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Windkraft: Naturschützer weisen geschützte Schwarzstorchpaare rund um den Kahlberg nach

Schwarzstörche wurden von Mai bis August 2017 z. B. in folgenden Gebieten rund um den Kahlberg gesichtet in Ober-Mossau, Hauptstraße;

in Hiltersklingen, Ortsweg;

in Hiltersklingen, Schmerbachtal;

in Hiltersklingen, Schmerbachtal;

in Hiltersklingen, B460, Wiesental;

in Hiltersklingen, B460, Wiesental, sowie an zahlreichen weiteren Orten.

Der Verein für Naturschutz und Gesundheit südlicher Odenwald e.V. und MUNA e.V. sehen Windräder auf dem Kahlberg als „artenschutzfachliche Katastrophe für den Schwarzstorch“

ODENWALD / MOSSAUTAL. - Im Auftrag des Vereins für Naturschutz und Gesundheit südlicher Odenwald e.V. und in Zusammenarbeit mit MUNA e.V. konnte das Büro für Faunistik und Landschaftsökologie des renommierten Ornithologen Dirk Bernd (Lindenfels) durch eine neue Studie eindrucksvoll belegen, „dass das derzeit in Bau befindliche Windindustrieprojekt am Kahlberg einer artenschutzfachlichen Katastrophe für den Schwarzstorch gleichkommt“.

Die neue Studie enthält valide Raumnutzungsdaten und Verhaltensbeobachtungen zum Schwarzstorch, die auf zwei Revierpaare im Tabu- und Prüfbereich des Kahlbergs schließen lassen und die Funktionsraumbeziehungen zwischen den Revierzentren und Nahrungshabitaten der beiden Paare eindrücklich darstellt, so der ebenfalls als Gutachter arbeitende Geograph Michael Hahl von der Initiative Hoher Odenwald - Verein für Landschaftsschutz und Erhalt der Artenvielfalt e.V. (IHO).

„Somit sind die Verbotstatbestände der Tötung durch eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos und einhergehend die erhebliche Schädigung der Lokalpopulation bei Planumsetzung der Windindustrieanlagen nach den vorliegenden Studien zweifelsfrei mit höchster Prognosesicherheit gegeben“, sagt Michael Karb von der Bürgerinitiative Kahlberg.

Die Studie bestätigt und konkretisiert demnach die bereits in 2016 dokumentierten Beobachtungen, die mindestens ein Revierpaar im Prüfbereich nachweisen, und auch die in 2017 weiterführenden Beobachtungen. Aktuell könne in 2017 von mindestens zwei Revierpaaren im Prüfbereich zum Kahlberg ausgegangen werden.

Weiterhin könne fachlich valide belegt werden, dass im Tabubereich zum Plangebiet „Kahlberg“ und weiterer Winkraft-Vorhabensgebiete, wie „Stotz/Range“ (Lindenfels/Reichelsheim), mindestens ein Revierpaar vorkommt, das bisher übersehen wurde, stellt Dirk Bernd fest.

„Die Genehmigung und der Bau von Windindustrieanlagen im Bereich Kahlberg sind somit artenschutzfachlich und artenschutzrechtlich unter unzureichender Datenlage der Planerseite und ganz offensichtlich aufgrund mangelhafter Berücksichtigung der bisherigen vorgelegten Gutachten unabhängiger Gutachter, Institutionen und Naturschutzverbände wie des NABU vom Regierungspräsidium Darmstadt genehmigt worden.“

Sowohl die Bürgerinitiative Kahlberg, der Verein für Naturschutz und Gesundheit südlicher Odenwald e.V., MUNA e.V. und der NABU-Odenwaldkreis hätten immer wieder Schwarzstorch-Sichtungen gemeldet und ihre Bedenken ausgesprochen.

Zuletzt sei selbst das von BERND 2016 vorgelegte konkrete Schwarzstorchgutachten von den Genehmigungsbehörden schlichtweg ignoriert worden, sagt Michael Karb.

„Vor diesem Hintergrund der neuesten Erkenntnisse ist die Genehmigung der Windindustrieanlagen am Kahlberg nicht nur in Zweifel zu ziehen sondern unverantwortlich, denn es ist mit höchster Prognosesicherheit mit erheblichen Umweltschäden an der sich ohnehin in ungünstigem Erhaltungszustand befindlichen Lokalpopulation beim Schwarzstorch zu rechnen“, erläutert Martina Limprecht vom NABU-Odenwaldkreis.

