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Marktplatz: Der „Bensheimer Weg“ soll's richten

Die Lösung für die künftige Gestaltung des Bensheimer Marktplatzes soll jetzt der 365-Tage-Kampagne mit dem beziehungsreichen Titel >Bensheimer Weg< entspringen. Archivfoto: er

BfB-Fraktionschef Franz Apfel wirft der Stadtspitze vor, sie scheitere schon zu Beginn des Prozesses an ihrer eigenen Vorlage + + + „BI-Vertrauensleute haben konkreten Vorschlag für Ausgestaltung des Marktplatzes unterbreitet“

BENSHEIM. - Am 1. Dezember 2020 entschied sich das Bensheimer Stadtparlament mehrheitlich für einen städtebaulichen Ideenwettbewerb für die zentrale Stelle am ehemaligen >Haus am Markt< wie den gesamten Marktplatz und trat damit der Forderung der BI >Bensheimer Marktplatz besser beleben< (BMBB) bei.

Mit diesem Beschluss wurde die Stadtverwaltung beauftragt, den städtebaulichen Ideenwettbewerb auszuloben. Der von der BI in einem langwierigen Weg, letztlich gerichtlich erstrittene und auf 17. Januar 2021 terminierte Bürgerentscheid für diese Lösung war damit vom Tisch.

In ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause hatten die Mandatsträger jetzt, rund siebeneinhalb Monate später, erneut über diese Angelegenheit zu befinden. Das Parlament entschied sich einmütig für den von der Stadtspitze vorgeschlagenen >Bensheimer Weg<, zeigte gleichzeitig jedoch unterschiedliche Wegstrecken auf.

Kampagne „365 Tage für die Zukunft unserer Innenstadt“ im April ins Leben gerufen

Die Kampagne „Gemeinsam für Bensheim – 365 Tage für die Zukunft unserer Innenstadt“ wurde von Bürgermeisterin Christine Klein gemeinsam mit Erster Stadträtin Nicole Rauber-Jung und dem Geschäftsführer der Stadt-Tochter Marketing- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Helmut Richter, im April ins Leben gerufen.

Intention war, für die Zukunft der Bensheimer Innenstadt kurz- und langfristige Lösungsansätze zu erarbeiten, und den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 1. Dezember 2020 umzusetzen, einen städtebaulichen Ideenwettbewerb für den oberen Marktplatz durchzuführen.

Bei verwaltungsinternen Überlegungen stellte man sich die Fragen, wie VertreterInnen der Bürgerschaft in laufende Prozesse – zum Beispiel zum Thema Marktplatz – eingebunden werden können, bzw. wie können Entscheidungen zustande kommen, die nicht sofort wieder neuerlichen Disputen zum Opfer fallen?

„Ich gehe nicht zurück auf Los“

Exakt an diesem Punkt aber scheiden sich die Geister. Die BI BMBB hat für sich frühzeitig den Rückschritt erkannt, wie Gundula Bunge-Glenz, eine der Vertrauenspersonen äußerte: „Ich gehe nicht zurück auf Los.“

Damit verdeutlicht die BI-Aktivistin, dass sich die BI nach dem bereits 2019 vom Bürgernetzwerk durchgeführten Bürgerdialog und den folgenden BI-Aktivitäten nicht erneut einem Findungsprozess stellen und bei Null beginnen will.

Gleichzeitig bekundeten die Vertrauenspersonen jedoch weiterhin den >Bensheimer Weg< begleiten zu wollen, nur eben nicht in einem „Empfehlungsteam“, weil sie eben eine solche Empfehlung mit dem Ideenwettbewerb zu 0-, 1- bzw. 2-geschossiger Bebauung ebenso schon abgegeben hatten, wie auch das Bürgernetzwerk, auf dessen Schlussbericht zum Bürgerdialog im Dezember 2019 diese BI-Forderung ja beruhe.

Diese Situation griff BfB-Fraktionschef Franz Apfel jetzt im Stadtparlament auf und stellte die Frage: „Warum koppelt man den ergebnisoffenen städtebaulichen Wettbewerb nicht von dem 365-Tage-Prozess ab?“ Alle würden schließlich argumentierten, man dürfe keine Zeit verlieren.

