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Immer mehr Menschen sind auf die Tafel angewiesen

Das Team der Bensheimer Tafel hat sich derzeit mit deutlich gestiegenen Einsatzzeiten auseinanderzusetzen. Foto: Pressedienst Bensheim

Der Bensheimer Sozialdezernent Adil Oyan im Austausch mit Mariette Rettig

BENSHEIM. - Es sind eher die unauffälligen Zeichen, die auf größere Veränderungen hinweisen: So ist der Korb mit Regenschirmen, der für die Kundinnen und Kunden der Bensheimer Tafel bereitsteht, morgens noch prall gefüllt.

„Aber warten Sie mal noch zwei Stunden, dann werden heute alle Schirme als Sonnenschutz benötigt, wenn schon weit vor Beginn der Lebensmittelausgabe der Ansturm beginnt und sich lange Schlangen bilden“, sagt Tafel-Chefin Mariette Rettig beim Besuch von Sozialdezernent Adil Oyan.

Nach seiner Hospitanz bei der Tafel kennt sich Oyan mit den Abläufen zwar bereits bestens aus, doch das, was Rettig ihm bei seinem jüngsten Besuch geschildert hat, war auch für ihn in dieser Dimension neu.

Waren es im Januar noch 589 Haushalte, die berechtigt sind, das Angebot der Tafel zu nutzen, so sind es mittlerweile 846. Pro Ausgabe kamen üblicherweise in der Vergangenheit um die 120 Berechtigten zur Tafel, mittlerweile sind es 237 Haushalte.

Die Kundinnen und Kunden kommen selten alleine, so stehen an den Ausgabetagen 300 bis 400 Menschen vor der Einrichtung in der Rheinstraße.

Mariette Rettig sieht zwei wachsende Gruppen als Ursache für diese Entwicklung: Das ist ein Mal die Gruppe der Rentnerinnen und Rentner, die mit den gestiegenen Kosten nicht mehr zurechtkommt.

„Manche rechnen vor, sie haben im Monat nach Abzug aller Fixkosten gerade mal noch 80 Euro zum Leben“, berichtet Rettig. Und dann sind es Menschen aus der Ukraine, die privat untergebracht und damit berechtigt sind, das Angebot der Tafel zu nutzen.

Diejenigen, die zum Beispiel im Zeltdorf untergebracht sind, werden von Amtswegen versorgt und landen damit nicht bei der Tafel.

Die wachsende Zahl an Kundinnen und Kunden erhöht das Arbeitspensum der Ehrenamtlichen bei der Tafel enorm, dank des ausgeklügelten Schichtsystems schaffen es die Verantwortlichen, die Belastung für jeden Einzelnen zwar in Grenzen zu halten, trotzdem sagt Rettig: „Was meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten, ist unglaublich, die Einsatzzeiten sind deutlich gestiegen.“

Was die Tafel-Chefin im Gespräch mit Adil Oyan positiv hervorhebt, ist die Spendenbereitschaft, die letztlich dafür sorgt, dass niemand, der die Unterstützung der Tafel beanspruchen will und die entsprechenden Voraussetzungen vorlegt, versorgt werden kann.

Auch der Kreis der Ehrenamtlichen ist groß, nichtsdestotrotz werden derzeit insbesondere Fahrerinnen und Fahrer gesucht, die die Lebensmittel abholen und zur Einrichtung fahren. „Generell sind wir für jede helfende Hand dankbar“, so Rettig.

Sie betont auch, dass von den Menschen sehr viel Positives zurückkommt. Für viele ist die Versorgung mit Lebensmittel zwar notwendig, aber fast noch wichtiger ist die Einrichtung gerade für die älteren Menschen als Kommunikationsort und Treffpunkt.

„Manche erzählen, dass der Besuch bei der Tafel der einzige Moment am Tag ist, an dem sie mit jemandem reden können.“

Dass die Tafel im Grunde genommen eine Lücke schließt und grundlegende Probleme des Sozialsystems überdeckt, dessen ist sich Rettig bewusst: „Wir sind nicht dazu da, die Grundversorgung zu decken, wir wollen Lebensmittel retten und diese sinnvoll weitergeben.“

Adil Oyan bestätigt diese Ansicht und hebt dabei umso mehr die großartige Leistung der vielen Ehrenamtlichen hervor. Angesichts der aktuellen Entwicklung müsse man davon ausgehen, dass zeitnah nicht mit einer Entspannung gerechnet werden kann.

Die Verantwortlichen der Tafel Bensheim weiten deshalb ab 1. Juli ihre Ausgabezeiten aus. Denn eines ist klar: Auch in den kommenden Monaten werden die Schirme im Eingangsbereich alle im Einsatz sein.

Wer die Tafel unterstützen möchte, sei es mit Spenden oder einer Mitarbeit, kann sich per E-Mail info(at)tafel-bensheim.de oder direkt bei Mariette Rettig, Telefon 06251/10 57 19.