Marktplatz: Innenministerium watscht Bensheimer Stadtspitze kräftig ab
Der >Bensheimer Weg< - ein von der Stadtspitze hoch gelobter Lösungsansatz für Innenstadtprobleme erfährt bei seinem Pilotprojekt Marktplatz eine heftige Klatsche + + + Ulrich Dreßler, Referatsleiter Kommunalaufsicht beim Innenministerium, stellt klar: „Eine Stadt, die bei einem Bürgerentscheid verliert, kann diese Entscheidung nicht unterlaufen, in dem sie drei Jahre lang gar nichts tut. Genauso wenig kann sie einen Abhilfebeschluss durch Aussitzen unterlaufen“BENSHEIM. - Der viel gepriesene >Bensheimer Weg< sollte das mehrjährige Chaos rund um das frühere >Haus am Markt< und das gesamte Marktplatzareal in Bensheim in eine vernünftige Richtung, sprich zu einer für alle Beteiligten tragfähigen Lösung führen.
Jetzt flog dem städtischen Bauteam, mit Erster Stadträtin und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung an der Spitze, dieser >Bensheimer Weg< kräftig um die Ohren: Ulrich Dreßler, Referatsleiter Kommunalaufsicht beim Hessischen Innenministerium, ließ in seiner erbetenen Stellungnahme keinen Zweifel am städtischen Irrweg.
„Bei dem ganzen Hin und Her wird einem ja fast schwindelig“
„Ganz ehrlich, bei dem ganzen Hin und Her wird einem ja fast schwindelig“, schreibt er den städtischen Protagonisten ins Stammbuch, und ergänzt: „Einen Streitfall, wie er sich bei Ihnen anbahnt, hat es nach meiner Kenntnis in der hessischen Geschichte des Bürgerentscheids noch nicht gegeben. Bensheim kann daher nicht auf Vorgänger-Erfahrungen zurückgreifen.“
Eine Stadt, die bei einem Bürgerentscheid verliert, könne diese Entscheidung nicht unterlaufen, in dem sie drei Jahre lang gar nichts tue. „Genauso wenig kann sie einen Abhilfebeschluss durch Aussitzen unterlaufen.
Konsens mit den BI-Vertrauensleuten empfehle sich dringend
In beiden Fällen begibt sie sich in die Gefahr, die Geduld der Vertrauenspersonen und aller Unterzeichner des Bürgerbergehrens über Gebühr zu strapazieren, ein eventuelles Gerichtsverfahren zu provozieren und damit auch Vertrauen in der Bevölkerung zu verlieren und der Politikverdrossenheit Vorschub zu leisten.
Um es nicht zu einem Prozess kommen zu lassen, empfehle es sich also dringend, die Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens davon zu überzeugen, dass, was immer auch jetzt ins Auge gefasst werde, „keine Aufhebung des Abhilfebeschlusses ist, mithin auch nichts Anderes ist im Verhältnis zum zur zugelassenen Frage des nachträglich wieder abgesagten Bürgerentscheids, im Endeffekt zur (vielfach unterzeichneten) Frage des Bürgerbegehrens“.
„Handlungsspielraum von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung ist >eingeengt<“
Wenn die Stadt nunmehr vom exakten Wortlaut des Abhilfebeschlusses und damit des Bürgerbegehrens abrücken wolle, „dann sollte sie das wenn irgend möglich im Einvernehmen mit den Vertrauenspersonen tun. Gemeinsamer Tenor sollte sein: Die Stadt macht keinen erneuten Rückzieher, der Abhilfebeschluss wird nicht aufgehoben, das Gewollte wird lediglich präzisiert und verdeutlicht.
Aber ich komme um die Feststellung nicht herum, dass wegen der ganzen Vorgeschichte der Handlungsspielraum von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung >eingeengt< ist“, konkretisiert Dreßler sein Statement abschließend.
Rückblende: Den >Bensheimer Weg< hatten Bürgermeisterin Christine Klein und Erste Stadträtin und Baudezernentin Nicole Rauber-Jung im April vergangenen Jahres initiiert und wollten in 365 Tagen eine finale Lösung präsentieren (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews).
