Millionenloch in Bensheimer Haushalt verursacht riesige Probleme
Bürgermeisterin Christine Klein: „An der Erhöhung der Grundsteuer B führt aus Verwaltungssicht kein Weg vorbei“ + + + Nachtragsetat 2024 mit gestrichenen Aufwendungen in Höhe von 8,6 Millionen Euro eingebrachtBENSHEIM. - Der zu Jahresbeginn von Bürgermeisterin und Finanzdezernentin Christine Klein vorgelegte städtische Etat 2024 für Bensheim wies im Ergebnishaushalt ein Defizit von 12,5 Millionen Euro aus.
„Kein Problem“, verlautete damals aus dem Rathaus, denn der Verlust könne mit vorhandenen Rücklagen aus nicht getätigten Investitionen ausgeglichen werden und der Haushalt 2024 sei genehmigungsfähig.
Tatsächlich folgte die Genehmigung des Zahlenwerks durch die Aufsichtsbehörde beim Regierungspräsidium (RP) in Darmstadt wenige Wochen später.
Der Schock folgte bekanntlich zur Jahresmitte: Steuerrückzahlungen, insbesondere an den mit deutlich über 2.000 Mitarbeitern größten Arbeitgeber der Stadt, Dentsply Sirona, ließen die Alarmglocken im Rathaus schrillen.
30,7 Millionen Euro Steuer-Rückerstattungen für die Jahre 2022 und 2023
30,7 Millionen Euro waren es schlussendlich, die insgesamt an Bensheimer Firmen an Rückzahlungen für überzählige Steuervorausleistungen aus den Jahren 2022 und 2023 erstattet werden mussten. Daraus folgte eine vom Magistrat im Juni sofort verhängte Haushaltssperre, weshalb seither lediglich noch Pflichtleistungen vorgenommen werden dürfen.
Jetzt brachte Christine Klein den fälligen Nachtragshaushaltsplan 2024 sowie das erforderliche Haushaltssicherungskonzept im Stadtparlament ein. Und die Aussichten wurden auch knapp fünf Monate nach Bekanntwerden des Millionendefizits keineswegs besser.
Künftig jährlich rund 20 Millionen Euro weniger Steuereinnahmen
„Neben dem aktuellen Jahresminus, das sich derzeit auf 43,2 Millionen Euro beläuft“, müsse man auch in den kommenden Jahren mit jeweils mindestens 20 Millionen Euro an Mindereinnahmen rechnen, zeichnete die Bürgermeisterin ein düsters Bild.
Vor dem Hintergrund, dass nach Rücksprache mit den Aufsichtsbehörden bis 2027 ein ausgeglichener Etat vorgelegt werden müsse, stehe man vor einer Mammutaufgabe, die nur mit Bündelung aller Kräfte bewältigt werden könne.
„An der Erhöhung der Grundsteuer B führt aus Verwaltungssicht kein Weg vorbei“, skizzierte Klein den steinigen Weg, „den alle Bürger der Stadt gehen müssen“, wenn man den Haushaltsausgleich schaffen wolle.
„Die Finanzen sanieren und unsere Werte erhalten“
Gemeinsames Ziel müsse es sein, „die Finanzen zu sanieren und unsere Werte zu erhalten“, denn die Finanzkrise betreffe gleichermaßen alle Bürger, den Handel wie das Gewerbe, ergo „alle Menschen, die hier leben und die Angebote in unserer Stadt nutzen und schätzen“.
Der jetzt vorgelegte Nachtragsetat, umfasst im Ergebnisbereich 133,8 Millionen Euro an Ausgaben und beinhalte geschätzte Pflichtleistungen von 111,75 Millionen Euro. Das verdeutliche, dass für freie Investitionen nur gut 20 Millionen verbleiben.
24 Aufwendungen in Höhe von zusammen 8,6 Millionen Euro gestrichen
Von diesen Vorhaben seien gegenüber dem originären Haushalt bereits 24 Aufwendungen in Höhe von zusammen 8,6 Millionen Euro gestrichen, sagte Klein.
Der Höchstbetrag der Kassenkredite, die zur Liquiditätssicherung in Anspruch genommen werden dürfen, wird von seither null im originären Jahresetat auf 20 Millionen Euro erhöht.
