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Im Ernstfall muss schnell und koordiniert reagiert werden

Im Interview: Bensheims Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn. Foto: Pressedienst Bensheim

Interview mit dem Bensheimer Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn

BENSHEIM. - Ob Hochwasser, Stürme oder großflächige Stromausfälle – Krisensituationen können jede Kommune treffen.

Ein funktionierender Katastrophen- und Bevölkerungsschutz ist daher essenziell, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.

Doch wie gut ist Bensheim darauf vorbereitet? Welche Maßnahmen werden getroffen, um bei einem Blackout schnell und effektiv zu handeln?

„Der Schutz unserer Bürger hat für mich oberste Priorität. Ein gut organisierter Katastrophenschutz ist dabei unerlässlich, um im Ernstfall schnell und koordiniert reagieren zu können.

Durch vorausschauende Planungen in den vergangenen Jahren sind wir bereits sehr gut aufgestellt. Wir arbeiten aber weiter intensiv daran, die notwendigen Strukturen zu stärken und die Bevölkerung für mögliche Krisensituationen zu sensibilisieren“, betont Bürgermeisterin Christine Klein.

Trotz der dramatischen Haushaltslage werden für den Brand- und Katastrophenschutz im Finanzhaushalt (unter anderem für Fahrzeuganschaffungen oder Gerätschaften) rund 2,5 Millionen Euro im Etatentwurf für dieses Jahr bereitgestellt. Im Ergebnishaushalt sind Aufwendungen in Höhe von 1,3 Millionen Euro vorgesehen.

In diesem Interview sprechen wir mit Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn über die Bedeutung des Katastrophenschutzes, die Herausforderungen in unserer Stadt und wie sich die Bürger selbst vorbereiten können.

Wie wäre die Vorgehensweise bei einem Stromausfall in Bensheim?

Jens Peter Karn: Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass unabhängig von der aktuellen Situation es jederzeit zu einem Stromausfall kommen kann.

Meist ist er schnell behoben. Aber es gibt auch Ausnahmesituationen, in denen der Strom mehrere Tage ausfallen kann. Das kann zum Beispiel in Unwettersituationen der Fall sein.

Die Feuerwehren der Stadt Bensheim beschäftigen sich schon lange mit dem Thema Stromausfall. Wir haben mittlerweile einige Gebäude so umgerüstet, dass diese im Bedarfsfall vorübergehend mit Notstrom versorgt werden können.

Unsere Feuerwehrgerätehäuser sind fast alle einspeisefähig, so dass diese mit Notstrom autark betrieben werden können. Die einzige Ausnahme ist Wilmshausen. Die Feuerwehr dort ist dennoch handlungsfähig, weil das Dorfgemeinschaftshaus Schönberg/Wilmshausen aufgerüstet wurde.

Die Feuerwehr würde bei einem Stromausfall dorthin umziehen. Insgesamt können nun an 13 Gebäuden im Stadtgebiet Notstromaggregate angeschlossen werden. Neben den Feuerwehrhäusern ist das beispielsweise im Bürgerhaus Bensheim und im Dorfgemeinschaftshaus Langwaden möglich.

2026 sollen das Rathaus, das Bürgerhaus Kronepark in Auerbach und die Weststadthalle einspeisefähig gemacht werden. Um die Infrastruktur aufrechtzuerhalten und im Ernstfall handlungsfähig zu bleiben, haben wir einen Notfallplan erarbeitet.

Wir sind hier gut aufgestellt, weil wir das Thema bereits vor einigen Jahren angegangen sind. Dazu gehört auch die Schaffung einer halben Stelle im Rathaus explizit für den Katastrophenschutz. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Gleichwohl müssen wir weitere Vorkehrungen treffen.

Wie sehen die weiteren Vorkehrungen aus?

Karn: Von jedem Feuerwehrhaus sind mittlerweile in aufwendiger Detailarbeit Objektkarten in Papierform erstellt worden. Darin enthalten sind wichtige Informationen über das Gebäude, sollte es zu einem Stromausfall kommen.

Kommunikation ist bei einem Blackout ein zentrales Thema. Wir haben daher in einer sehr guten Kooperation mit der GGEW AG deren analoges Telefonnetz erweitert. An 13 Standorten kann so wie früher analog telefoniert werden, sollte es keinen Strom geben.

Angeschlossen sind unter anderem das Rathaus, THW, DRK und die Feuerwehren. Ein aufwendiges Verfahren. Aber dafür sind wir sehr gut aufgestellt im Fall der Fälle.

