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Herzlichen Glückwunsch „75 Jahre Grundgesetz“!

Deutschlands erster Bundeskanzler Konrad Adenauer besuchte Bensheim. Foto: Pressedienst Stadtarchiv Bensheim

Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister in Berlin, mit der Bergsträßer Weinkönigin Inge Samstag in Bensheim. Foto: Schermer / Stadtarchiv Bensheim

Am 9. August ging Willy Brandt in seiner Rede vor einer großen Menschenmenge auf dem Bensheimer Markplatz – vier Tage vor dem Mauerbau – auf die schwere Lage der Vier-Sektoren-Stadt Berlin ein.

Ludwig Erhard (linkis), „Vater des Wirtschaftswunders“ war am 13. August 1965 anlässlich seines damaligen Wahlkampfs in Bensheim. Fotos: Pressedienst Stadtarchiv Bensheim

Das Gerüst unserer demokratischen Gesellschaft wird am 23. Mai 1949 in Bonn feierlich verkündet und unterzeichnet

BENSHEIM. - Vor 75 Jahren, am 23. Mai 1949, wird das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland feierlich verkündet und unterzeichnet.

Seitdem bildet es das Fundament unseres demokratischen Staates und garantiert die grundlegenden Rechte und Freiheiten aller Bürger.

Anlässlich dieses besonderen Jubiläums lohnt sich erneut der Blick in die Sammlung des Bensheimer Stadtarchivs. Denn dieses beherbergt historische Fotos von Persönlichkeiten, die die demokratischen Anfänge der Bundesrepublik Deutschland entscheidend geprägt haben und bei ihrem Besuch in Bensheim einzigartige Momentaufnahmen hinterließen.

Zeitungsartikel des Bergsträßer Anzeigers aus der Archivsammlung geben zudem Einblicke in die Berichterstattung zu vergangenen Jubiläen – sie laden ein zur lokalen Zeitreise auf den Spuren des Grundgesetzes.

Ob Konrad Adenauer, Willy Brandt oder Ludwig Erhard: Sie alle machten Station in Bensheim – nicht zuletzt, um die Gunst der Bensheimer Wählerinnen und Wähler zu gewinnen.

Doch die Auftritte der ehemaligen Regierungschefs sind mehr als Wahlkampf. Sie legen Zeugnis ab vom damaligen Zeitgeist und sind eingebettet in den Kontext der Weltgeschichte.

Gleich zweimal stattete Konrad Adenauer der größten Stadt im Kreis Bergstraße einen Besuch ab. Am 22. August 1957 kam der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik in Begleitung von Außenminister Dr. Heinrich von Brentano, zugleich Direktkandidat des Kreises Bergstraße, nach Bensheim.

Auf dem Höhepunkt seiner Popularität angelangt, begrüßte Adenauer die Massen auf dem Marktplatz und hielt im Rahmen einer Großkundgebung vor 15.000 Menschen eine fast zweistündige Rede auf dem Sportplatz „Im Sand“.

In dieser betonte er unter anderem, „keine Politik (zu) treiben mit Atomwaffen, aber auch nicht mit Atomangst“. Er wies zudem auf die Notwendigkeit der NATO hin. Seit dieses Bündnis bestehe, habe die Sowjetunion noch kein Land wieder brutal unterdrückt, so Adenauer.

Eine ausführliche Wiedergabe seiner Rede greift der Artikel des Bergsträßer Anzeigers vom 25. Mai 1999 zum 50. Jubiläum des Grundgesetzes auf.

Bei seinem zweiten Besuch am 23. August 1961 in Bensheim waren die Straßen der Innenstadt bereits lange vor Adenauers Ankunft mit Menschen gefüllt. Die vierte Bundestagswahl wenige Wochen später, am 17. September 1961, brachte der CDU/CSU den Verlust der absoluten Mehrheit.

Adenauers Besuch an der Bergstraße stand diesmal unter dem unmittelbaren Einfluss eines Ereignisses, das zehn Tage zuvor in Berlin den Beginn eines dunklen Kapitels der deutschen Geschichte markiert: Der Bau der Mauer.

Von Adenauer während seiner Wahlkampfreise durch Südhessen als „Schandmauer“ bezeichnet, betonte er dabei auch die Hoffnung, „in einigen Jahren die Deutschen zusammenzubringen“.

Sichtlich beeindruckt vom Empfang in Bensheim war Adenauer laut kleiner Randnotiz des BA-Berichts übrigens „über den Wein, den ihm Bürgermeister Wilhelm Kilian im Namen der Stadt kredenzte“.

Unter den Eindrücken des Sommers 1961 in Berlin stand auch Willy Brandts Reise nach Bensheim. Am 9. August ging er in seiner Rede auf dem Bensheimer Markplatz – vier Tage vor dem Mauerbau – auf die schwere Lage der Vier-Sektoren-Stadt ein und erinnerte an die Zusage des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, für die Rechte der Westmächte und die Freiheit der Bevölkerung in Berlin zu kämpfen.

