Landrat a.D. Matthias Wilkes: „Nicht mehr zu Hause in der Bergsträßer CDU“
Der Christdemokrat verlässt den CDU-Kreisverband Bergstraße und wechselt in den Nachbarkreis OdenwaldBERGSTRASSE / ODENWALDKREIS. - Christdemokratisches Stühlerücken in Südhessen: „Ich fühle mich nicht mehr wohl in diesem Kreisverband, es ist nicht mehr stimmig, hier fühle ich mich nicht mehr zu Hause“, sagt Matthias Wilkes (Lautertal-Elmshausen), der frühere Landrat des Kreises Bergstraße, und spricht damit den „Affront gegen meine Person“ durch die Bergsträßer Regionalgruppierung der CDU unter Führung ihres Vorsitzenden MdB Dr. Michael Meister an.
Der Christdemokrat hat deshalb um Aufnahme bei der CDU im Nachbarkreis Odenwald ersucht. Während der Kreisverband Bergstraße dem Wechsel bereits zugestimmt hat, wird in den Parteigremien im Odenwaldkreis in der kommenden Woche über das Aufnahmeersuchen entschieden.
Die Aufnahme gilt jedoch als reine Formalie, nachdem der Odenwälder Kreisvorsitzende Harald Buschmann (Erbach) bereits Zustimmung signalisiert hat.
CDU-Kreisvorsitzender Dr. Michael Meister „vergaß“ Amtsinhaber im Rundbrief
Den Grund für seine Abkehr vom CDU-Kreisverband Bergstraße zurrt Wilkes vor allem an der Person des Kreisvorsitzenden Dr. Michael Meister fest. Der CDU-Kreisvorstand habe im Jahr 2014 unter Meisters Führung erstmalig beschlossen, die Frage der Kandidatur zur Landratswahl 2015 in einer offenen Befragung aller Mitglieder mit sich anschließenden Regionalkonferenzen auf der sich die vorgeschlagenen Kandidaten präsentieren sollten, zu klären und zu entscheiden,
„Als grundsätzlicher Anhänger und Idealist in Sachen demokratischer Verfahren, habe ich diesem Verfahren zugestimmt, obwohl ich bereits in einem Gespräch im Herbst 2013 unserem Kreisvorsitzenden meine Bereitschaft für eine erneute Kandidatur erklärt hatte.“
Mit großem Erstaunen für einen Großteil der Mitglieder habe auf dieser Grundlage der CDU-Kreisvorsitzende, der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Michael Meister, damals einen Mitgliederrundbrief verfasst, im dem weder die zwei Amtsperioden des von der CDU nominierten Landrats Wilkes noch dessen Bereitschaft für eine weitere Kandidatur erwähnt waren. Nicht einmal sein Name sei in diesem Rundbrief erwähnt gewesen.
„Besonders schockierend war, dass Dr. Meister sich mit seinem Brief hinter dem CDU-Kreisvorstand zu verstecken versuchte, obwohl der maßgebliche Anlass der negativen öffentlichen Diskussion der Duktus des von ihm erfolgten Schreibens gewesen ist und er dafür allein die Verantwortung hätte übernehmen müssen, was er bis heute nicht getan hat.“
Als selbst Betroffener kehrte Dr. Meister zum >alten< Verfahren zurück
In der Folge der damit ausgelösten öffentlichen Turbulenzen, die mit weiteren sehr unangenehmen und für die CDU unpassenden Begleiterscheinungen einher gingen, „habe ich mich im September 2014 entschlossen, nicht mehr für eine dritte Wahlperiode als Landratskandidat anzutreten“, erklärt Wilkes.
Als dann im Jahr 2016 die Aufstellung des Kandidaten zur Bundestagswahl anstand „und jetzt Dr. Meister selbst als Bundestagsabgeordneter betroffen“ gewesen sei, habe der CDU-Kreisvorstand beschlossen, „wieder zum >alten< Verfahren zurückzukehren und keine Mitgliederbefragung durch einen Rundbrief, sondern gleich einen Vorschlag des Kreisvorstands für seine Person und selbstverständlich auch keine Regionalkonferenzen bei weiteren Kandidaten“ durchzuführen.
„Einzig und allein Affront gegen meine Person“
Mit dieser Beschlussfassung sei endgültig klar geworden, was von vielen Menschen innerhalb und außerhalb der Partei zwei Jahre vorher bei der Frage der Landratskandidatur noch gemutmaßt worden sei: „Das Verfahren wurde damals nicht aus demokratischen Gründen offen organisiert, sondern einzig und allein als Affront gegen meine Person“, konstatiert Matthias Wilkes.
Offensichtlich habe jetzt bei ständig bröckelnder Zustimmung der Bundestagsabgeordnete selbst „Sorge um seine glatte Nominierung“ gehabt, „sonst hätte er hier Souveränität zeigen können, und sich dem gleichen Verfahren unterzogen, was auch vorher von ihm gutgeheißen wurde“.