Grundsätzlich gilt: Die Hilfsorganisationen haben in einem solchen Fall mit erhöhtem Einsatzaufkommen zu rechnen und sind vor besondere Herausforderungen gestellt. Eine flächendeckende Versorgung der gesamten Bevölkerung ist unmöglich.

Deshalb brauchen wir im Katastrophenfall die Mithilfe jedes einzelnen Bürgers. Mit einer guten Vorbereitung und Vorsorge jedes einzelnen erhöhen wir die Chance, eine flächendeckende Notfallsituation gemeinsam lösen zu können.

Wir werden in den kommenden Jahren den Katastrophenschutz weiterhin mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln ausbauen. Wichtig ist aber auch, die Bürger dafür zu sensibilisieren, um ein neues Verständnis für diese Herausforderungen zu entwickeln.

Sie haben es gerade angesprochen: Stichwort Notfallvorsorge. Allein das Wort schürt bei manchen Leuten Panik und verleitet zu Hamsterkäufen. Was raten Sie Privatpersonen, wenn es um die eigene Notfallvorsorge geht?

Karn: Es geht hier einzig und allein um Vorsorge für einen möglichen Notfall. Je besser jede/r einzelne Vorkehrungen in Bezug auf einen Stromausfall trifft bzw. getroffen hat, desto besser – ich möchte fast sagen – desto entspannter kommen wir durch einen möglichen Krisenmodus.

Denn Einsatzkräfte wie THW, Feuerwehr, Rettungsdienste können sich so beispielsweise viel besser auf die besonders schutzbedürftigen Gruppen konzentrieren. Sie können dann daran arbeiten, die Lage unter Kontrolle zu bringen und die dringendste Infrastruktur wiederherzustellen.

In einer solchen Situation erst mal 1.000 Anrufe von (gesunden!) Bürgern abzufangen, die im Dunkeln sitzen, ist wenig hilfreich und bindet wichtige Kräfte. Taschenlampen und die Gewissheit, dass Nahrung und Wasser für zirka 10 Tage im Haus sind, entschärfen die emotionale Lage und tragen insgesamt zur Entschärfung bei.

Ich vergleiche das gerne mit einem Campingausflug. Hier renne ich auch nicht in den Supermarkt und kaufe 10 Packungen Klopapier. Es geht bei der Vorsorge um einen realistischen Notvorrat und nicht um Hamstern!

Hamstern ist das Horten von Lebensmitteln oder anderen Dingen, die vermeintlich knapp werden könnten. Hamstern ist impulsiv, wenig durchdacht und unsolidarisch und hat viel schneller vermeidbare Engpässe zur Folge.

Ein Notvorrat hingegen wird in sicheren Zeiten gezielt mit dem Nötigsten angelegt. Er hilft dabei, Engpässe gemeinschaftlich zu überbrücken.

Die Website des Bundesamtes für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz bietet hier einen guten Wegweiser. Auch wir haben auf der Website der Stadt Bensheim unter dem Motto „Im Ernstfall gut vorbereitet“ die wichtigsten Informationen auf einen Blick zur Verfügung gestellt unter: www.bensheim.de/gut-vorbereitet.

Hier finden sich auch Informationen zur „hessenWARN“-App mit dem Modul „bensheimCITY“: Durch diese App beziehungsweise Schnittstelle ist sichergestellt, dass auch in Bensheim wichtige regionale Informationen über Ereignisse der Nutzer innerhalb kürzester Zeit als Push-Nachricht auf dem Smartphone zur Verfügung stehen.

Wir haben den glücklichen Umstand, dass wir in jedem Stadtteil noch funktionierende Feuerwehren haben. Diese werden wir im Ereignisfall besetzen. Die Herausforderung liegt darin, einen längeren Stromausfall zu erkennen und unsere Kräfte frühzeitig zu alarmieren.

Auch hier raten wir der Bevölkerung zur Selbstvorsorge: Habe ich beispielsweise einen gebrauchsfähigen Verbandkasten zu Hause? Sind benötigte Medikamente „auf Vorrat“ vorhanden? Habe ich in meiner Familie besonders schutzbedürftige Personen, um die ich mich kümmern muss (meine Oma im Rollstuhl, meine Schwester mit dem Säugling)?

Was sehr hilfreich ist: Spielen Sie die Situation gedanklich einfach mit Ihrer Familie durch: Wenn zum Beispiel kein Handy mehr geht, dann treffen wir uns alle bei Opa. Bei Opa wäre dann der zentrale Treff- und Anlaufpunkt.

