Das Bensheimer Passionsspiel ist mit voller Authentizität zurück
Gut 100 Laiendarsteller machen die Ostergeschichte nach dreijähriger Auszeit in der Bensheimer Innenstadt wieder erlebbarBENSHEIM. - Die Corona-Beschränkungen der vergangenen drei Jahre sind Geschichte, das Bensheimer Passionsspiel zu Karfreitag feierte Auferstehung.
Mit deutlich unter 2.000 Besuchern erfuhr die Prozession zwar weniger Zuspruch als in der Zeit bis 2019, hatte gleichwohl von ihrer Authentizität nichts verloren.
Gut 100 Laiendarsteller zogen in historischen Kostümen vom Beauner Platz durch die Fußgängerzone bis zum Marktplatz.
Initiator Antonio Fortunato
Das Leiden Christi führen seit 1983 auf Initiative von Antonio Fortunato alljährlich zugewanderte Italiener gemeinsam mit deutschen Freunden nach süditalienischem Muster in der Bensheimer Innenstadt auf.
Vorbild war der Ablauf der >Settimana santa< (Karwoche) im Vallo di Lauro, einer Gegend östlich von Neapel in der Provinz Avellino in Kampanien. Einige der Initiatoren stammten aus dem Städtchen Lauro und dessen nächster Umgebung.
Von Anfang an war der Teilnehmerkreis nicht auf die italienische Gemeinschaft beschränkt.
Tragende Rollen von Beginn an von deutschen Mitspielern übernommen
Die Väter des Passionsspiels sorgten dafür, dass tragende Rollen des in der Tradition der Sacra rappresentazione gestalteten Spiels schon beim ersten Mal von deutschen Mitspielern übernommen wurden, und es spielten vielfach auch Angehörige anderer Nationen mit.
So verkörperte von 1985 bis 1988 ein Portugiese die Hauptfigur Jesus. Der Text ist seit Beginn auf Deutsch vorgetragen worden, einerseits, um zwischen Darstellern und dem Publikum keine Verständnisbarriere entstehen zu lassen, und andererseits auch, um sich zur neuen Heimat an der Bergstraße gehörend zu bekennen.
Das aktuelle Spiel wurde ab 10:30 Uhr über 90 Minuten mit vier Hauptszenen an insgesamt neun Spielorten aufgeführt.
Szenen vom Verrat bis zur Kreuzigung
Beginnend mit dem Verrat durch Judas (Bernd Aßmus) und der Gefangennahme Jesu (Julian Lux) durch römische Soldaten am Beauner Platz, über die Verleugnung Jesu durch Petrus, Befragung und Anklage des Messias durch den Hohen Priester (Edgar Mößinger) am Rinnentor, folgte, einhergehend mit der Freilassung des Barabbas, die Verurteilung Jesu durch Pontius Pilatus (Peter Proß) am Hospitalbrunnen, nachdem dieser zunächst seine Hände in Unschuld gewaschen hatte.
Schmähung mit Mantel und Dornenkrone („Ein König braucht eine Krone“) durch einen recht derben römischen Hauptmann (Manfred Schneidt), der Kreuzesaufnahme und der beschwerliche Weg zum Kalvarienberg, im aktuellen Spiel dem Bensheimer Marktplatz waren die weiteren Szenen.
Trommler in römischer Tracht gewandet, führten mit einem eindringlichen Trommelrhythmus den Prozessionszug vom Ort der Verurteilung bis zur Richtstätte an.
„Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“
Hier folgte schließlich erstmals nach dem Abriss des >Hauses am Markt< vor der monumentalen Kulisse der St. Georg-Kirche die Hauptszene mit der Kreuzigung Jesu und dessen letzten Worten: „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“
Mit dem Messias starben ebenfalls am Kreuz die beiden Schächer Gestas und der Reue zeigende Dismas, dem Jesu dafür das Paradies versprach. Nach der Kreuzigung würfelten Soldaten um das Gewand Jesu, ehe die Kreuzabnahme und Trauer der Klageweiber erfolgte.
Sakrale Musikstücke des Kirchenmusikvereins „St. Bartholomäus“ Fehlheim
Die Begegnung Jesus Christus auf seinem Weg nach Golgota mit den drei Marien und mit Veronika, die ihm das Schweißtuch reicht, die Übernahme des Kreuzes durch Simon von Cyrene, die Verspottung durch Barabbas, die Züchtigung Jesu durch die ihn begleitenden Soldaten und seine drei Stürze sowie die Selbstrichtung des Judas wurden auf dem Weg zum Marktplatz authentisch in bildlichen Nebenszenen thematisiert.
Die Aufführung skizzierte einmal mehr im Wesentlichen die traditionellen vierzehn Stationen des Kreuzwegs (Via Crucis), wie er zur Andachtsübung vielerorts bildlich inner- und außerhalb römisch-katholischer Kirchen wie auch in der Bensheimer Pfarrkirche St. Georg angelegt worden ist, zu einem ausgestalteten Prozessionsspiel.
Der von den Hauptakteuren gesprochene Text orientierte sich eng an den wörtlichen Vorgaben in den vier Evangelien des Neuen Testaments.
Der Katholische Kirchenmusikverein „St. Bartholomäus“ Fehlheim, begleitete die erste Szene wie die Kreuzigung mit sakralen Musikstücken.
Deutsch-italienische Gemeinschaft trägt das Spiel
Initiator Antonio Fortunato kehrte bereitss nach der dritten Aufführung 1985 nach Italien zurück. Das Spiel wird seither von einer deutsch-italienischen Gemeinschaft getragen, die sich Italienische Familien mit ihren deutschen Freunden (oder kurz Karfreitagsfreunde) nennt.
Sie weist eine niedrige Organisationsstruktur ohne formalen Vereinscharakter auf und trifft sich nur in den Vorbereitungs- und Übungswochen vor der Aufführung.
Die große Mehrheit der aktiven Teilnehmer am Spiel sind mittlerweile Deutsche, es sind Christen der beiden großen Konfesssionen und auch Darsteller ohne Kirchenzugehörigkeit beteiligt.
Hartmuth und Julian Lux prägen die Hauptrolle
Mit Antonio Renzullo, Mario Miconi, Palma Tilatti (als einziger Frau), Giovanni Torre, Isidoro Lipiello und aktuell Paolo Lipiello haben jedoch alle bisherigen „Regisseure“ einen italienischen Familienhintergrund.
Zwischen 1991 und 2014 war der Bensheimer Hartmuth Lux (1963–2015) 24-mal Darsteller des Jesus und trug damit wesentlich zu einer qualitativen Verstetigung bei.
Nachfolger ist seit 2015 sein Sohn Julian; er war im Gründungsjahr 1983 noch nicht geboren und verkörpert damit – gemeinsam mit zahlreichen weiteren jüngeren Darstellern – die mittlerweile generationsübergreifende Tradition des Bensheimer Passionsspiels.