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Wie Frühchen und ihren Familien geholfen werden kann

Lila ist die Farbe des Weltfrühgeborenentages am 17. November. Um auf die Probleme von Frühchen und ihren Familien aufmerksam zu machen, diskutierten im Landratsamt der Teamleiter der Frühe Hilfen Ulrich Schneider, die Erste Kreisbeigeordnete und Gesundheitsdezernentin Diana Stolz, Dr. med Cordula Müller, Chefärztin Gynäkologie und Geburtshilfe am Kreiskrankenhaus Bergstraße, Prof. Dr. Christian Gille, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neonatalogie am Universitätsklinikum Heidelberg, Georgeta Ensinger von den Frühen Hilfen des Kreises, die Präventionsbeauftragte des Kreises Reinhild Zolg und Maike Gausepohl, Familien-, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin (von links). Foto: Pressedienst Bergstraße

Probleme und Herausforderungen von Frühgeborenen und ihren Familien werden häufig unterschätzt + + + „Frühe Hilfen“ des Kreises bieten niedrigschwellige Unterstützung

BERGSTSRASSE. - Eine Geburt stellt Familien bei aller Freude auch immer vor Herausforderungen.

Häufig gibt es viele Fragen, Sorgen oder Abläufe, die sich erst noch einspielen müssen. Kommt ein Kind zu früh auf die Welt, ist der Bedarf an Unterstützung meist noch viel größer.

Denn eine Frühgeburt birgt immer gewisse Risiken für das weitere Leben des Kindes. Oft werden die Auswirkungen, die sich für die Kinder und ihre Familien ergeben können, jedoch nicht ausreichend wahrgenommen.

Um darauf aufmerksam zu machen, hatte die Bergsträßer Kreisverwaltung kürzlich zwei Experten ins Landratsamt eingeladen: Professor Dr. Christian Gille ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Neonatologie am Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. med. Cordula Müller ist Chefärztin der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe am Kreiskrankenhaus in Heppenheim.

„Das Thema Frühgeburt ist in der Öffentlichkeit noch nicht sehr präsent. Aufklärungsarbeit ist hier sehr wichtig, damit betroffene Familien wissen, wie sie sich Unterstützung holen können“, sagt die Erste Kreisbeigeordnete und Gesundheitsdezernentin Diana Stolz.

In Deutschland werden jedes Jahr rund 60.000 Kinder vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche (SSW) geboren. Diese Neugeborenen bezeichnet man auch als Frühgeborene oder kurz: „Frühchen“.

„Hierzulande haben wir eine relative stabile Rate von circa acht Prozent aller Neugeborenen, die zu früh auf die Welt kommen“, sagt Dr. Müller.

Mittlerweile gelingt es Ärztinnen und Ärzten teilweise, selbst sehr unreifen Kindern, die vor der 24. Schwangerschaftswoche und damit mehr als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin geboren wurden, ein Überleben zu sichern. Sie wiegen bei der Geburt häufig weniger als 500 Gramm.

Dennoch erhöht sich das Sterblichkeitsrisiko, je früher ein Baby geboren wird. Bei einer Geburt nach der 24. Woche liegt die Überlebensrate zwischen 60 und 80 Prozent, ab der 28. Woche erhöht sie sich auf über 90 Prozent.

Ab etwa der 34. Schwangerschaftswoche haben frühgeborene Babys dieselben Überlebenschancen wie Kinder, die nach der 37. SSW geboren werden.

Vor allem extrem früh geborene Kinder sind auf intensivmedizinische Versorgung angewiesen. Unter anderem werden sehr kleine Frühgeborene mit einem erwarteten Gewicht von unter 1500 Gramm in spezialisierten Behandlungszentren, den sogenannten Perinatalzentren, versorgt.

Häufige Komplikationen bei Frühgeborenen betreffen, so Professor Dr. Gille, die Lungenfunktion, die Verdauung sowie Hören und Sehen.

„Eine Frühgeburt ist zum Beispiel in der industrialisierten Welt die häufigste Ursache für Erblindung im Kindesalter“, so Professor Dr. Gille. Auch das Hirnblutungsrisiko sowie das Infektionsrisiko sind bei Frühchen erhöht.

Ob sich die Kinder im Lauf ihres Lebens vollständig von den gesundheitlichen Folgen einer Frühgeburt erholen können, hängt ebenfalls davon ab, wie reif sie auf die Welt gekommen sind.

„Ab etwa der 32. Schwangerschaftswoche ist das Risiko für länger anhaltende, schwere Beeinträchtigungen nur noch sehr gering“, so Professor Dr. Gille.

Bei Kindern, die früher auf die Welt kommen, steigt das Risiko aber entsprechend, dass sie ihr Leben lang unter mittleren bis schweren Beeinträchtigungen zu leiden haben.

Doch auch Frühgeborene, die „nur“ wenige Wochen vor dem errechneten Termin zur Welt kommen, können im Vergleich zu reif geborenen Kindern mit Anpassungsproblemen und erhöhter Infektanfälligkeit zu kämpfen haben.

Die möglichen Ursachen für eine Frühgeburt können vielfältig sein. Zu den Risikofaktoren zählt der Konsum von Nikotin, Alkohol und Drogen, Erkrankungen und Infektionen der Mutter, starke seelische Belastungen, chronischer Stress oder übermäßige körperliche Arbeit der Mutter, aber auch Fehlbildungen beim Fötus, vorangegangene Frühgeburten oder Mehrlingsschwangerschaften.

„Die beste Möglichkeit, einer Frühgeburt vorzubeugen, ist es, sich über das Thema Schwangerschaft umfassend zu informieren, die regelmäßigen Vorsorgetermine wahrzunehmen und auf den eigenen Körper zu achten. Zum Beispiel: Spüre ich ein Ziehen? Gibt es eine Wehentätigkeit?“, sagt Dr. Müller.

Wird die Gefahr einer Frühgeburt rechtzeitig erkannt, lassen sich häufig noch Maßnahmen ergreifen, um diese zumindest hinauszuzögern und so dem Kind zu ermöglichen, im Mutterleib noch weiter zu reifen.

Die Folge können häufigere Vorsorgeuntersuchungen und weitere medizinische Maßnahmen wie zum Beispiel ein stationärer Klinikaufenthalt sein. Entsprechend belastend kann eine solche Risikoschwangerschaft für Mütter und ihre Familien sein.

Auch nach der Geburt, wenn sich alles um das Kind dreht, bleibt die Belastung für die Eltern oft hoch. „Auch die Eltern sind oft zu früh Eltern geworden und noch gar nicht richtig vorbereitet“, so Professor Dr. Gille.

Niedrigschwellige Beratung und Unterstützung können sich die Familien von Frühgeborenen bei den „Frühen Hilfen“ des Kreises Bergstraße holen.

„Bei den Eltern gibt es oft viele Fragen und Unsicherheiten und nicht für alles können sie sich an den Kinderarzt oder die Hebamme wenden“, sagt Georgeta Ensinger von den „Frühen Hilfen“ des Kreises.

Die Beratung der Fachstelle kann vielfältige Themen wie zum Beispiel Ernährung, Eltern-Kind-Bindung, Kindesentwicklung oder die Bewältigung von elterlichem Stress umfassen.

Im Rahmen des Programms „Keiner fällt durchs Netz“ können Eltern auch bis zum ersten Geburtstag ihres Kindes von Gesundheitsfachkräften – zusätzlich zur Nachsorge durch Hebammen - begleitet werden.