Die BI-Kahlberg sieht in der neuen Expertise einen eindrucksvollen Nachweis, ihrer vorgelegten Einwandschreiben bezüglich des Schwarzstorchvorkommens im nahen Umfeld des Kahlberges. „Die bisherige Argumentation der Windkraftprojektierer, dass der Schwarzstorch am Kahlberg nur ein durchreisender Gast wäre, konnte mit sehr vielen eindrucksvollen Bildern und zahlreichen Berichten eindeutig widerlegt werden“, betont Karb.

Auch die bereits 2016 vorgelegten Stellungnahmen der Natur- und Artenschutzvereine Initiative Hoher Odenwald e.V., Bundesnaturschutzinitiative e.V. und der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e.V. könnten nicht länger von den zuständigen Behörden ignoriert werden.

„Dass, in der schnellstens erteilten Baugenehmigung, ein Passus mit einer Ausnahme-Tötungserlaubnis für Mäusebussarde aufgenommen werden musste, die Existenz von Wespenbussard, Schwarz- und Rotmilanen am Kahlberg abgestritten wurde (trotz vielen Bildern und Horstkartierungen), 12 Fledermausarten gefährdet werden und Haselmäuse entgegen den EU-Artenschutzrichtlinien überhastet umgesiedelt wurden, führte leider nicht zur Erkenntnis, dass eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen wäre.“ Stattdessen habe man sogar den Sofortvollzug erlaubt „um den Betreiber vor finanziellen Nachteilen durch sinkende staatliche Zuschüsse zu bewahren“.

Spätestens jetzt sollte aber jedem verantwortungsbewussten Menschen klar sein, dass die geplante Windkraftanlage auf dem Kahlberg artenschutzrechtlich völlig unvertretbar sei. „Auch der seltene Schwarzstorch hat ein Recht auf den Lebensraum Odenwald – nicht nur der Mensch!“

Die BI-Kahlberg werde sich weiter mit voller Kraft für den Natur-und Artenschutz einsetzen und bedankt sich für die aktive Unterstützung von umweltbewussten Bürgern und großzügigen Spendern.

Hintergrundinformationen

Der gesamte Odenwald beherbergt eine Schwarzstorchpopulation, vergleichbar mit der des Vogelschutzgebietes-Vogelsberg in 2004, von mindestens 14 Revierpaaren, die bis 2016 nachgewiesen wurden. Nach neueren Daten (Schwarzstorchstudie 2017 in prep.) ist von 16-18 Revierpaaren im Mittelgebirgsraum Odenwald auszugehen.

Da nachweislich alle, selbst kleinste, nur im Frühjahr temporär Wasser führende Fließgewässer und zahlreiche weitere Gewässertypen und Wiesenflächen zum regelmäßig genutzten Nahrungssuchraum des Schwarzstorches im Odenwald gehören, ist eine WEA-Nutzung in diesem Naturraum mit einem der bedeutendsten Lokalpopulationen des Schwarzstorches in Hessen nicht zulässig, da mit höchster Prognosesicherheit bei weiterem Ausbaustand der Windindustrie die Lokalpopulation des Schwarzstorches das gleiche Schicksal erleiden würde wie im Vogelschutzgebiet-Vogelsberg.

Dort ging der Bestand nach dem Bau der Windindustrieanlagen von 14-15 Revierpaaren in 2004 auf 3 - 4 Revierpaare (A. Rockel & M. Hormann mündl. Mitt. in 2016) bzw. aktuell 5 Revierpaare (BERND 2017) zurück.

Maßnahmen zur Vermeidung und Verminderung, um den Anflug der Schwarzstörche an die Fließgewässer (Weschnitz, Marbach oder Streitbach) in Kahlbergnähe zu unterbinden sind nicht möglich, auch eine Verlagerung von Thermik-, Balz- und Flugräumen zur Reduktion des signifikanten Tötungsrisikos ist unmöglich.

Funktionsraumbeziehungen die von der ausgesprochen reviertreuen Art einmal aufgebaut wurden, können nicht durch geringfügige Maßnahmen, wie z.B. der „Neuanlage von Teichen“ ausgeglichen bzw. ersetzt werden (eig. Daten Veröff. in prep., BERND 2017) da diese zu keiner „Umorientierung“ fliegender Störche führen, sondern deren Flugverhalten abhängig von der Nahrungsverfügbarkeit der essentiellen Fließgewässerhabitate und weiterhin von Witterungsverhältnissen ist.

Das gleiche gilt für benachbarte Plangebiete, hier „Lärmfeuer“ 2-112 und Fläche „Stotz/Range“ 2-292 zwischen Reichelsheim und Brombach und alle weiteren Planvorhaben, vgl. BERND 2017a (Schwarzstorchstudie Odenwald und aktuell vorliegendes Gutachten zum Kahlberg).