„Gleichheitsgrundsatz des deutschen Grundgesetzes muss Wirkung entfalten“
Völlig unabhängig von den betroffenen Personen sei es nach seiner Ansicht im Hinblick auf die innerparteiliche Demokratie nicht akzeptabel „und damit auch ein weiterer Negativpunkt für die CDU-Bergstraße“, wenn abhängig von dem jeweiligen möglichen Kandidaten bzw. Amtsinhaber das Nominierungsverfahren bei der Kandidatenaufstellung „angepasst“ werde, sagt Wilkes.
„Auch hier muss der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes seine Wirkung entfalten.“ Ansonsten seien Willkür und einem „Spiel“ mit wechselnden Verfahrensweisen, „je nach Nase des Amtsinhabers“ Tür und Tor geöffnet. „Die CDU Deutschlands kann so etwas nach meinem Werteverständnis nicht gutheißen, insbesondere wenn der Hauptakteur mit Dr. Meister auch noch Mitglied der Bundesregierung ist.“
„Mitgliedschaft im Kreisverband der CDU-Bergstraße nicht mehr akzeptabel“
Die CDU an der Bergstraße habe in der Zeit unter ihrem Vorsitzenden Dr. Meister rund die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Der Trend zeige ungebrochen nach unten. Viele potentielle Mitglieder und Wähler fühlten sich durch üble Taktierereien wie beschrieben von der CDU eher abgestoßen als angezogen.
„Davon unabhängig ist für mich als maßgeblich Betroffener dieser Verfahrensspielereien eine Mitgliedschaft im Kreisverband der CDU-Bergstraße nicht mehr akzeptabel“, schildert Matthias Wilkes seine Beweggründe für einen Wechsel seiner Parteizugehörigkeit in einem anderen Verband.
„Parteistatuten“ standen Mitgliedschaft im CDU-Bundesverband entgegen
Diese habe er bereits vor Jahresfrist in einem umfangreichen Brief an die Bundesvorsitzende der CDU Deutschlands, Kanzlerin Angela Merkel, kundgetan und ihr mitgeteilt, er wolle „aufgrund meiner Grundüberzeugung und meiner weiterhin positiven Haltung zum Wertekanon der CDU-Deutschlands nicht nach 38 Jahren Mitgliedschaft austreten“.
Er habe deshalb um unmittelbare Aufnahme beim CDU-Bundesverband gebeten. Diesen Wunsch hatte ihm die Bundesvorsitzende „aufgrund der Parteistatuten“ abschlägig beschieden und ihm den Wechsel zu einem christdemokratischen Nachbarverband empfohlen.
Wilkes betonte, er habe mit seiner öffentlichen Erklärung bewusst bis nach der Bundestagswahl gewartet, um sich nicht dem Vorwurf der Parteischädigung ausgesetzt zu sehen. Insbesondere habe er auch keine Verantwortung für das ohnehin zu erwartende schlechte Ergebnis für den CDU-Bundestagskandidaten Dr. Michael Meister, der rund 10 Prozent der Erststimmen gegenüber 2013 verloren habe, übernehmen wollen.
Info zu Matthias Wilkes:
„Ich bin 1978 aus Überzeugung Mitglied der CDU geworden und habe mich seitdem stets mit viel Idealismus innerhalb, z.B. als örtlicher CDU-Vorsitzender und als ehrenamtlicher Mandatsträger über viele Jahre auf unterschiedlichen Ebenen, seit 1988 im hessischen Kreis Bergstraße, engagiert“, sagt Matthias Wilkes.
Er wurde im Jahr 2003 mit über 60 Prozent der Wählerstimmen im ersten Wahlgang gegen drei Mitbewerber erstmalig als CDU-Mitglied in einer Direktwahl zum Landrat des Kreises Bergstraße gewählt. Im Jahr 2009 sah er gegen zwei Mitbewerber ebenfalls im ersten Wahlgang seine erfolgreiche Arbeit bestätigt.
Der Bundesvorsitzenden schilderte er die „überaus schlechten Rahmenbedingungen“, die ihm „kontinuierlich defizitäre Haushalte bei gleichzeitig großen Herausforderungen insbesondere im Bereich der Sanierung und dem Ausbau der 74 Schulen, die sich in Trägerschaft des Landkreises befinden“ bescherten.
Von der Hessischen Landesregierung im Stich gelassen
Hier habe er sich von der Hessischen Landesregierung im Stich gelassen gefühlt, erläuterte Wilkes in seinem Schreiben nach Berlin und präzisierte: „Das Land Hessen hat es über viele Jahre für seine Landkreise versäumt, insbesondere für seine Landkreise, die von 13 Flächenländern das Schlusslicht bei Schulden und Defiziten sind, eine auskömmliche Finanzierung sicherzustellen. Dies trotz hoher Steuereinnahmen, die stets dazu führten, dass Hessen >Geberland< im Länderfinanzausgleich ist.“
Von dieser Misere ausgehend habe sich gegenüber der Hessischen Landesregierung „und damit (leider) auch der Hessischen CDU eine zunehmend verschärfende Konfliktlage entwickelt“. So hätten sich letztlich nur mit dem Urteilsspruch des Staatsgerichtshofes die Kommunalfinanzen – erstmalig im Haushaltsvollzug des Jahres 2015 für den Landkreis – in Ausgleich bringen lassen.