Ein Ölgemälde als Zeugnis der verlorenen Villen Metzendorfs
BENSHEIM. - Ein Bild, das wie gerufen kommt: Zum 100. Todesjahr des Architekten Heinrich Metzendorf hat ein Ölgemälde des Kunstmalers Josef Franze kürzlich den Sammlungsbestand des Museums Bensheim erweitert.
Das Werk zeigt den Ausblick auf die Metzendorf-Villa „Emil Heuser“, gemalt vom großen Balkon des Metzendorf-Landhauses von Paula Nathan-Ricard, besser bekannt als „Märchenhaus“.
Beide Villen wurden in den 60er-Jahren abgerissen. Das Gemälde Franzes legt somit Zeugnis ab über die verlorenen Villen Heinrich Metzendorfs.
Die Schenkung des Kunstwerkes war auf Initiative von Archivleiterin Claudia Sosniak zustande gekommen. Sie war mit Albert Hoekstra aus den Niederlande aufgrund seiner Recherchen zum Bild in Kontakt gekommen.
Das Gemälde war mittlerweile in den Familienbesitz von Ehepaar Hoekstra und seiner Schwägerin Annette Strehle-Schibikowski gelangt. Volkmar Weißert, ein damaliger Mieter einer Wohnung des „Märchenhauses“, hatte das Bild bei Josef Franze in Auftrag gegeben hatte.
Nach dem Tod des Ehepaars Weißert kam das Bild schließlich 1979 in den Besitz der Verwandtschaft, Familie Strehle in Auerbach.
Landschaftsmaler Josef Franze bildetet darauf eine der schönsten und beliebtesten Wohngegenden der Bergstraße mit den Prunkvillen Metzendorfs ab – eingebettet in eine Landschaft, die – abgesehen vom Melibokus im Hintergrund – heute so nicht mehr existiert.
Franze lebte seit 1946 gemeinsam mit seiner Frau Selma Jahnel bis zu seinem Tod im Jahr 1971 in der Darmstädter Straße 162 in Bensheim.
Ob der Maler zum Anfertigen seines Kunstwerkes auf dem Balkon des Märchenhauses verweilte oder anhand von Fotografien den einzigartigen Ausblick auf die Villa Emil Heuser malerisch einfing, lässt sich heute nicht mehr eindeutig sagen.
Fest steht jedoch, dass er beide Villen künstlerisch miteinander verewigte, deren Geschichte nicht nur aufgrund ihres Erbauers engsten miteinander verknüpft ist. 1903 von Heinrich Metzendorf erbaut, wären der Standort der Villa „Emil Heuser“ heute die Grundstücke Im tiefen Weg 26-28.
Der gebürtige Kölner Georg Carl Emil Heuser gab den Bau in Auftrag und verlegte seinen Lebensmittelpunkt 1905 von Wiesbaden nach Auerbach. Das traumhafte Anwesen blieb bis 1934 in Besitz der Familie Heuser. Der Abriss der wunderschönen Villa erfolgte 1962.
Das Landhaus Paula Nathan-Ricard – damals Darmstädter Straße 85, später 253 – wurde 1902 von Metzendorf gebaut und blieb bis 1907 im Besitz der Brüder Heinrich und Georg Metzendorf.
Der jüdische Bankier Gustav Nathan und seine ebenfalls jüdische Ehefrau Paula, geborene Ricard, kauften das Anwesen und siedelten 1907 von Frankfurt am Main nach Auerbach an die Bergstraße. Während des Nationalsozialismus wurde das Haus der Witwe Nathan-Ricard annektiert.
Laut Brandkataster war es 1944 im Besitz des „Großdeutschen Reiches“. Nach dem Krieg wurde Paula Nathan-Ricard das Landhaus wieder zugesprochen. Zu diesem Zeitpunkt lebte sie in Bloemendaal bei Haarlem in den Niederlanden.
Die Bensheimer Anwaltskanzlei Dr. Hattemer wurde als Treuhänder eingesetzt und verwaltete die Vermietungen der einzelnen Wohnungen im Haus. Von 1950 bis 1957 lebte dort die Familie Weißert als Mieter im „Märchenhaus“, die schließlich Auftraggeber für das Ölgemälde war.
Nach dem Tod von Paula Nathan-Ricard im Jahre 1952 ging das Landhaus erst 1963 in den Besitz von Dr. Francisco Ricard in Buenos-Aires über und wurde danach ebenfalls abgerissen.