„Unverschämtheit: Bensheimer Magistrat nimmt starke Bürgergruppe nicht ernst“
Alle vier Bürgermeisterkandidaten, die Amtsinhaber Rolf Richter am 1. November 2020 herausfordern, stellen sich hinter die BI und fordern die Terminzusammenlegung des Bürgerentscheids mit der Kommunalwahl am 14. März 2021BENSHEIM. - „Bei einem sehr großen Teil der BürgerInnen, die das Bürgerbegehren unterzeichnet haben, ruft das aktuelle Ansinnen der Stadtspitze, den Bürgerentscheid für den 17. Januar 2021 zu terminieren, Empörung hervor“, sagt Gundula Bunge-Glenz im Vorfeld der Sitzung der Stadtverordneten am Donnerstag, 17. September.
Die Vertrauensperson der Bürgerinitiative >Bensheimer Marktplatz besser beleben< bringt den städtischen Mandatsträgern in Erinnerung, unter welchen Schwierigkeiten die BI aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Kontaktsperre das für das Bürgerbegehren erforderliche Quorum erfüllen musste.
Erst nach einer Empfehlung des Verwaltungsgerichts gewährte der Magistrat „Verlängerung“
Selbst einer entsprechenden Empfehlung des hessischen Innenministeriums widersetzte sich Bürgermeister Rolf Richter samt seines Magistrats und verweigerte der BI zunächst, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum Ablauf der kompletten Kontaktsperre.
Erst nach einer entsprechenden Empfehlung des durch die BI bemühten Verwaltungsgerichts entsprach der Bensheimer Magistrat bekanntlich dem demokratischen Ansinnen der Bürgerinitiative und gewährte eine 17-tägige „Verlängerung“ zur Unterschriftensammlung, um die zuvor fehlende gesetzlich zugestandene Zeit zu kompensieren.
Bekanntlich konnte die BI dann mit vorgelegten 3.849 Unterstützer-Unterschriften das erforderliche Quorum erreichen.
Rund 350 Unterschriften zählten nicht
Rund 350 Bensheimer BürgerInnen, die nach einer Briefkasten-Aktion der BI noch während der Kontaktsperre ihre Unterschrift auf dem Postweg geleistet hatten, fanden keine Berücksichtigung, weil diese Unterschriften nach der „Einsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens“ hätten im Nach-Lockdown-Zeitraum erneuert werden müssen, die betreffenden Personen aber in der Kürze der Zeit nicht angetroffen werden konnten.
Zählt man diese Unterschriften hinzu, ergibt sich selbst unter Berücksichtigung von 148 Mehrfachunterschriften noch eine Gesamtsumme von mehr als 4.000 BI-Unterstützern für einen Bürgerentscheid.
Das sind mehr als 12,6% der wahlberechtigten Bürger und nach Prüfung und Reduzierung durch die Stadt immer noch 10,54%, die nicht gehört und ernst genommen werden.
Mehr BI-Unterstützer als die zweitstärkste Fraktion prozentual derzeit auf sich vereint
Im Vergleich dazu liegt die CDU in Bensheim als stärkste Fraktion im Stadtparlament – bezogen auf wahlberechtigte Bürger – aktuell noch bei 16,35% und die zweitstärkste SPD-Fraktion bei „nur“ 8,59%.
„Statt dieser starken Bürgergruppe Gehör zu schenken, ruft der Magistrat in den Ausführungen zu seiner Beschlussvorlage für die anstehende Stadtverordnetenversammlung die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bensheim dazu auf, im Bürgerentscheid mit NEIN zu stimmen.
„Wahlbeteiligung soll wohl ungünstig beeinflusst werden“
Und entkoppelt mit der Terminfixierung auf den 17. Januar 2021 den Bürgerentscheid von der Wahl der Stadtverordneten am 14.03.2021 mit der Begründung, Zeit sparen zu wollen.“
Aber jeder informierte Bürger durchschaue sehr genau, worum es dem von Bürgermeister Richter geführten Magistrat dabei gehe. „Die Wahlbeteiligung – nur eine Woche nach den Weihnachtsferien und zu einem Zeitpunkt, wo sich noch viele Bürger im Winterurlaub befinden – soll wohl ungünstig beeinflusst werden.
Außerdem werden auch deutlich mehr Kosten produziert und sowohl den Bürgern als auch den Wahlhelfern unnötiger Aufwand zugemutet.“
BI bleibt bei ihrer legitimen Forderung
Ungeachtet dieses erneut sehr fragwürdigen Vorgehens des Bensheimer Magistrats bleibe die BI bei ihrer legitimen Forderung, es müsse sichergestellt sein, dass die Ergebnisse des Bürgerdialogs in Form der drei Eckpunkte (Nullbebauung, wie 1- und 2-geschossiges Gebäude) sowie der Wunsch nach identitätsstiftender, regionaler Gastronomie, auch tatsächlich in den Wettbewerb aufgenommen werden.