BfB-Fraktion unterstützt eindeutig die Ziele des Bürgerbegehrens

„Das spielt jetzt plötzlich keine Rolle mehr. Die BfB-Fraktion unterstützt eindeutig die Ziele des Bürgerbegehrens, Durchführung des ergebnisoffenen städtebaulichen Wettbewerbs mit anschließender Bürgerbeteiligung, so wie das beschlossen wurde – das ist unsere Position und die wollen wir auch nicht mit sprachlichem Hokuspokus aufweichen lassen.“

Wenn man die Stellungnahmen der BI BMBB richtig lese, dann habe die BI Angst, dass der Prozess den ergebnisoffenen städtebaulichen Ideenwettbewerb aushöhlt. „Diese Befürchtung kann man in der Tat haben“, sagte Apfel.

„Da sind sie an ihrer eigenen Vorlage schon gescheitert“

„Sehr unglücklich empfingen wir, dass es der Bürgermeisterin und der 1. Stadträtin nicht gelungen ist, die BI im Prozess so zu beteiligen, dass sie sich darin wiederfindet und gut aufgehoben fühlt. Da sind sie an ihrer eigenen Vorlage schon gescheitert.“

Franz Apfel stellte klar: Ihr Anspruch war >Konset-Prinzip<.“ Er zitierte aus der Verwaltungs-Vorlage und hier die oben bereits genannten Fragestellungen. „Der wichtigste Akteur zum Thema Marktplatz ist die Bürgerinitiative und die ist gerade ausgestiegen.“

„Sie müssen die BI >BMBB< wieder mit ins Boot holen“

Bezüglich des zu vermeidenden Disputs fragte der BfB-Fraktionschef: „Scheitern Sie zu Beginn schon an ihren Ansprüchen?“, und forderte die Stadtspitze auf: „Sie müssen die BI >BMBB< wieder mit ins Boot holen und dazu werden sie den Prozess >Ergebnisoffener städtebaulicher Ideenwettbewerb< vom Prozess 365 Tage abkoppeln müssen.“

Die BfB-Fraktion habe auch ein Interesse, dass die Bensheimer Innenstadt darüber hinaus weiter betrachtet werde. „Das unterstützen wir ausdrücklich, aber das sollte abgekoppelt werden“, empfahl er.

„Sie schreiben im Papier vom >Bensheimer Weg< – wenn die Bürgerinitiative nicht mit dabei ist, dann geht der >bisherige Bensheimer Weg< im Streit gerade so weiter. Das war nicht Ihr Interesse und das kann nicht unser aller Interesse sein.

Klare Trennung des städtebaulichen Ideenwettbewerbs und des 365 Tage Prozesses

„Wir wollen, dass der Prozess weiter geht, dass Sie Frau Bürgermeisterin Klein und Sie Frau 1. Stadträtin Rauber-Jung, das Notwendige tun, damit die BI mit ins Boot geht, dazu gehört nach unserer Meinung eine klare Trennung des städtebaulichen Ideenwettbewerbs und des 365 Tage Prozesses. Sonst ist der heutige Beschluss auf Sand gebaut!“

Die dürftige Mitteilung vom 22. Juni dieses Jahres, dass die BI aus dem Prozess ausgestiegen sei, wäre das Gegenteil von hilfreich gewesen.

„Eine Kommunikationspanne erster Güte!“

„Hier hätten wir erwartet, dass die Gründe der BI mitgeteilt würden.“ So sei es „eine Kommunikationspanne erster Güte!“ Die BI habe ihre Gründe dann über die Presse mitgeteilt. „Die BfB kann diese Gründe jetzt gut nachvollziehen.“

Auch die Vorstellungen von Klaus Becker zum Marktplatz, seien lesens- und beachtenswert. „Dieses Wissen und dieses Können, das die BI mobilisieren kann, ist ein Schatz und muss in den Prozess aufgenommen werden.“

Mit ihrer Zustimmung verbindet die BfB ganz konkrete Erwartungen

Die BfB stimme zu, „aber wir erwarten, dass es Anstrengungen gibt, die Bürgerinitiative wieder mit ins Boot zu holen und wir erwarten, dass die beiden Prozesse voneinander getrennt werden, denn der ergebnisoffene städtebauliche Ideenwettbewerb muss nicht auf den 365-Tage-Prozess warten.“

Man sehe die Sinnhaftigkeit des 365-Tage-Prozesses, da stehe man aber am Anfang. Bei dem städtebaulichen Ideenwettbewerb stehe man am Start. Mit der Zustimmung verbinde die BfB aber ganz konkrete Erwartungen.

