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Ein „Kuckuckskind“ aus Rodau unter den >Total lokalen< Bensheimer CDU-Bewerbern

So bewirbt sich Carmelo Torre um ein weiteres Mandat in der Bensheimer Stadtverordnetenversammlung, in der er seit mindestens zwei Legislaturen widerrechtlich CDU-Interessen vertritt.

In diesem Haus im Zwingenberger Stadtteil Rodau wohnt Carmelo Torre seit mehr als einem Jahrzehnt gemeinsam mit seiner Familie. Fotos: er

Carmelo Torre wohnt seit mehr als einem Jahrzehnt gemeinsam mit seiner Familie im Zwingenberger Stadtteil Rodau, bewirbt sich aber auf Platz 4 der CDU-Liste um ein weiteres Mandat in der Bensheimer Stadtverordnetenversammlung

BENSHEIM. - >Total lokal< - unter diesem Slogan werben die Kandidatinnen und Kandidaten der Bensheimer CDU um Sitze in der künftigen Stadtverordnetenversammlung der größten Stadt im Landkreis Bergstraße.

Unter die Gruppe der 45 christdemokratischen BewerberInnen hat sich nach aktuellen FACT-Recherchen jedoch ein „Kuckuckskind“ gemischt, das den Slogan als Etikettenschwindel enttarnt.

Auf Platz 4 der aktuellen Wahlliste kandidiert für die CDU mit Carmelo Torre ein Bewerber in seiner Heimatstadt, der längst nicht mehr in Bensheim, sondern in Rodau, einem Stadtteil im benachbarten Zwingenberg, lebt.

Dort hat Carmelo Torre vor mehr als einem Jahrzehnt ein Haus erbaut und wohnt seit dessen Fertigstellung in diesem Domizil mit seiner Familie. Demzufolge schließt sich das passive Wahlrecht, die Wählbarkeit, für Carmelo Torre in Bensheim aus.

Ort der Hauptwohnung als wahlrechtlicher Wohnsitz

Marcus Gerngroß, stellvertretender Pressesprecher des Landeswahlleiters, erklärte auf FACT-Anfrage: „Das passive Wahlrecht für ein kommunales Mandat erfordert u.a. einen mindestens dreimonatigen Wohnsitz im jeweiligen Wahlkreis.

Bei Inhabern von Haupt- und Nebenwohnungen im Sinne des Melderechts gilt der Ort der Hauptwohnung als wahlrechtlicher Wohnsitz. Entscheidend für das passive Wahlrecht ist daher in diesen Fällen die melderechtliche Abgrenzung der Haupt- und Nebenwohnung.

Melderechtlich ist die Hauptwohnung die überwiegend benutzte Wohnung des Einwohners und Nebenwohnung ist jede weitere Wohnung des Einwohners im Inland (§ 21 Abs. 2 und 3 Bundesmeldegesetz (BMG)). Zur Bestimmung der Hauptwohnung enthält § 22 BMG Vorgaben.

„Hauptwohnung ist die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie oder der Lebenspartner“

So ist z.B. die Hauptwohnung eines verheirateten oder eine Lebenspartnerschaft führenden Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie oder seinem Lebenspartner lebt, die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie oder der Lebenspartner.“

Im Fall Carmelo Torre ist somit unzweifelhaft das von ihm in Rodau erbaute Haus, in dem er seit vielen Jahren mit seiner Familie lebt, der Hauptwohnsitz. Ein Erster Wohnsitz in Bensheim wäre somit ein Scheinwohnsitz. In seinem Elternhaus in der Aulstraße, in dem Torres Mutter nach wie vor lebt, könnte er bestenfalls einen Zweitwohnsitz unterhalten.

Vor diesem Hintergrund ist Carmelo Torre mindestens seit zwei Legislaturen widerrechtlich Mitglied in der Bensheimer Stadtverordnetenversammlung. Auch die erneute Bewerbung zur Kommunalwahl am Sonntag, 14. März, für ein weiteres Mandat in diesem Gremium ist nicht rechtens.