In den Tagen zuvor lauteten die Schlagzeiten auf den Titelseiten des Bergsträßer Anzeigers: „Massenflucht aus der Zone immer stärker“ und „Chruschtschow fordert Westmächte an den Konferenztisch“.

Brandts Besuch war somit „ohne Zweifel alles andere als nur einer der zahlreichen Pflichtveranstaltungen im Vorfeld zur Wahl des 4. Deutschen Bundestags am 17. September 1961“.

Sein Aufenthalt „stand ganz im Zeichen enger Verbundenheit der gesamten Bevölkerung mit der alten Reichshauptstadt und des Mitgefühls, das man dem immer stärker werdenden Ostzonen-Flüchtlingsstrom entgegenbringt“. (Artikel des Bergsträßer Anzeigers vom 25. Mai 1999 zum 50-jährigen Bestehen des Grundgesetzes).

Der SPD-Kanzlerkandidat wurde unter anderem vom Ersten Stadtrat Theo Lang und der Bergsträßer Weinkönigin Inge Samstag begrüßt.

In seiner flammenden Rede versicherte Brandt, von zustimmendem Beifall mehrfach unterbrochen –, dass der freundschaftliche Empfang in Bensheim auch beweise, welche Anteilnahme und welche Sympathie man Berlin entgegenbringe.

Brandt, damals Regierender Bürgermeister Berlins, richtete einen Appell an die Bensheimer Bevölkerung, den „Flüchtigen, die in einem unerwarteten Massenstrom aus der Verzweiflung und Furcht zu uns kommen“, zu helfen – ein Appell, der von den Bensheimern mit langanhaltendem Beifall quittiert wurde. Ein Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Bensheim bildete den krönenden Abschluss seiner Reise.

Mit Ludwig Erhard weilte am 13. August 1965 auch der zweite Bundeskanzler in Bensheim. Der „Vater des Wirtschaftswunders“, von 1949 bis 1963 Bundeswirtschaftsminister, besuchte im Rahmen seines Wahlkampfs Bensheim.

„Auf der altehrwürden Kulisse des Markplatztes“ bereiteten ihm rund 3.000 Menschen einen herzlichen Empfang. Im offenen Wagen stehend fuhr er mit dem Kreisvorsitzenden Otto Wagner und dem Bundestagskandidaten für den Kreis Bergstraße, Carl Otto Lenz, „durch das Spalier der Tausende“.

Auf den Tag genau vier Jahre nach Errichtung der Mauer entlang der Berliner Sektorengrenze rief der Mann mit der Zigarre in die Bensheimer Menge, dass „die wirkliche Freiheit (…) nicht von oben her diktiert werden (kann), sie muss von unten her, von den Menschen, die sich frei fühlen, kommen“.

Zum Abschied gab es nicht nur eine obligatorische Flasche des Bergsträßer Weins, sondern auch viele gute Wünsche: „Gesund bleiwe“, rief eine Frau Professor Erhard zu, bevor dieser zunächst nach Lorsch und anschließend nach Lampertheim fuhr.

Dort dankte er allen Einwohnern für ihre Hilfe bei einem Eisenbahnunglück, bei dem vier Menschen ums Leben gekommen waren.

Die Liste an historisch bedeutsamen Persönlichkeiten in Bensheim ließe sich unter anderem mit Theodor Heuss, dem ersten deutschen Staatsoberhaupt, Michail Gorbatschow, ehemaliger sowjetischer Staatspräsident, bis hin zum aktuellen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier fortsetzen.

Ihre ergreifenden Reden vor den Bensheimerinnen und Bensheimer als Zeichen der Zeit zeigen dabei vor allem eins: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – Werte, die im Grundgesetz verankert sind – müssen jeden Tag neu verteidigt werden.

In den letzten 75 Jahren hat sich das Grundgesetz als robuste Verfassung bewährt, die den Herausforderungen der Zeit standgehalten hat.

Seine demokratischen Prinzipien gilt es, – heute wie damals – zu bewahren und zu stärken. Denn weit mehr als nur ein rechtliches Dokument, bildet das Grundgesetz das Gerüst für unsere demokratische Gesellschaft.

Herzlichen Glückwunsch „75 Jahre Grundgesetz“!

Informationen

Am 1. September 1948 tritt in der Pädagogischen Akademie in Bonn der Parlamentarische Rat zusammen, um ein Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu erarbeiten.

Seine 65 Mitglieder beschließen am 8. Mai 1949 mit 53 gegen 12 Stimmen das Grundgesetz. Am 23. Mai 1949 wird es in Bonn feierlich verkündet und unterzeichnet. Die Bundesrepublik Deutschland ist gegründet. Weitere Informationen, alle historischen Fotos und Artikel auf www.bensheim.de