SchĂ€fer klagen ĂŒber âdesolates Wolfsmanagement des Landes Hessenâ
Zum Vorfall eines Wolfsrisses in Lautern, Kreis BergstraĂe: KreisĂŒbergreifende und gute Zusammenarbeit der WolfsbeauftragtenBERGSTRASSE / ODENWALDKREIS. - An einem FrĂŒhlingsmorgen im Mai 2020 kommt ein Kleinschafhalter von drei Mutterschafen in Lautern (Kreis BergstraĂe) an seiner Koppel vorbei und findet die Tiere tot und zerfetzt vor.
Traumatisiert von dem Anblick dieses Schlachtfeldes, ordnet er seine Gedanken und dabei fÀllt ihm ein, dass er schon einmal gehört hat, dass man solche SchÀden melden soll, um festzustellen ob es ein Wolf war oder nicht.
Also griff er zum Telefon, oder besser gesagt fast ins Leere. Die telefonische Abfrage der ZustĂ€ndigkeiten fĂŒr sein Anliegen erwies sich wie eine âSuche nach der Nadel im Heuhaufenâ.
Anruf beim zustĂ€ndigen Landwirtschaftsamt. Fehlanzeige. âDas Fass zum Ăberlaufenâ brachte dann der Anruf beim VeterinĂ€ramt: âman soll die Tiere bei der Abdeckerei abgeben.â
Eine Aussage die eine ordnungsgemĂ€Ăe Rissbegutachtung vor Ort mit den notwendigen Vorkehrungen und MaĂnahmen zur Sicherung einer DNA-Spur vollkommen zu Nichte gemacht hĂ€tte.
Anruf beim RP Darmstadt Fehlanzeige. Ein weiterer Versuch beim RP GieĂen, ebenfalls niemanden zu erreichen. Dann beim RegierungsprĂ€sidium Kassel kam die endscheidende Wende: âMan will ermitteln wer zustĂ€ndig ist.â
Durch diese behördliche Anfrage in Kassel wurde nachfolgend das RP Darmstadt auf einmal aktiv und setzte dann die komplette behördliche Maschinerie in Gang.
Mit dem Wolfsbeauftragten des Landeskreises BergstraĂe sowie mit UnterstĂŒtzung der Kollegen der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) vom Odenwaldkreis wurde zeitnaher Termin vereinbart und die entsprechenden Proben genommen.
Um der ganzen Geschichte dann noch vollends die Krone aufzusetzen, fragte der Schafhalter vorher noch beim zustÀndigen Hessischen Umweltministerium zwecks EntschÀdigungsleistungen nach.
Aussage: âMan weiĂ das auch nicht so genau, man wird sich umhören wie das anderswo geregelt wirdâ. so Bernd Keller von OdenwĂ€lder SchĂ€ferverein.
Der Kleinschafhalter aus Lautern hatte jetzt seine leidlichen Erfahrungen gemacht. Aber wen ruft man als Weidetierhalter in einem solchen Fall an, wenn man keine Informationen zu dem Thema hat? Am besten gleich beim RegierungsprÀsidium Kassel anrufen, da geht wenigstens jemand ans Telefon.
Nicht jeder Kleinschafhalter geht nach einem solchen Schock ins Internet, sucht stundenlang nach einem Ansprechpartner oder ist Mitglied im SchÀferverein um die nötigen Informationen bereits zu haben.
Durch die vorbildliche kreisĂŒbergreifende Zusammenarbeit der Wolfs-beauftragten und deren Fachwissen fĂŒr die jeweiligen ZustĂ€ndigkeiten, wurde mittlerweile auch durch das RP Darmstadt der Wolfsriss bestĂ€tigt und das die EinzĂ€unung vorschriftsmĂ€Ăig war.
Entsprechende EntschĂ€digungsleistungen fĂŒr den Halter der drei Mutterschafe samt KostenĂŒbernahme des Milchpulvers fĂŒr die weitere Aufzucht der verblieben kleinen LĂ€mmer wurden unbĂŒrokratisch genehmigt. Das ist sehr lobenswert.
Desolates Management des Landes Hessen
Trotz der vorbildlichen Leistung der bereichsĂŒbergreifenden Zusammenarbeit der Wolfsbeauftragten Odenwaldkreis und der Ansprechpartner vom Landkreis BergstraĂe zeigt das Beispiel von Lautern das desolate Wolfsmanagement in Hessen auf, wenn ein Schafhalter bei einem Wolfsriss in Not ist und keinerlei Informationen hat, wie er sich verhalten soll und welche EntschĂ€digungsleistungen er bekommt.
âAll das ist ein politisches Armutszeugnis der Hessischen Landes-regierung, seinem zustĂ€ndigen Ministerium und den Fachbehörden in Sachen Kommunikation, ZustĂ€ndigkeiten, AufklĂ€rung und Information fĂŒr die Hessischen Weidetierhalter.
SpĂ€testens ab 2015 hĂ€tte man alle Weidetierhalter ein Rundschreiben oder eine BroschĂŒre versenden können, in dem alle zustĂ€ndigen Stellen, die entsprechenden Ansprechpartner und die notwendigen Verhaltens- und Vorgehensweisen bei Nutzrissrissen dokumentiert sind.