Befragt nach ihrer Position zum bevorstehenden Bürgerentscheid erklären sich die vier Herausforderer des Amtsinhabers bei der Bürgermeisterwahl am 1. November 2020 solidarisch mit der BI und ihrer starken Unterstützergemeinschaft.
Im Einzelnen äußerten sich die KandidatInnen wie folgt:
Manfred Kern (GRÜNE): Es ist bekannt, dass ich ein Verfechter des Anliegens der BI bin, und die Bürgerinnen und Bürger darüber befinden, wie der Bensheimer Marktplatz gestaltet werden soll.
Für mich ist es auch alleine aus Kostengründen selbstverständlich, dass dieser Bürgerentscheid zusammen mit den Kommunalwahlen am 14. März stattfinden muss.“
Christine Klein (unabhängig): „Das Bürgernetzwerk hat zur Belebung des Bensheimer Marktplatzes im Zusammenwirken mit rund 200 Bürgern sehr gute Arbeit geleistet. Leider fanden die im Dialog erarbeiteten Ergebnisse in der von Bürgermeister Rolf Richter geführten Stadtverwaltung, dem Magistrat und letztlich dann auch in der Stadtverordnetenversammlung kein entsprechendes Gehör.
Aus drei erarbeiteten Gestaltungsoptionen von keinem Gebäude am Standort des im Vorjahr abgerissenen Hauses am Markt über eine ein- und zweigeschossige Bauvariante erfolgte schon vor dem Architektenwettbewerb die Festlegung auf ein eingeschossiges Gebäude.
Dies nimmt den Gestaltungsfachleuten wie Städteplanern und Architekten nahezu jeden Gestaltungsspielraum. So wird der im Dialog geäußerte Bürgerwille erneut auf die Ansichten weniger Entscheidungsträger reduziert und damit auch konterkariert.
Völlig unstrittiger Konsens war im Bürgerdialog die Ansiedlung einer identitätsstiftenden regionalen Gastronomie am Marktplatz. Selbst dieser einmütige Bürgerwunsch bleibt im von Rolf Richter geführten Rathaus offenbar unberücksichtigt. Das verdeutlicht ein entsprechender Pressebericht Mitte Juli 2020: Noch immer wird die Ansiedlung der Systemgastronomie Café Extrablatt präferiert.
Das undemokratische Vorgehen der Stadtverwaltung zeigt sich aktuell auch an dem vorgeschlagenen Termin zur Durchführung des von der Bürgerinitiative auf den Weg gebrachten Bürgerentscheids in dieser Angelegenheit.
Der Bürgerentscheid soll am 17. Januar, nur wenige Wochen vor der am 14. März terminierten Kommunalwahl, zu einem Extratermin durchgeführt werden.
Ist das Ziel der Entscheidungsträger, die Wahlbeteiligung gering zu halten? Eine Woche nach Ende der Weihnachtsferien, zu einem Zeitpunkt bei dem auch noch viele Winterurlauber unterwegs sind, scheint dieses Ansinnen auf jeden Fall erfolgversprechender als Mitte März.
Dabei lassen die Protagonisten Synergieeffekte, die ein gemeinsamer Termin ermöglicht, völlig außen vor. So werden dabei belastende doppelte Termine für Wahlhelfer und insbesondere vermehrte Kosten für Wahlhelfer und Wahllokale völlig vernachlässigt bzw. billigend in Kauf genommen.“
Stefan Stehle (FDP): „Die von Bürgermeister Rolf Richter und seinem Magistrat vorgelegte Entscheidungsempfehlung für die Stadtverordnetenversammlung sehe ich als Unverschämtheit.
Das gilt sowohl für die vorgesehene Terminierung des Bürgerentscheids zum 17. Januar 2021 als auch für die Empfehlung zur negativen Stimmabgabe.
Damit wird einerseits eine starke Bürgergruppe, die sich für ihre Stadt engagiert, vor den Kopf gestoßen, und andererseits werden auch erhebliche Zusatzkosten durch einen doppelten Urnengang verursacht. Das gilt es bei diesem Entscheidungsprozess zu bedenken und zu korrigieren.“
Frank Richter (unabhängig): „Prinzipiell bin ich für den Bürgerentscheid. Das Gebäude wurde ohne Berücksichtigung des Bürgerwillens abgerissen und neu projektiert. Daher sehe ich es als wichtig, die bereits auf den Weg gebrachten Anregungen der Bensheimer zu berücksichtigen.
Bezüglich der Terminierung war ich mir zunächst uneins, da sich das Projekt >Haus am Markt< seit geraumer Zeit zieht. Die Punkte, dass ein Teil der Bensheimer eventuell nicht in der Ausübung des Stimmrechts berücksichtigt werden können oder der zusätzliche Kostenansatz haben jedoch durchaus Gewicht, sodass ich diesen vorgezogenen Termin als falsch erachte.
Letztendlich ist auch der zeitliche Aspekt von zwei Monaten nicht mehr so relevant. Allein der Bauschutt brauchte sehr viele Monate länger um beseitigt zu werden.“