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Allen Protesten zum Trotz: Bauaufsicht erteilt Abrissgenehmigung für Haus am Markt

Die Grundfläche des geplanten neuen >Haus am Markt< überschreitet die Maße des bestehenden Gebäudes sowohl nach Süden als auch nach Norden und verringert so die Abstandsflächen zu den jeweiligen Nachbarn. Diese sind >not amused< und wollen juristisch dagegen vorgehen. Foto: er

Nachbarn fühlen sich übergangen und machen mobil: Sie wollen juristisch gegen den geplanten Neubau des >Hauses am Markt< vorgehen

BENSHEIM. - Die Proteste um Abriss und Neubau des >Hauses am Markt< in Bensheim für 6,8 Millionen Euro reißen nicht ab. Jetzt aber hat die Bauaufsicht beim Landratsamt des Kreises Bergstraße in Heppenheim zu Beginn dieser Woche die Genehmigung zum Abriss des >Hauses am Markt< erteilt.

Das geht aus der Antwort auf eine FACT-Anfrage an das Bergsträßer Landratsamt hervor. Pressesprecher Dr. Johannes Bunsch bestätigte, dass es zutreffe, die Bauaufsicht im Bergsträßer Landratsamt habe das „GO“ zum Abriss des Hauses am Markt erteilt, obwohl bis dato ein Bauantrag für den zwingend erforderlichen Ersatzbau nicht vorliege.

„Rechtsanspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung“

„Es besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung, wenn die Zulässigkeit des Vorhabens vorliegend ist. Die Genehmigung für den Abbruch wurde am 8.4.2019 erteilt“, sagt Bunsch.

Nach neuer Hessischer Bauordnung (HBO) 2018 sei die Neuerrichtung eines gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle nach Paragraf 6 Abs. 12 Nr. 4 der Hessischen Bauordnung (HBO) bei rechtmäßig errichteten Gebäuden, die die erforderliche Tiefe der Abstandsfläche gegenüber Nachbargrenzen nicht einhalten, zulässig.

„Inwieweit die Voraussetzungen vorliegen, ist im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen. Der Bauantrag für den Neubau liegt noch nicht vor.“

Neubauplanung überschreitet Gebäudegrenzen nach Süden und nach Norden

Genau in diesem Punkt aber scheiden sich die Geister: Die bis dato vorliegende Planung, die von der Stadtverwaltung Bensheim und deren Tochter Marketing-und Entwicklungsgesellschaft Bensheim (MEGB) als Bauherr am 31. Januar im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt wurden, überschreitet mit der Kubatur des geplanten neuen Bauwerks die Gebäudegrenzen des bestehenden Hauses sowohl nach Süden als auch nach Norden.

Somit würden diese die Abstandsflächen zu den jeweiligen Nachbarn gegenüber den ohnehin schon unterschrittenen Grenzabständen weiter verringern.

Baufachleute sehen sich bestätigt

Während Erster Stadtrat und Baudezernent Helmut Sachwitz nicht müde wird zu betonen, die Zustimmung der Nachbarn für eben diese weiter verringerten Abstandsflächen sei nicht erforderlich, sehen sich Baufachleute mit der nun vorliegenden Antwort aus dem Heppenheimer Landratsamt insoweit bestätigt, als sich die verringerten Grenzabstände lediglich im Bereich der schon seither nicht eingehaltenen Grenzabstandsflächen bewegen dürfen.

Für eine weitere Verringerung der Grenzabstandsflächen bedürfe es somit entgegen der mehrfach wiederholten Sachwitz-Aussagen sehr wohl der neuerlichen Zustimmung der betroffenen Nachbarn. Diese sind jedoch keineswegs zu weiteren Zustimmungen bereit, wie FACT-Recherchen dazu eindeutig ergaben.

Nachbarn wollen sich juristisch zur Wehr setzen

Vielmehr wollen sich eben diese Nachbarn juristisch zur Wehr setzen „gegen eine planungsrechtlich unzulässige Baumaßnahme der Stadt Bensheim, bzw. deren Tochter MEGB“, wie aus diesen Reihen gegenüber der FACT-Redaktion vielfach zu hören war.

Bereits am 31. Januar hatten Bürgermeister Rolf Richter, dessen Bruder Helmut Richter als Geschäftsführer der MEGB und der Erste Stadtrat Sachwitz bei der Vorstellung der fertigen Pläne verkündet, der Bauantrag folge dem an diesem Tag bei der Genehmigungsbehörde eingereichten Abrissantrag zeitnah.

Bis dato, und damit zweieinhalb Monate später, liegt der Bauaufsichtsbehörde der avisierte Bauantrag für das geplante neue >Haus am Markt< jedoch immer noch nicht vor, wie aus der heutigen Antwort aus Heppenheim hervorgeht.

Planung möglicherweise vor grundlegender Veränderung

„So steht der gesamte Plan ob der fehlenden nachbarschaftlichen Zustimmung höchstwahrscheinlich derzeit noch vor einer grundlegenden Veränderung, mit entsprechender Reduzierung der Grundfläche“, sieht ein Baufachmann eine mögliche Ursache für die deutliche Verzögerung bei der Planvorlage im Landratsamt.

„Sofern die dann neu ausgewiesene Grundfläche 120 qm unterschreiten würde, wären die Voraussetzungen der Definition von Sonderbauten (§ 2 Abs. 9 HBO) wiederum entzogen“, sagt ein anderer, erfahrener Bauingenieur und attestiert „die hektischen städtischen Aktivitäten insgesamt auf dünnem Eis begründet“.

Widersprüchliche Bewertungen aus dem Fachbereichs Denkmalschutz im Landratsamt

Widersprüchliche Aussagen in der Bewertung der Leiterin des Fachbereichs Denkmalschutz beim Bergsträßer Landratsamt, Barbara Schäfer-Vollmer, zu deren Kollegin Angela Exo sieht Dr. Bunsch nicht.

„Es gibt nur eine Stellungnahme der Denkmalschutzbehörde. Der Denkmalschutzbehörde geht es im konkreten Fall im Wesentlichen um die Kubatur und Einbindung des Ersatzgebäudes in die Gesamtanlage. Eine Stildiskussion zu unterschiedlichen Entwurfsansätzen wird hier nicht eröffnet.“

Dennoch hatte sich Barbara Schäfer-Vollmer in einer FACT vorliegenden Bewertung vom 18.10.2018 deutlich positioniert: „Erhalt und Sanierung des Bestandes sind scheinbar schnell zum Opfer der Wirtschaftlichkeit geworden“, übte sie Kritik an der städtischen Vorgehensweise.

„Platzhalter“ war Sieger unter früherem Landesdenkmalpfleger

Demgegenüber ließ Angela Exo in der vergangenen Woche verlauten, für die Denkmalpflege sei „der 70er-Jahre Bau, so wie er heute dasteht, nur ein Platzhalter“ im denkmalgeschützten Gesamtensemble des Bensheimer Marktplatzes. „Einen Erhalt aus denkmalpflegerischen Gründen zu fordern, wäre unverhältnismäßig“, so die Exo-Aussage.

Dabei gilt es festzuhalten, dass eben dieser „Platzhalter“ in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Sieger aus einem Architektenwettbewerb mit hochkarätiger Jury-Besetzung unter der Leitung des Präsidenten des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen und Mitbegründer der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Prof. Dr. Gottfried Kiesow, hervorgegangen ist.