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Führt der >Bensheimer Weg< über den Marktplatz in die Sackgasse?

Eine vernünftige Lösung zur Gestaltung des Bensheimer Marktplatzes rund um das Areal des früheren Hauses am Markt liegt auch zehn Monate nach dem druch die Stadtverordneten beauftragten ergebnisoffenen städtebaulichen Ideenwettbewerbs ...

... noch immer nicht vor. Stattdessen plant die Stadtverwaltung jetzt ein sogenanntes Werkstattverfahren durchzuführen. Namhafte Verwaltungsrechtler halten dies übereinstimmend „keinesfalls rechtskonform durchführbar“. Archivfotos: er

Städtische Protagonisten wollen den durch Parlamentsbeschluss fixierten ergebnisoffenen städtebaulichen Ideenwettbewerb jetzt entgegen klarer rechtlicher Vorgaben in ein >Werkstattverfahren< umwandeln

BENSHEIM. - In einer Sondersitzung auf Antrag der CDU-Fraktion trat die Bensheimer Stadtverordnetenversammlung am 01. Dezember vergangenen Jahres dem Begehren der Bürgerinitiative >Bensheimer Marktplatz besser beleben< (BMBB) bei und befriedete damit einen gut zweijährigen heftigen Streit zwischen BürgerInnen und der Rathausspitze um die Belebung und Gestaltung des Bensheimer Marktplatzes.

Dieser Beschluss ersetzte den durch das erfolgreiche Bürgerbegehren erforderlichen Bürgerentscheid, der von der Stadtverordnetenversammlung zuvor schon auf den 17. Januar 2021 terminiert worden war und erlangte damit die Wirkung eines endgültigen Beschlusses der Stadtverordneten.

Der mit 29 Ja-Stimmen gegen 7-Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen gefasste Parlamentsbeschluss erteilte der Bensheimer Stadtverwaltung den klaren Auftrag zur „Durchführung der mit dem Bürgerbegehren vom 3. Juli 2020 verlangten Maßnahmen.

Umsetzung des begehrten städtebaulichen Ideen-Wettbewerbs beauftragt

Die Umsetzung des begehrten städtebaulichen Ideen-Wettbewerbs soll für die Ostseite des Marktplatzes unter Einbeziehung des gesamten Marktplatzareals erfolgen. Über den Verfahrensfortgang und das Ergebnis ist der Stadtverordnetenversammlung zu berichten.“

So lautet der damals gefasste Beschluss. Ergänzend wurde festgehalten: Das Ergebnis des Ideenwettbewerbs soll im Rahmen einer Bürgerinformationsveranstaltung dann vorgestellt werden. Der ursprünglich gefasste Beschluss zur Durchführung eines Bürgerentscheides am 17. Januar 2021 wurde aufgehoben.

Ausschließlich BI-Maßnahmen wurden durch den Parlamentsbeschluss fixiert

Der von der BI zuvor verwaltungsrechtlich via Bürgerbegehren erstrittene Bürgerentscheid beinhaltete klar und deutlich die Aufnahme des gesamten Ergebnisses des 2019 durchgeführten Bürgerdialogs.

Zur Basis eines ergebnisoffenen städtebaulichen Ideenwettbewerbs wurde damit neben der Option 1- oder 2-geschossige Bebauung auch die Aufnahme „keine Bebauung“. Auch „regionale Gastronomie“ spielte bekanntlich eine wichtige Rolle dabei. Ausschließlich diese Maßnahmen wurden somit durch den Parlamentsbeschluss fixiert.

Im April dieses Jahres wurde dann von der Stadtspitze der sogenannte >Bensheimer Weg< ins Leben gerufen, und die Kampagne „Gemeinsam für Bensheim – 365 Tage für die Zukunft unserer Innenstadt“ aufgesetzt.

