Einblick in die Rituale der Eziden
Evangelisches Dekanat Vorderer Odenwald veranstaltet Filmabend und Gespräch über die Religionsgemeinschaft aus dem NordirakGROSS-UMSTADT. - Eine Frau schöpft ihrem Sohn mit der Hand Wasser aus der heiligen Quelle über den Kopf. Männer küssen heilige Gegenstände – Mauern, Tücher, eine Art Zepter, derweil andere auf Flöte und Tamburin spielen.
Sie zünden viele Feuer an, schwenken Rauchgefäße. Sie wirken entrückt, sind versunken in ihren rituellen Handlungen, voller Hingabe. Die Bilder wirken ohne viele Worte. Es ist, als sei die Kamera gar nicht da.
Lalisch ist die heilige Stätte der Eziden im Norden des Irak. Von weither ist die steinerne Kuppel zu sehen, unter der sich die Grabstätte von Scheich Adi, dem spirituellen Führer der Eziden befindet. Einmal im Jahr, an sieben Tagen im Oktober, kommen hier Tausende von Pilgern zusammen, um das Jama-Fest zu feiern.
Im Herbst 2002, kurz vor dem Beginn des zweiten Irak-Krieges, nahm die kurdische Filmemacherin und Dichterin Faranak Ahmadi an den Feierlichkeiten teil und begleitete diese erstmals mit der Kamera.
Noch nie zuvor hatte jemand dort gefilmt, doch mit der Zustimmung des religiösen Oberhauptes, des Mir Tahsin, konnte das Filmteam vom Sender Kurdistan TV selbst in den innersten Bereichen drehen.
Filmemacherin aus Reinheim
„Die Melodie der Pfauenfeder“ war auf Initiative von Pfarrerin Margit Binz von der Fachstelle Ökumene und interreligiöser Dialog im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald und Andrea Alt, Koordinatorin für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit im Landkreis Darmstadt-Dieburg, kürzlich im evangelischen Gemeindehaus Groß-Umstadt zu sehen.
„Ich sehe den Film als kleinen Beitrag zur Geschichte der Eziden, in dem ihre Rituale festgehalten werden“, sagte Faranak Ahmadi (49), die mit ihrer Familie in Reinheim lebt und an diesem Abend da war.
Faranak Ahmadi ist gebürtige Iranerin. Sie studierte an Filmhochschule in Teheran und arbeitete dann als Direktorin und Lehrerin am Institut für Kurzfilme in Urmia und in Sanandaj und ist auch Dichterin.
Im Jahre 2000 floh sie mit ihrer Tochter in den Irak und arbeitete für den Sender Kurdistan TV bei Erbil. Sie selbst sei keine Ezidin, berichte aber mit großer Leidenschaft über andere Kulturen, sagte sie im Gespräch mit dem Publikum.
Nicht nur Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit und an anderen Religionen Interessierte waren gekommen, sondern auch etliche Kurden. „Das Wesen der Eziden ist in dem Film sehr gut zum Ausdruck gebracht“, sagte Hanse Ortac vom Zentralrat der Eziden, die an diesem Abend ebenfalls da war und ein Grußwort sprach.
Vieles erfahren die rund 50 Gäste an diesem Abend über die religiöse Minderheit im Norden Iraks, über die 2014 mehrfach berichtet wurde, nachdem der sogenannte Islamische Staat Tausende Eziden aus ihren Siedlungsgebieten im irakischen Sindschar-Gebirge in das nahe Syrien vertrieben, Frauen entführt, gemordet und Dörfer zerstört hatte.
Etwa, dass das der bislang letzte der 72 Genozide gewesen sei, die die Eziden erlebt hätten, wie Hanse Ortac erläuterte. Viele Schriften seien deshalb vernichtet, vieles sei nur mündlich überliefert. Gebete würden auswendig gelernt, ebenso die Gesänge, die zumeist Lobpreisungen der Propheten seien.
Der Pfau ist der Herrscher über sieben Engel
Eziden lebten in Kasten, und nur wenn der Vater und die Mutter Eziden seien, gelte auch das Kind als Ezide. Gibt es ein Jenseitsversprechen? Ja, die Eziden glaubten an ein Leben nach dem Tod, so Hanse Ortac. „Im Ezidentum gibt es nichts Böses, wir glauben nur an das Gute.“
Weiter erfahren die Besucherinnen und Besucher, die eifrig Rückfragen stellen, dass Wasser, Feuer, Wind und die Sonne heilig seien. Ein Erkennungszeichen wie das Kreuz gebe es zwar nicht, so Hanse Ortac, aber der Pfau symbolisiere den Herrscher über sieben Engel, die wiederum dafür stehen, dass Gott die Erde in sieben Tagen erschaffen habe.
Der Abend bot die Gelegenheit, einen Eindruck von der sehr alten und eigenständigen Religion der Eziden zu erhalten und miteinander ins Gespräch zu kommen.