NEWS

„Die brennende Kloschüssel ist bisher meine Lieblingsantwort“

Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn, Bürgermeisterin Christine Klein und Jürgen Ritz, 2. stellv. Stadtbrandinspektor und zuständig für die Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung (von links). Foto: Pressedienst Bensheim

Brandschutzerziehung: Jürgen Ritz bereitet Kinder und Erwachsene für den Ernstfall vor

BENSHEIM. - Der Advent ist eine stimmungsvolle Zeit, in der es aber auch mal brenzlig werden kann. Schließlich stellen Kerzen auf dem Adventskranz und Weihnachtsbaum gerne mal eine Gefahrenquelle dar.

In Sachen Brandschutz umsichtig und gut informiert zu sein, ist aber nicht nur in der Zeit rund um das Fest der Liebe besonders wichtig. Dass Präventionsarbeit am besten schon bei den Kleinen anfängt, weiß niemand besser als die Experten der Feuerwehr.

In Bensheim ist seit Kurzem Jürgen Ritz für die Brandschutzerziehung und -aufklärung zuständig. Die neugeschaffene Position, für deren Realisierung sich Bürgermeisterin Christine Klein aufgrund der präventiven Bedeutung stark eingesetzt hat, kommt nicht nur der Pflicht an die Kommune nach, sich um das Thema Brandschutz zu kümmern, sondern wird vom 46-jährigen Bensheimer auch mit Leib und Seele ausgefüllt.

„Wir sind froh, dass wir mit Herrn Ritz die Stelle so kompetent besetzen konnten“, betont die Rathauschefin und ergänzt: „Die Brandschutzerziehung hat für mich einen hohen Stellenwert. Es war mir daher wichtig, dass wir diese Stelle neu schaffen konnten“.

Besonders die Arbeit mit den Kleinsten hat Jürgen Ritz wiederum motiviert, sich auf die Stelle als Brandschutzerzieher bei der Stadt Bensheim zu bewerben.

Wie verhalte ich mich bei einem Brand? Was braucht Feuer, um zu leben? Und wie werden Kerzen eigentlich richtig angezündet? Diese und viele weitere Fragen klärt der Fachmann spielerisch, wenn er in neugierige Kinderaugen blickt.

„Es ist wichtig, dass wir bereits im Kindergarten über den richtigen Umgang im Notfall aufklären, um die Angst vor Feuer und Rauch, aber auch vor den Einsatzkräften zu nehmen, die zum Beispiel ein Atemschutzgerät tragen“, erklärt der zweite stellvertretende Stadtbrandinspektor.

„Selbst für Erwachsene kann der Anblick ziemlich beängstigend sein. Die Kinder erhalten bei uns die Möglichkeit, sich mit der Ausrüstung vertraut zu machen. Als Nasenbär der Feuerwehr ist der Atemschutzgeräteträger für die Kinder dann nicht mehr ganz so furchteinflößend“, betont Ritz. 

Er ergänzt: „Wir spielen alle möglichen Szenarien durch, die im Notfall auftreten können. Wenn es dann wirklich mal ernst wird, sind die Kinder auf die Situation vorbereitet, da sie vieles wiedererkennen.“ Dazu gehört beispielsweise auch die Rauchentwicklung bei einem Brand, die die Kita-Vorschulkinder anhand einer grauen Fließdecke simulieren.

Während die Decke auf die Kinder absinkt, müssen diese darunter auf allen Vieren den Raum verlassen. Zudem stellt Jürgen Ritz die Fluchthaube für verrauchte Bereiche vor, die die Kinder probetragen dürfen, und ein kleines Rauchhaus zeigt, wie sich Rauch verteilt.

Doch damit die Feuerwehr überhaupt in Alarm treten kann, muss vorher der Notruf abgesetzt werden. Dieser wird mittels einer eigenen Telefonanlage geübt. An dessen Ende sitzt der Leitstellendisponent, der den Kindern die wichtigsten Fragen stellt, die beim Ruf an die 112 dringend geklärt werden müssen.

