehörte.

Weil sich Adolf Haas darüber mokierte, dass auch Leute, die wenige Tage zuvor noch nicht aufseiten der Hitler-Anhänger standen, zu den Käufern der Bekenntniszeichen gehörten, wurde er in das Konzentrationslager Osthofen geschafft.

Am Ende seiner Rede stellte Strohmenger fest, dass die Nationalsozialisten im Odenwald schon zwischen 1928 bis 1932 so starken Zulauf fanden, dass die Partei einen Macht- und Gewaltmechanismus ausprägen konnte, dem sich um des eigenen Wohlergehens willen bal dein Großteil der Bevölkerung anschloss.

„So kam es, dass Juden und andere Geächtet vor den Augen oder gar mit dem Zutun ihrer früheren Nachbarn und Freunde deportiert wurden“, fasste Strohmenger zusammmen.

In seinem Schlusswort bezeichnete Landtagspräsident Norbert Kartmann die Aufarbeitung all dessen durch den heutigen Odenwaldkreis als bestmögliche Bestätigung der Entscheidung, mit dem Gedenken alle zwei Jahre aufs Land zu gehen. Für die angemessene musikalische Begleitung sorgten die 14-jährige Anna Klewar aus Mümling-Grumbach am Klavier sowie Jakob März, Klarinette und David Forstman, Gitarre, mit traditioneller Klezmer-Musik.