Mehrere Teams wurden von der Stadtspitze willkürlich gebildet, die den gordischen Knoten lösen sollten, obwohl dieser längst durchschlagen und der Stadtverwaltung seit 01. Dezember 2020 der Beschluss der Stadtverordneten vorlag, wonach dem Willen des erfolgreichen Bürgerbegehrens der BI >Bensheimer Marktplatz besser beleben< (BMBB) stattzugeben und ein ergebnisoffener städtebaulicher Ideenwettbewerb durchzuführen ist.
Ideenwettbewerb auf Basis des Bürgerdialog-Ergebnisses
Dieser sollte auf der Grundlage des 2019 erfolgten Bürgerdialogs mit dem Fazit der Optionen 0-, 1- und 2-geschossige Bebauung an der Ostseite des Marktplatzes unter Einbeziehung des gesamten Marktplatzareals erfolgen.
Ihren Beschluss vom 01.12.2020 untermauerten die Stadtverordneten dann noch einmal mit einstimmigem Votum am 15. Juli vergangenen Jahres, in dem sie dem >Bensheimer Weg< als Instrument zur Durchführung des städtebaulichen Ideenwettbewerbs ihr Plazet gaben.
Werkstattverfahren statt Ideenwettbewerb
Die von der Stadtspitze zum Ende der Sommerpause versprochene Vorlage ließ dann bis Anfang Oktober auf sich warten. Und plötzlich sollte der städtebauliche Ideenwettbewerb nach den Vorstellungen eines Empfehlungsteams in ein Werkstattverfahren umgewandelt werden.
FACT hatte zu diesem Zeitpunkt schon in einem Bericht rechtliche Bedenken hinsichtlich eines Verfahrenswechsels dargestellt (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews).
Die Präsentation des Werkstattverfahrens durch das Empfehlungsteam im Rahmen einer Pressekonferenz offenbarte intensiv ausgearbeitete Details dazu.
Rechtliche Zulässigkeit in Frage gestellt
Nach Einwänden aus dem Journalistenkreis bezüglich der rechtlichen Zulässigkeit eines solchen Verfahrenswechsels sagte Bürgermeisterin Christine Klein die entsprechende rechtliche Überprüfung zu (siehe FACT-Beitrag unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews).
Diese juristische Überprüfung zog sich über Wochen hin und FACT stellte eigene Recherchen an, wobei der geplante Verfahrenswechsel vom hessischen Innenministerium als auch von weiteren Verwaltungsjuristen eindeutig als unzulässig deklariert wurde (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews).
Bürgermeisterin zog berühmt-berüchtigte Reißleine
In der Folge zog Bürgermeisterin Christine Klein die in Bensheim inzwischen berühmt-berüchtigte „Reißleine“ und erklärte im Rahmen einer Stadtverordnetenversammlung Anfang November vergangenen Jahres, man müsse sich der Realität stellen.
Deshalb wolle sie die juristischen Bewertungen für einen Verfahrenswechsel nicht mehr abwarten und wolle der Politik die Entscheidung über das weitere Vorgehen zurückgeben, „denn die Tendenz aus dem politischen Raum ist meines Erachtens eindeutig“ (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews).
Stadtverordnetenbeschluss auch nach über einem Jahr noch unerledigt
Der dem Magistrat vorliegende entsprechende Beschlussauftrag vom 01.12.2020 sowie die Präzisierung dieses Ursprungsbeschlusses vom 15.07.2021 blieb bis dato unerledigt (siehe FACT-Bericht unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews sowie Kommentar unter: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/kreis-bergstrasse/details/?tx_ttnews).
Es bleibt abzuwarten, wie und vor allem in welchem Zeitraum sich die Bensheimer Stadtspitze nach dem ihr seit 30.12.2021 vorliegenden eindeutigen Hinweis des hessischen Innenministeriums nunmehr positioniert und mit der Umsetzung des Parlamentsbeschlusses beginnt.