Nationalspieler David Huber fährt zur Rollstuhlhockey-EM
BENSHEIM. - Der Mann mit der Trikotnummer 18 bezeichnet sich selbst mit einem Schmunzeln als „kleiner Chancentod“. Dabei zählt David Huber seit Jahren zu den besten Torschützen seines Bundesliga-Vereins, den Rolli-Teufel Ludwigshafen.
Und in der Nationalmannschaft gehört er ebenfalls zu den verlässlichsten Torschützen. Dem 29-Jährigen kommt es aber weniger auf persönliche Auszeichnungen als vielmehr auf den Teamgedanken an.
Huber, der bei der Bensheimer Stadtverwaltung im Team Kasse arbeitet, spielt seit dem zehnten Lebensjahr Elektrorollstuhl-Hockey. Ende Oktober steht in Dänemark die nächste Europameisterschaft an – „und da haben wir uns schon was vorgenommen. Wir wollen angreifen“, betont der Verwaltungsfachangestellte.
Sollte seine Mannschaft von Ausfällen verschont bleiben, zählt sie zum erweiterten Favoritenkreis. In der Vorrunde geht es gegen die Schweiz sowie die Niederlande (Platz zwei und drei der Weltrangliste) und gegen Spanien. Deutschland steht auf Platz sechs des internationalen Rankings.
Mit Powerchair Hockey, so der offizielle Titel, hat sich der Wormser bereits in jungen Jahren eine Sportart ausgesucht, die auch im Vergleich zu anderen Disziplinen im Behindertensport weniger im Rampenlicht steht.
„Sie hat mich aber von Anfang an begeistert und seitdem nicht mehr losgelassen.“ Gespielt wird die Feldhockey-Variante mit hochmotorisierten Elektro-Rollstühlen, die in der 1. Bundesliga bis zu 15 km/h schnell sein dürfen. Die Höchstgeschwindigkeit wird bei den Spielen auch kontrolliert, um „technisches Doping“ auszuschließen.
Mit Plastikschlägern, die man entweder mit der Hand führt oder die am Rollstuhl befestigt sind, wird auf einem 34 Meter langen Feld versucht, einen Ball mit acht Zentimeter Durchmesser möglichst oft im gegnerischen Tor unterzubringen.
Als Handschläger ist David Huber Zielspieler und Spielgestalter zugleich. Seine Mitspieler mit Festschlägern haben in der Offensive vorwiegend die Aufgabe, Laufwege der Gegner zu blocken und so den Weg zum Tor freizumachen.
In der Defensive wiederum müssen die Lücken geschlossen und der Weg zum Tor dicht gemacht werden. Dass es beim Blocken auch mal kracht, liegt in der Natur der Sache. Die Einhaltung der Regeln wird selbstverständlich auch hier von Schiedsrichtern überwacht.
Bei allem sportlichen Ehrgeiz spielt ebenso die soziale Komponente eine wichtige Rolle. Für alle Athleten gilt eine Klassifizierungsordnung. Jeder erhält auf Basis der körperlichen Fähigkeiten eine Klassifizierungspunktzahl zwischen 0,5 und 4,5.
Während des Spiels darf eine Mannschaft, bestehend aus vier Feldspielern plus Torwart, nur zwölf Klassifizierungspunkte umfassen. So wird gewährleistet, dass auch Spieler mit schwereren Handicaps eine wichtige Funktion einnehmen – „und Einsatzzeiten erhalten“, ergänzt Huber, der mit 4,5 die höchstmögliche Punktzahl hat.
David Huber kam mit einer Spina bifida (umgangssprachlich offener Rücken) zur Welt. Trotz der Fehlbildung von Wirbelsäule und Rückenmark konnte er bis zur sechsten Klasse noch unter erschwerten Bedingungen laufen.
Nach zwei Rücken-Operationen „habe ich mich dann aber entschieden, lieber ein sehr guter Rollstuhlfahrer statt eines schlechten Läufers zu sein“, erklärt er mit der ihm eigenen Mischung aus Offenheit und Humor.
