Kurt-Hübner-Regiepreis für Ran Chai Bar-zvi
BENSHEIM. - Er ist Würdigung, Förderung und Ansporn zugleich: Der Kurt-Hübner-Regiepreis wird von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste seit 1991 im Zuge der Eysoldtpreis-Verleihung in Bensheim an junge Regisseure vergeben.
In diesem Jahr erhält die Auszeichnung Ran Chai Bar-zvi für die Inszenierung von „Blutbuch“ nach dem Roman von Kim de l’Horizon am Staatstheater Hannover. Dotiert ist der Preis mit 5.000 Euro.
Almut Wagner wählte als Alleinjurorin für den Kurt-Hübner-Regiepreis den Preisträger aus „Ran Chai Bar-zvi wählt seine Regiehandschrift und die damit verbundene Ästhetik immer individuell abhängig vom Stoff.“
In „Das große Heft“ am Münchner Volkstheater arbeitete er sehr fokussiert „ohne Zubehör“, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, in erster Linie mit den technischen Möglichkeiten der Bühne.
In „Liebes Arschloch“ nach Virginie Despentes in Münster inszenierte er ein detailgenaues, realistisches Kammerspiel.
„Ran Chai Bar-zvi begegnet selbst großen, existentiellen Stoffen immer mit Leichtigkeit und einem unglaublichen Instinkt für Unterhaltung, er öffnet die Vorgänge auf der Bühne hin zum Publikum.
Dabei läuft er niemals Gefahr, den ernsten Kern der Stücke zu verharmlosen“, betont Almut Wagner – so auch in „Blutbuch“, der Arbeit, für die ihn Almut Wagner auszeichnen möchte.
Kim l’Horizon lässt darin eine Erzählfigur, die sich weder als Mann noch als Frau definiert, von der Herkunft in einer sehr klassischen Familienkonstellation sprechen und von den schmerzhaften Auseinandersetzungen mit den tradierten Rollenaufteilungen zwischen den Geschlechtern über Generationen hinweg.
„Die Inszenierung beginnt mit einer Dragshow im Theatercafé, wo das Publikum mit Witz und Charme auf die Themen des Abends hingeführt wird.
Später wird im Theater mit einfachen und zugleich fantasievollen Mitteln – auch die Mittel der Show werden weiterhin eingesetzt – und einem hochengagierten dreiköpfigen Ensemble das von Widerständen, Ängsten, Kämpfen, aber auch von Experimentierfreude geprägte Leben der Erzählfigur auf die Bühne gebracht“, schreibt die Jurorin in ihrer Begründung.
Dies geschieht vor einem vornehmlich jungen, begeisterten Publikum, „das seit einem Jahr für diese Aufführung ins Staatstheater Hannover pilgert und sich von der Sinnlichkeit des Abends begeistert zeigt“.
Der Regisseur und Bühnenbildner ist 1989 in Jerusalem geboren und Absolvent der Jerusalem High School of Arts. Im Jahr 2012 zog er nach Berlin und begann sein Studium für Kostüm- und Bühnenbild an der Kunsthochschule Berlin Weißensee, das er 2019 mit Diplom abschloss.
Seine Videoarbeiten mit den Künstlern Doireann O'Malley und Michael Portnoy wurden in der Hugh Lane Gallery in Dublin und beim Steirischen Herbst gezeigt. 2019 hatte er sein Regiedebüt mit „Dark Room“ am Schauspiel Hannover.
Darauf folgte ebenfalls am Schauspiel Hannover die Inszenierung des Romans „Das wirkliche Leben". In der Spielzeit 2023/24 inszeniert er die deutsche Erstaufführung „Blutbuch“, für die er nun mit dem Kurt-Hübner-Regiepreis geehrt wird.
Für Almut Wagner war die Bekanntgabe des Preisträgers eine Premiere. Sie folgte in diesem Jahr als Jurorin auf Rita Thiele, für deren Engagement sich Professor Hans-Jürgen Drescher, Präsident der Akademie der Darstellenden Künste, und Bürgermeisterin Christine Klein herzlich bedankten.
Almut Wagner ist stellvertretende Intendantin und Chefdramaturgin am Residenztheater in München und Mitglied im Vorstand des Internationalen Theaterinstituts. Sie studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Romanistik und Soziologie an der Universität Köln.
Von 1991 bis 2001 arbeitete sie am Schauspiel Bonn, zuletzt als Dramaturgin und Direktorin des Festivals Bonner Biennale. 2001 bis 2005 war sie Schauspieldramaturgin bei den Wiener Festwochen.
Von 2005 bis 2008 war sie Geschäftsführende Dramaturgin am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. 2008 bis 2010 war sie Leitende Dramaturgin bei den Wiener Festwochen.
Nach weiteren Stationen und Lehraufträgen kam sie ans Theater Basel. In den Spielzeiten 2015/2016 und 2016/2017 war Almut Wagner Geschäftsführende Dramaturgin der Sparte Schauspiel. Von 2017/2018 bis 2019/2020 war sie Schauspieldirektorin am selben Haus.
Seit Beginn der Spielzeit 2020 ist sie Chefdramaturgin am Residenztheater. Zur Stadt des Eysoldt-Rings hat sie einen besonderen Bezug. Hier wuchs Almut Wagner auf, bevor es sie in die große, weite (Theater)-Welt zog.
Namensgeber Kurt Hübner gehörte zu den bedeutendsten Intendanten des deutschen Nachkriegstheaters und galt als ein großer Wegbereiter für das moderne Theater in Deutschland.
Als Theaterleiter schuf er Freiräume für große Theatertalente. Von 1992 bis 2006 war er Juror des später nach ihm benannten Kurt-Hübner-Regiepreis. Hübner starb 2007 im Alter von 90 Jahren in München.