Oder wenn keiner zu Hause ist, wird beispielsweise vereinbart, eine Nachricht auf dem Küchentisch zu hinterlassen, die regelt: Wer holt die Kinder im Notfall vom Kindergarten ab und bringt sie wohin und so weiter.

Wenn das vorher geklärt ist, dann wird man vom Ausfall des Handys nicht überrascht, sondern ist vorbereitet. Fällt der Strom aus, funktionieren auch Fernseher und Internet als Informationsquelle nicht mehr. Laptop und Handy fallen ebenfalls dann weg, wenn der Akku leer ist.

Daher empfiehlt es sich, ein batteriebetriebenes Radio und Reservebatterien im Haus zu haben, um auf dem Laufenden zu bleiben. Übrigens kann auch ein Solarradio oder Autoradio benutzt werden.

Stillstand darf es beim Bevölkerungsschutz nicht geben. Wie sehen daher die nächsten Schritte aus? Können Sie uns einen kleinen Ausblick geben?

Karn: Es ist geplant, weitere Anlaufstellen für die Bevölkerung zu schaffen, wenn (aus welchen Gründen auch immer) die Kommunikation gestört ist. Die Gebäude werden mit einem offiziellen Logo gekennzeichnet, damit die Bürger wissen, wo sie im Notfall Hilfe und Auskunft erhalten.

Aktuell fungieren, wie bereits erwähnt, die Feuerwehren als Leuchttürme und somit Anlaufstellen bei Notfällen. Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass dort nur eine grundlegende Unterstützung angeboten werden kann. Eine umfassende Versorgung oder eine Rundumbetreuung für Bürger ist nicht möglich.

Ein spannendes Thema ist auch ein Konzept für Spontanhelfer. Es kommt bei Unglücksfällen und Katastrophen oft vor, dass Helfern sich an der Einsatzstelle melden und ihre Arbeitskraft anbieten. Wir kennen das beispielsweise aus dem Ahrtal.

Damit diese Personen allerdings möglichst reibungslos und effektiv eingebunden werden können, müssen wir uns im Vorfeld Gedanken machen.

Das heißt: Die Helfer müssen registriert werden, sie müssen aufgrund ihrer Fähigkeiten eingeteilt werden. Sie müssen aber auch, das darf man nicht vergessen, versorgt werden. Damit werden wir uns in der nächsten Zeit befassen.

Ein nächstes größeres Ziel ist zudem, alle Dorfgemeinschaftshäuser einspeisefähig zu machen. Dafür müssen aber neben finanziellen Fragen auch organisatorische geklärt werden.

Im Aufbau befindet sich darüber hinaus ein Verwaltungsstab, der sich in einem Krisenfall unter anderem mit Verwaltungsfragen beschäftigt. Dafür müssen Mitarbeiter gewonnen und ausgebildet werden.

Wie sieht es mit der Umrüstung der Sirenen im Stadtgebiet aus?

Karn: Wir hatten im Gegensatz zu anderen Kommunen schon immer ein funktionierendes Sirenennetz. In Bensheim gibt es ein von der Feuerwehr erarbeitetes und durch die Stadtverordnetenversammlung verabschiedetes Sirenen-Konzept.

Es sieht vor, dass die alten Motorsirenen, die mit einem Ventilator laufen, durch eine elektronische Variante ersetzt werden. An zwei Standorten ist der Austausch mittlerweile erfolgt: Auf dem Parkhaus Süd sowie am Feuerwehrstützpunkt in der Robert-Bosch-Straße.

25 weitere Neuanschaffungen sollen in den nächsten Jahren die alten Anlagen ablösen. Die Mittel im Haushalt sind vorhanden.

Die wie bisher 27 Sirenen reichen künftig aus, um das komplette Stadtgebiet inklusive der jüngeren Neubau- und Gewerbegebiete abzudecken. Wir wären mit der Umsetzung gerne schon weiter vorangekommen. Die Aufträge sind vergeben.

Allerdings hängt der Zeitplan stark von der Verfügbarkeit der Fachfirmen ab, die deutschlandweit stark gefragt sind und noch immer volle Auftragsbücher haben.

Wir stehen mit den Sirenenbauer immer wieder im Austausch und bringen uns in Erinnerung. Wichtig ist: Wir sind grundsätzlich gut gerüstet und können die Bevölkerung im Katastrophenfall alarmieren.

Weitere Informationen unter www.bensheim.de/gut-vorbereitet