Insgesamt beklagte die Bürgermeisterin, dass den Kommunen immer mehr neue Aufgaben von Bund und Land übertragen werden „für die kein Ausgleich erfolgt“. Das sei nicht mehr hinnehmbar. Die Welt, in der wir leben, sei so dynamisch, „dass die Zahlen, die wir heute prognostizieren, übermorgen vielleicht schon gar nicht mehr stimmen“.
Konkret nannte Klein dazu die Rahmenbedingungen für Standesamt, Anforderungen bei der Digitalisierung, Standards bei der Kinderbeutreuung und Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung.
Kinderbetreuung verursacht erhebliches Defizit
Zu den Pflichtleistungen zählen beispielsweise die umfangreichen Leistungen bei der Kinderbetreuung. Ein Platz in der Betreuungseinrichtung Kappesgärten koste die Stadt 1.371 Euro je Monat.
Nach Abzug der Landesförderung und der Gebührenzahlungen der Eltern verbleibe ein monatlicher Zuschussbetrag der Stadt Bensheim pro Platz je Monat in Höhe von 917 Euro.
Der Kita-Besuch wurde vom Land Hessen vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt sechs Stunden pro Tag gebührenfrei gestellt. Das Land erstattet hierfür jedoch aktuell lediglich 149 Euro je Platz und Monat, im kommenden Jahr dann mit 152 Euro unwesentlich mehr.
Landesentscheidung verursacht 1,694 Millionen Defizit
„Nach Abzug der Erstattung durch das Land Hessen verbleibt ein Fehlbetrag bei den nicht erstatteten Gebühren von 88 Euro pro Platz und Monat. „Hier entsteht der Stadt ein Fehlbetrag von 88 Euro pro Kitaplatz und Monat.“ Bei 1.603 Kitaplätzen summiere sich die Entscheidung des Landes auf ein Defizit von jährlich sage und schreibe 1,694 Millionen Euro.
„Wer mich kennt weiß, dass ich alleine aus Frauen- und Familienpolitischen Gründen und innerer Überzeugung hinter einer flächendeckenden Betreuung unserer Kinder stehe. Wir investieren sehr gerne in unsere Kinder.“
„Finanzlage und gesetzliche Bestimmungen zwingen uns die Realsteuern anzupassen“
Aber die Höhe des Defizits im Haushalt sei nicht alleine über den Haushalt selbst zu kompensieren. „Die Finanzlage und die gesetzlichen Bestimmungen zwingen uns die Realsteuern anzupassen.“
Den Gewerbesteuer-Hebesatz greife man jedoch ganz bewußt nicht an, „denn wir wollen in keinem Fall damit einhergehende Abwanderungen von Unternehmen riskieren. Die Gewerbetreibenden beteiligen sich alleine über die Grundsteuererhöhung.“
Man habe sich diese Entscheidung wirklich nicht leicht gemacht, denn die Hebesatz-Erhöhung sei alles andere als schön. „Meine Kollegen im Magistrat und ich waren uns der damit einhergehenden Belastungen für unsere Bürger sehr wohl bewusst.“
„Grundsteuer B ist risikoärmere und gerechtere Steuer unter den Realsteuern“
Andere Steuern jenseits der Grundsteuer B könnten zur Haushaltskonsolidierung nur unwesentliche Beiträge leisten konstatierte Christine Klein. Das sei auch die Auffassung der Kommunalberatung.
„Die Grundsteuer B ist die risikoärmere und gerechtere Steuer unter den Realsteuern“, sei von dort verlautet, „denn sowohl Grundstückbesitzer, Vermieter und Mieter als auch Gewerbetreibende müssen diese Grundsteuer B bezahlen.“
Haushaltsausgleich soll innerhalb von fünf Jahren erfolgen
Nicht zuletzt stehe man wegen der Landesvorgabe, dass der Haushaltsausgleich innerhalb von fünf Jahren erfolgen soll, unter Zugzwang. Einem städtischen Vorschlag, die Haushaltskonsolidierung auf zehn Jahre zu erstrecken, wurde abgelehnt.
Jetzt plane der Magistrat eine Nachhaltigkeitssatzung zu erarbeiten, die eine Reduzierung des Hebesatzes in Aussicht stellt, sobald der städtische Haushalt wieder in sichere Fahrwasser gelangt.
„Die Einsparungen machen es erforderlich, zwischen dem Notwendigen und Machbaren auf der einen und dem Wünschenswerten auf der anderen Seite abzuwägen. Diesen Prozess wollen wir gemeinsam mit gestalten“, bot Klein allen Bürgern Mitwirkung an.