„Auf die Frage ‚Was ist geschehen?‘ sollen sich die Kinder vor ihrem Anruf eine bestimmte Notfall-Situation überlegen, die theoretisch auftreten kann“, erläutert Ritz das Prozedere und fügt schmunzelnd hinzu: „Die brennende Kloschüssel ist zwar eher unwahrscheinlich, aber meine bisherige Lieblingsantwort“.

Dass die Inhalte der Brandschutzerziehung je nach Zielgruppe variieren, ist selbstredend. Während die Kita-Kids das Thema im Spiel anschaulich aufbereitet bekommen, geht es bei den Schülerinnen und Schülern aller Altersklassen, Sekundarstufen und Schulformen wesentlich detaillierter zu.

Sie bekommen nicht nur aufgezeigt, wie ein Brand entsteht, sondern erfahren auch, wie Löschmittel richtig eingesetzt werden. Mit dem sogenannten Löschtrainer bekämpfen sie einen simulierten Papiercontainerbrand. Bisher hatte Jürgen Ritz bereits drei Schulklassen im Stützpunkt Bensheim-Mitte zu Besuch.

Doch es ist auch möglich, im Rahmen eines Schulprojektes die Brandschutz-Workshops in der Bildungseinrichtung selbst durchzuführen. Zum Thema „Physik“ bietet die Brandschutzerziehung beispielsweise viele praxisbezogene Experimente zum Verbrennungsvorgang oder Kühleffekt an.

Neben der Darstellung von Brandgefahren, dem Umgang mit Zündquellen und dem richtigen Verhalten im Notfall, werden die Schulkinder auch zum Thema vorbeugender Brandschutz geschult. „Gerade in dieser Altersklasse ist es wichtig, den Kindern nicht einfach nur Verbote auszusprechen.

Denn dann ist der Reiz zu zündeln besonders groß. Wichtig ist, ihnen den richtigen Umgang mit Feuer beizubringen und aufzuzeigen, dass dahinter eine große Verantwortung steckt “, betont Ritz und legt dar, dass „fast jeder vierte, von der Polizei wegen fahrlässiger Brandstiftung ermittelte Tatverdächtige ein Kind unter 14 Jahren ist“.

Dass Feuer überaus reizvoll ist, steht also außer Frage. Besonders schön ist es dann natürlich, wenn der Reiz des Verbotenen in ein gezieltes Interesse an den Kinder- und Jugendfeuerwehren mündet.

Die Vereine und das Berufsbild des Feuerwehrmannes beziehungsweise der Feuerwehrfrau stellt Jürgen Ritz den Kindern deshalb ebenfalls vor. „Wir hoffen, dass wir damit also auch neue Mitglieder in den Wehren gewinnen können“, so Ritz.

Denn in ganz Hessen generieren die Feuerwehren selbst ihren Nachwuchs. Die „Laufbahn“ beginnt in der Feuerwehr für Kinder von 6 bis 10 Jahren, geht dann über die Jugendlichen bis 17 Jahren und endet schließlich bei den Erwachsenen, die bis zum 60. beziehungsweise 65. Lebensjahr aktives Mitglied sein können.

Auf alle drei „Generationen“ zielt auch das Angebot zur Brandschutzerziehung. Die Erwachsenenbildung spielt also eine ebenso wichtige Rolle. Oder um es genauer auszudrücken: Es ist gesetzliche Aufgabe, die Einwohnerinnen und Einwohner im Umgang mit Feuer und in Sachen Selbsthilfe zu schulen.

Für jeden Betrieb in Bensheim besteht zudem die Pflicht, mindestens 5 Prozent der Mitarbeitenden als Brandschutzhelferin beziehungsweise als Brandschutzhelfer auszubilden – Auffrischung nach 3 bis 5 Jahren inklusive. „Früher haben Ehrenamtliche für die einzelnen Stadtteile und die hauptamtlichen Gerätewarte für Bensheim-Mitte die Schulungen für alle Altersklassen übernommen“, erklärt Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn.