„Im Rathaus sehr große Mühe gegeben“

Dem widersprach Bürgermeisterin Christine Klein mit dem Hinweis, man habe die BI-Vertrauensleute von Beginn an intensiv in den Prozess eingebunden. Dem BI-Wunsch nach externer Moderation habe man entsprochen.

Insgesamt habe man sich „im Rathaus sehr große Mühe gegeben“, um die 365-Tage-Kampagne unter Einbeziehung möglichst vieler Bürger auf den Weg zu bringen. Die BI sei eingeladen worden im Empfehlungsteam mitzuwirken, und dies gelte noch immer.

CDU will „Ideen sammeln und alle Leute an einen Tisch bringen“

Keinen Widerspruch zwischen städtebaulichem Ideenwettbewerb am Marktplatz und Innenstadt-Kampagne wollte CDU-Sprecher Bernhard Stenger erkennen. „Wir wollen Ideen sammeln und wollen alle Leute an einen Tisch bringen.“

Es stelle sich allein die Frage, in welcher Form die BI an dem Prozess teilnehmen könne, bzw. ob sie nicht bei Bedarf auch im Empfehlungsteam oder auf andere Art und Weise eingebunden werden könne, wozu die BI ja Bereitschaft erklärt habe, erklärte Moritz Müller, einer der GRÜNEN-Fraktionssprecher.

Was den >Bensheimer Weg< ausmache, könne man erst im Verlauf des Prozesses feststellen, das lasse sich in der bisher vorliegenden Papierform nicht exakt verifizieren. Letztendlich gelte auch hier wie häufig: „der Weg ist das Ziel“.

„Nicht eine Frage, die heute oder morgen entschieden wird“

Die Innenstadtentwicklung sei, wie auch das weitere Vorgehen auf dem Marktplatz „nicht eine Frage, die heute oder morgen entschieden wird“, sondern es sei ein Prozess. „Gemeinsam im Dialog um die beste Lösung ringen, ist das Ziel dieses Prozesses“, sagte Müller abschließend.

Die SPD sieht den Prozess nach wie vor als optimal und hoffnungsvoll, sagte Adriana Filippone für ihre Fraktion. Die Betonung liege auf „gemeinsam, losgelöst von irgendwelchen Egoismen und Wunschvorstellungen einzelner Personen die beste Lösung zu finden“.

„Es geht um eine positive Entwicklung unseres Marktplatzes, Verantwortung liegt bei allen“

Nach so langer Zeit sei man das den Bürgern, insbesondere in der Innenstadt, schuldig. „Unsere Stadt, speziell unsere Innenstadt hat großes Potenzial, das es nun auf den Weg zu bringen gilt.“

Ja, man könne anhaltende „und sehr nachvollziehbare Unzufriedenheit und Skepsis über den aktuellen Status des Marktplatzes nachvollziehen, „aber es geht um eine positive Entwicklung unseres Marktplatzes, und die Verantwortung hierfür liegt bei allen“, sagte die Sozialdemokratin.

„Wir haben auch unsere Bedenken, aber wir gehen den >Bensheimer Weg< mit“, erklärte Fraktionschef Stefan Stehle für die Liberalen.

„BI keineswegs ausgestiegen, vielmehr konkreten Vorschlag für Marktplatz unterbreitet“

Die BI sei keineswegs ausgestiegen, „vielmehr haben sich die Vertrauensleute sehr viel Arbeit gemacht und einen konkreten Vorschlag für die Option der Nullbebauung und die damit verbundene Ausgestaltung des Marktplatzes unterbreitet“, sagte Dr. Rolf Tiemann.

Der Fraktionschef der Freien Wählergemeinschaft (FWG) äußerte Verständnis für die BI, von der man nicht erwarten könne, bei weiteren Ideen-Findungen für andere Optionen ebenfalls mitzuwirken.

Der FWG-Vertreter bezeichnete es als unfair, der BI zu unterstellen, sie habe sich zurückgezogen. Deren Angebot zur punktuellen bzw. Mitarbeit in anderer Form als im Empfehlungsteam bestehe nach wie vor. „Wie ist der Zeitplan?, fragte Dr. Tiemann abschließend, „wir sehen einen solchen bisher nicht“.