Sie muss von Wahlleiterin Nicole Rauber-Jung beanstandet und korrigiert werden, denn „die Überwachung der melderechtlichen Vorgaben obliegt den Meldebehörden. Sofern sie Kenntnis von einer unzutreffenden Bestimmung einer Haupt- und Nebenwohnung erhalten, haben sie das Melderegister zu berichtigen“, betont Marcus Gerngroß.

Carmelo Torre kann zwar gewählt werden, darf sein Mandat jedoch nicht annehmen

Somit kann Carmelo Torre „nach den Bestimmungen des Wahlrechts am 14. März 2021 zwar gewählt werden, darf sein Mandat jedoch nicht annehmen“, wie der Sprecher des Landeswahlleiters weiter ausführt.

„Die Zulassung der Wahlvorschläge und damit der Bewerber für die Gemeinde- und Ortsbeiratswahlen oblag ausschließlich den Gemeindewahlausschüssen und die Zulassung der Wahlvorschläge für die Kreiswahl oblag den Kreiswahlausschüssen (§ 15 Abs. 1 Hessisches Kommunalwahlgesetz (KWG)).

Die Zulassung der Wahlvorschläge bzw. deren Zurückweisung musste am 58. Tag vor der Wahl erfolgen (= 15. Januar 2021). Mit den Wahlvorschlägen mussten die Parteien und Wählergruppen für jede Bewerberin und für jeden Bewerber eine Bescheinigung über deren Wählbarkeit vorlegen. Zuständig für die Ausstellung dieser Bescheinigungen war der jeweilige Gemeindevorstand.

Nach der Zulassung der Wahlvorschläge können diese nicht mehr geändert oder zurückgenommen werden (§ 13 Abs. 3 KWG). Bei einem Verlust des passiven Wahlrechts nach der Zulassung, z.B. durch einen Wohnungswechsel in einen anderen Wahlkreis oder eine Änderung der Haupt- und Nebenwohnung, würde die betroffene Bewerberin bzw. der betroffene Bewerber daher auf dem Stimmzettel bleiben und könnte auch gewählt werden, würde aber im Fall der Wahl kein Mandat erhalten (§ 22 Abs. 6 KWG)“, heißt es abschließend aus dem Büro des Landeswahlleiters.

Torre: „Unterhalte in Rodau lediglich einen Zweitwohnsitz“

Carmelo Torre selbst mit den Fakten um seine widerrechtliche Kandidatur in Bensheim konfrontiert, erklärte der FACT-Redaktion, er habe seinen ersten Wohnsitz nach wie vor in Bensheim.

Er arbeite in Bensheim und sei hier auch in vielen Vereinen aktiv. In Rodau unterhalte er lediglich einen Zweitwohnsitz. Einen dritten Wohnsitz habe er gar noch in Italien, dem Geburtsland seiner Eltern.

Der Aussage seiner Mutter, die auf FACT-Anfrage erklärt hatte, ihr Sohn lebe in Rodau, widersprach Torre mit dem Hinweis, seine Mutter sei der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig, und verwahrte sich davor seine „Mutter in dieser Angelegenheit zu belästigen“.

CDU-Stadtverbandsvorsitzender Tobias Heinz weiß nichts um die Wohnsituation Torres

CDU-Stadtverbandsvorsitzender Tobias Heinz erklärte auf FACT-Anfrage, er wisse nichts von der Wohnsituation seines langjährigen Fraktionskollegen Carmelo Torre. „Wenn er seinen Ersten Wohnsitz nicht in Bensheim hätte, könnte er hier ja nicht kandidieren“, erklärte Heinz lapidar.

Die Wahlleiterin der Stadt Bensheim, Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung, war für eine Stellungnahme am heutigen Freitagnachmittag nicht erreichbar.