Beschluss der Stadtverordnetenversammlung umsetzen

Intention war, für die Zukunft der Bensheimer Innenstadt kurz- und langfristige Lösungsansätze zu erarbeiten, und den Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 1. Dezember 2020 umzusetzen, einen städtebaulichen Ideenwettbewerb für den Marktplatz durchzuführen.

In der Praxis kamen in der Folge Verwaltung, VertreterInnen der Politik und der Stadtgesellschaft in regelmäßigen Abständen zusammen, „um über klar definierte Aufgabengebiete bzw. Fragestellungen zu diskutieren und zu Empfehlungen zu kommen, die in die politischen Entscheidungsprozesse einfließen sollen“.

Unterschiedlichen Teams ist das Steuerungs-Team, bestehend aus der Bürgermeisterin, der Ersten Stadträtin und dem Geschäftsführer der Stadttochter MEGB, vorgeschaltet. Dessen Aufgabenbereich umfasst insbesondere die Vorbereitung finaler politischer Entscheidungen sowie das zur Verfügung stellen von Ressourcen.

Verwaltungsvorlage für ergebnisoffenen städtebaulichen Ideenwettbewerb erarbeiten

Die Protagonisten kündigten an, man wolle „bis zum Ende der Sommerpause“ eine entsprechende Verwaltungsvorlage für den ergebnisoffenen städtebaulichen Ideenwettbewerb erarbeiten, die dann den politischen Gremien vorgestellt werden sollte. Eine solche liegt nach FACT-Recherchen bis dato jedoch nicht vor.

Vielmehr wurde jetzt bekannt, dass vorgeschlagen wird, anstatt des durch die Stadtverordneten beauftragten ergebnisoffenen städtebaulichen Ideenwettbewerbs ein so genanntes >Werkstattverfahren< durchzuführen und diese Änderung durch einen neuen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung absegnen zu lassen.

Wirkung eines endgültigen Beschlusses erlangt

Einem solchen Änderungsbeschluss setzt die Hessische Gemeindeordnung (HGO) allerdings klare Gesetzesvorgaben entgegen. Paragraf 8b der HGO besagt zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Absatz 7: „Der Bürgerentscheid, der die ….. erforderliche Mehrheit erhalten hat, hat die Wirkung eines endgültigen Beschlusses der Gemeindevertretung. Die Gemeindevertretung kann einen Bürgerentscheid frühestens nach drei Jahren abändern.“

Mit dem Parlamentsbeschluss vom 01. Dezember vergangenen Jahres, ist die Stadtverordnetenversammlung dem Bürgerbegehren beigetreten und ersetzte damit den ursprünglich erforderlichen Bürgerentscheid, der damit ebenfalls die Wirkung eines endgültigen Beschlusses erlangte, wie mehrere hochrangige Verwaltungsjuristen auf FACT-Anfrage bestätigten.

Nicht einmal das Beanstandungsrecht durch Bürgermeisterin, Magistrat oder Aufsichtsbehörde nach den Paragrafen 63 und 138 der HGO wäre für diesen Beschluss anwendbar.

Neuer Beschluss frühestens im Dezember 2023 möglich

Somit würde selbst im günstigsten Fall der Einstimmigkeit ein neuer Parlamentsbeschluss nach aktuell nur zehn Monaten nicht greifen und könnte frühestens zu Monatsbeginn Dezember 2023 auf den Weg gebracht werden.

Eine entsprechende FACT-Anfrage zur aktuellen Situation beantwortete die städtische Pressestelle wie folgt: „Da kommende Woche zu den von Ihnen angesprochenen Themen ein ausführliches Pressegespräch stattfinden wird, möchten wir Sie bitten, den Pressetermin zur Beantwortung Ihrer Fragen zu nutzen.“

Derweil konstatiert ein lokalpolitisch höchst interessierter Bensheimer Bürger: „Auf dieser Basis führt der >Bensheimer Weg< unweigerlich in die Sackgasse“ und sieht „die städtischen Protagonisten auf einem gewaltigen Irrweg“.