Huber schätzt das Miteinander in seiner Mannschaftssportart sehr. „Wir siegen zusammen und wir ertragen Niederlagen gemeinsam.“ Über eine Schul-AG kam er zum Rollstuhlhockey.
Mit vielen Gleichaltrigen spielt er seit vielen Jahren nun bei den Rolli-Teufel Ludwighafen. Einmal die Woche wird trainiert, an Spieltagen werden gebĂĽndelt immer drei Begegnungen ausgetragen.
In der vergangenen Bundesliga-Saison verpasste das Team die Vize-Meisterschaft hinter Dauersieger Dreieich nur knapp. Platz drei war aber die beste Platzierung in der Vereinsgeschichte – und das ohne Coach.
Seit zwei Jahren stehen die Rolli-Teufel ohne eigenen Übungsleiter dar, die Suche gestaltet sich schwierig. Als Führungsspieler mit 19 Jahren Erfahrung hat David Huber seither die Rolle des Spielertrainers übernommen. Das ist nicht immer einfach, „aber ich habe mich reingearbeitet“.
Ebenfalls kein leichtes Unterfangen: Die Finanzierung sowohl für den Bundesligaclub als auch für die Nationalmannschaft, für die Huber seit 2017 zum Stammpersonal zählt. In dieser Zeit nahm er an Welt- und Europameisterschaften teil.
Weil Elektrorollstuhl-Hockey nicht paralympisch ist, fällt die Förderung überschaubar aus. Maximal fünf Mal im Jahr kann sich die deutsche Auswahl daher im Trainingslager treffen. Zu wenig nach Ansicht des ambitionierten Sportlers.
Hinzu kommt: Wer wie David Huber auf internationalem Niveau antritt, braucht eine leistungsfähige Ausstattung. Für seine Nationalmannschaftskarriere hat er sich daher vor Kurzem einen langgehegten Wunsch erfüllt und einen neuen Elektro-Rollstuhl gekauft. Kostenpunkt: 18.000 Euro.
Realisieren konnte er das Vorhaben allerdings nur dank familiärer Hilfe. Crowdfunding-Projekte oder Anfragen bei Stiftungen wären weitere Optionen, sind aber selten von Erfolg beschieden.
„Es ist alles mit viel Aufwand verbunden“, so der 29-Jährige. Sponsoren für seine Sportart zu gewinnen, ist oftmals aussichtslos.
Dabei bietet Rollstuhlhockey „jede Menge Action. Es ist ein schnelles Spiel mit vielen Manövern und taktischen Feinheiten“. Die reichen bis zur Einstellung des Computers am Rollstuhl, um die letzten Prozent Leistung rauszukitzeln.
Mit Powerchair Hockey hat David Huber seine sportliche Berufung gefunden. Ohnehin spielt Sport in seinem Leben eine groĂźe Rolle.
Mit dem Handbike hat er bereits an Halbmarathon-Wettbewerben teilgenommen, auch die Strecke vom Wohnort Worms an die BergstraĂźe ist er als kleine Trainingseinheit gefahren. Schwimmen und Fitness stehen ebenfalls hoch im Kurs.
Im Rathaus fühlt er sich wohl, die Arbeit macht Spaß. „Ich komme gerne hierher und identifiziere mich auch mit Bensheim“. In der Verwaltung schätzt David Huber die gute Kommunikation. Mit den Bedingungen für ihn sei er sehr zufrieden.
Das zeige sich auch an vermeintlichen Kleinigkeiten wie den Absprachen, zu welchen Terminen der Fahrstuhl am besten gewartet wird. Oder an einer angemessenen Toilette, was eine Selbstverständlichkeit sein sollte, aber andernorts längst nicht überall ist.
Zu schätzen weiß der Nationalspieler auch, dass es für seine Turniereinsätze Sonderurlaub gibt – so wie Ende Oktober, wenn es vom 23. bis 27. Oktober im dänischen Korsør um die europäische Krone geht.
Im Auftaktmatch geht es gleich am Eröffnungstag um 17.15 Uhr gegen die Niederlande. Alle Partien sind live auf dem Youtube-Kanal des IPCH (International Powerchair Hockey) zu sehen.