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„Feiert in Bensheim das alte Bergsträßer Landrecht Auferstehung?“

Der Stein des Anstoßes: Das bausubstanzlich noch völlig intakte >Haus am Markt< in Bensheim soll für 6,8 Millionen Euro abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Das Vorgehen der städtischen Verwaltung erzürnt die Bürger und vor allem direkt betroffene Nachbarn. Foto: er

Stadtverwaltung verweigert Antworten auf Presseanfragen zu widersprüchlichen Aussagen des Ersten Stadtrats und Baudezernenten Helmut Sachwitz im Zusammenhang mit geplantem Abriss und Neubau des >Hauses am Markt< + + + Betroffene Nachbarn sind erbost über städtisches Vorgehen

BENSHEIM. - Helmut Sachwitz, Erster Stadtrat und Baudezernent der Stadt Bensheim, verkündete im Zusammenhang mit dem geplanten Abriss und 6,8 Millionen Euro teuren Neubau des >Hauses am Markt< zuletzt wiederholt, innerhalb eines historischen Bestands wie in der Altstadt könne von den gängigen Abstandsflächen abgewichen werden.

Sachwitz verweist in diesem Zusammenhang auf die Landesbauordnung und die von der Stadt aufgestellte Satzung für die Innenstadt.

Ein Austausch mit der Bauaufsicht bei der Kreisverwaltung im Heppenheimer Landratsamt habe ergeben, dass auf dieser Grundlage auch beim Bauantrag entschieden werde. Mit den Nachbarn habe man gesprochen, deren Zustimmung brauche man jedoch formal gar nicht.

Gleichzeitig wird bekannt, dass Sachwitz und der Geschäftsführer des städtischen Tochterunternehmens Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim (MEGB), Helmut Richter, gemeinsam bei den Nachbarn um eben diese Unterschriften zur Zustimmung des Neubaus werben.

Stadtverwaltung beantwortet Fragen nicht

Zu diesem Themenkomplex hatte die FACT-Redaktion eine eilige Presseanfrage an die Pressestelle der Stadtverwaltung Bensheim gerichtet und um Antwort bis Donnerstag, 11. April, gebeten. Von dort kam jedoch weder eine Eingangsbestätigung der Anfrage noch die erbetene Antwort.

Auf telefonische Nachfrage erklärte der städtische Pressesprecher, Matthias Schaider, am heutigen Freitag, 12. April, die Fragen seien „abenteuerlich und mit Unterstellungen gespickt“. Auf konkrete Nachfrage sagte er, „derzeit werde die Stadt diese Fragen nicht beantworten“.

Verstoß gegen das hessische Pressegesetz

Mit dieser Positionierung verstößt die Stadtverwaltung Bensheim eindeutig gegen das hessische Gesetz über Freiheit und Recht der Presse. Dieses besagt in § 3,1 ohne Interpretationsspielraum: „Die Behörden sind verpflichtet, der Presse die gewünschten Auskünfte zu erteilen.“

Die von der FACT-Redaktion gestellten Fragen widersprachen auch in keiner Weise den Einschränkungen zu diesem Paragrafen, der Ausnahmen lediglich zulässt,

- soweit durch die Beantwortung die sachgemäße Durchführung eines straf- oder dienststrafgerichtlichen Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte;

- soweit Auskünfte über persönliche Angelegenheiten einzelner verlangt werden, an deren öffentlicher Bekanntgabe kein berechtigtes Interesse besteht;

- und soweit Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse liegen, durch ihre vorzeitige öffentliche Erörterung vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnten.

Keine dieser Einschränkungen gegeben

Keine dieser Einschränkungen ist bei den nachfolgend aufgelisteten Fragen, deren Beantwortung von der Bensheimer Stadtverwaltung verweigert wurden, gegeben. Die Fragen lauteten wie folgt:

  1. Seit wann kann eine städtische Satzung die HBO (Anmerkung: Hessische Bauordnung) aushebeln?

  2. Welche Paragrafen der HBO bilden dazu die Rechtsgrundlage?

  3. Weshalb versuchen Helmut Sachwitz und der MEGB-Geschäftsführer, Helmut Richter, als Bauherr, unisono, die Nachbarn per Unterschriften zur Zustimmung für die mit dem Neubau einher gehenden verringerten Abstandsflächen zu bewegen, wenn dies angeblich doch nicht nötig ist?

Nachbarn sind erbost über das Gebaren der städtischen Verwaltung

Verwaltungsjuristen sehen in der Verweigerung der Antworten auf diese Fragen einen klaren Verstoß gegen das hessische Presserecht. Die FACT-Redaktion wird deshalb dienstaufsichtliche Maßnahmen ergreifen.

Betroffene Nachbarn am Bensheimer Marktplatz, die nach Aussagen des Baudezernenten Sachwitz angeblich nicht gefragt werden müssten, denen aber gleichzeitig nahe gelegt wurde ihre Zustimmung per Unterschrift zu den im Bauplan verkürzten Grenzabstandsflächen zu gewähren, sind erbost über das Gebaren der städtischen Verwaltung.

So stellte jetzt einer der erzürnten Nachbarn zum Haus am Markt die rhetorische Frage: „Feiert in Bensheim das alte Bergsträßer Landrecht zur Osterzeit 2019 fröhliche Auferstehung?“