„Dann bleibt sehr viel andere Arbeit liegen. Denn die Menge an Terminen war auf diese Weise bei circa 30 Kindergärten und 22 Schulen nicht mehr zu stemmen. Erst recht nicht, jährlich und in der Hauptarbeitszeit der Ehrenamtlichen.

Im Kreis Bergstraße gibt es einen ehrenamtlichen Koordinator für die Brandschutzerziehung und -aufklärung. In Bensheim haben wir mit der neuen Position nun eine direkte Anlaufstelle und können unseren gesetzlichen Auftrag erfüllen“, so Karn.

Ein Umstand, der auch Bürgermeisterin Christine Klein überaus wichtig ist. „Der Bedarf ist mit Blick auf die vielen Kitas und Schulen in Bensheim sehr groß. Denn das Thema Brandschutzerziehung ist Pflichtbestandteil des Lehrplans an den Schulen.

Auch für die Bensheimer Betriebe schaffen wir damit ein unkompliziertes und kostengünstiges Angebot, das im Ernstfall Leben rettet“, verdeutlicht die Rathaus-Chefin den Stellenwert der neugeschaffenen Position.

Nun läuft die Kontaktaufnahme seitens des ehemaligen stellvertretenden Wehrführers für Mitte mit den Kitas, Schulen und weiteren Einrichtungen intensiv an. Denkbar ist für Jürgen Ritz auch, das Angebot auf Seniorinnen und Senioren oder Menschen mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung auszuweiten.

Dabei möchte er sich mit Lehrgängen und Weiterbildungen, die unter anderem von Land Hessen angeboten werden, optimal an der Landesfeuerwehrschule ausbilden lassen. Denn Inklusion spielt auch bei den Feuerwehren eine immer größere Rolle.

Über Netzwerke tauschen sich die Brandschutzerzieherinnen und -erzieher in Hessen bereits intensiv zum Thema aus. Zudem besteht für Jürgen Ritz die Absicht, nicht „nur“ die Vorschulkinder, sondern bereits Kinder ab 3 Jahren in die Brandschutzerziehung einzubeziehen.

„Je nach Zielgruppe sind die Bedürfnisse ganz unterschiedlich“, macht Ritz klar. „Deshalb führe ich in den Kitas mit den Leitungen beziehungsweise den Erzieherinnen und Erziehern zunächst einmal Vorab-Gespräche, um zu erfahren, ob es Kinder gibt, die mit Feuer schon mal ein traumatisches Erlebnis hatten.“

Ein wichtiger Begleiter ist dabei Willi, der den Kindern das ein oder andere Geheimnis entlockt: „Dieser kleinen Puppe vertrauen die Kinder sogar ihre Lieblingsverstecke in der Kita an. Eine wertvolle Info für das pädagogische Team, die im Ernstfall Leben rettet“, so Ritz abschließend.

Weiterführende Informationen

Jedes Jahr werden die Feuerwehren in Deutschland zu weit über 200.000 Einsätzen mit Bränden und Explosionen gerufen. Dabei sind immer wieder Verletzte und sogar Tote zu beklagen. Nach der Erhebung des Statistischen Bundesamtes kamen im Jahr 2020 insgesamt 388 Personen durch Exposition von Rauch, Feuer und Flammen ums Leben.

Viele Brände entstehen durch Unachtsamkeit und Unwissenheit. Deshalb sind Brandschutzerziehung und -aufklärung auch bei der Freiwilligen Feuerwehr Bensheim eine wichtige Aufgabe.

Das Angebot richtet sich nach drei Zielgruppen aufgeteilt an Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertageseinrichtungen, Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen und an Erwachsene, die eine Brandschutzhelfer-Ausbildung absolvieren müssen.

Die Schulungen für Kinder und Jugendliche sind kostenlos. Die Brandschutzaufklärung für Erwachsene kostet 16 Euro pro Person.

Ansprechpartner und Kontakt

Jürgen Ritz, Mail: brandschutzschulung(at)bensheim.de, Tel. 06251 58 36 10

Alle Informationen unter: www.bensheim.de