Besonders hĂ€tte man Fachbehörden - wie VeterinĂ€rĂ€mter - mit den entsprechenden Informationen ausstatten könnenâ, so der 1. Vorsitzende Bernd Keller des OdenwĂ€lder SchĂ€fervereins.
âSeit 20 Jahren weiĂ man dass der Wolf kommen wird. In dieser Zeit hat man es geschafft eine Wolfsausstellung zu organisieren und in Deutschland einen Wolfskrankenwagen anzuschaffen.
Aber man war und ist bis dato nicht in der Lage eine Fachstelle Wolf in Hessen einzurichten, um sicherzustellen, dass im Falle eines gemeldeten Schadenfalls noch am gleichen Tag die Rissbegutachtung vor Ort stattfinden kann und diese entsprechende Informationen fĂŒr die Weidetierhalter zur VerfĂŒgung stellt.
Das zustĂ€ndige Ministerium ist nicht in der Lage Förderrichtlinien zu erstellen um Geld fĂŒr die Weidetierhalter bereitzustellen fĂŒr EinzĂ€unungen und den entsprechenden Arbeitsaufwand.
Die 40,- Euro pro Hektar und Jahr sind mehr als unzureichend. Das Ministerium ist nicht in der Lage eine Staffelung fĂŒr die EntschĂ€digung von Tieren zu erarbeiten, nach Rasse, Zuchtwert, TrĂ€chtigkeit, Verlammungen und wirtschaftlichen Verlusten.
Nichts dergleichen wurde seit 2015 umgesetzt. Die Zahl der Wölfe steigt, die Bestandszahlen von Schafen und Ziegen nehmen ab. âNicht nur Risse reduzieren die BestĂ€nde, sondern auch die Auswirkungen auf die ĂŒberlebenden Tiere wie Verletzungen und Totgeburten.
Ich weise darauf hin, dass 174 Nutztierrassen bundesweit gefĂ€hrdet sind. Der Schutz einer Art wie dem Wolf darf nicht zum Verlust von anderen im Bestand extrem gefĂ€hrdeten Rassen fĂŒhrenâ, betont Keller.
Zweites Wolfsterritorium in Hessen
Durch mehrere Genproben ist seit MÀrz 2020 im Vogelsberg eine sesshafte und standorttreue Wölfin nachgewiesen worden. Demnach hÀlt sich die Wölfin GW1166F seit mindestens einem halben Jahr im Vogelsbergkreis auf.
Nach der Wölfin im Vogelsberg ist nun ein zweites Tier in Nordhessen sesshaft. Dies hat eine Genanalyse fĂŒr das Hessische Landesamt fĂŒr Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) ergeben.
Damit hat Hessen nun innerhalb weniger Wochen ein zweites Wolfsterritorium. Auch im Odenwaldkreis mehren sich die Hinweise auf einen sesshaften Wolf.
Forderungen an die Hess. Landesregierung vom SchÀferverein Odenwaldkreis e.V. und den OdenwÀlder Weidetierhaltern
Die Wölfe stellen die betroffenen Landkreise, aber auch Naturschutz und Landwirtschaft, vor besondere Herausforderungen. Der hessische Wolfsmanagementplan liefert in seiner jetzigen Form hierzu nicht die passenden LösungsansÀtze.
Dem ehrenamtlichen Wolfsmonitoring fĂ€llt es in manchen Regionen zunehmend schwerer, eine zeitnahe Rissbegutachtung durchzufĂŒhren.
âWir fordern deshalb die Hessische Landesregierung auf, den sogenannten hessischen Wolfsmanagementplan von Grund auf ĂŒberarbeiten zu lassen.
Wir gehen davon aus, dass sich in naher Zukunft weitere Wolfsrudel in Hessen fest etablieren werden. Der aktuelle Wolfsmanagementplan ist mit seinem Zahlenmaterial von 2012 - insbesondere der prozentualen Darstellung der Anteile von Nutztierrissen - vollkommen veraltet.
Dass der Wolf ĂŒberwiegend Reh- und Rotwild als Hauptnahrungsquelle bevorzugt war damals schon falsch. Rund 86 Prozent der Hauptnahrung sind nĂ€mlich Schafe und Ziegen, 5 Prozent Rinder, 9 Prozent Gatterwild, der Rest andere (2018 DDBW).
Dieser Wolfsmanagementplan wird in der jetzigen Form den tatsÀchlichen Anforderungen absolut nicht gerecht. Umweltministerin Hinz erklÀrte im Jahr 2015, dass der Wolfsmanagementplan kein statischer Plan sei, sondern ein lernendes System.
Dazu gelernt hat die Umweltministerin Hinz und das Ministerium aber nichts. Der Managementplan wurde seither weder ĂŒberarbeitet oder aktualisiert.
2019 wurde in einer InformationsbroschĂŒre fĂŒr Journalistinnen und Journalisten durch das Hessische Ministerium fĂŒr Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eine neue Förderrichtlinie fĂŒr Investitionen im Herdenschutz fĂŒr 2020 angekĂŒndigt.
Eine reine PR-Aktion. Umsetzung der Förderrichtlinie: Fehlanzeige. Wir brauchen in der Landwirtschaft, Bevölkerung und Naturschutz pragmatische Lösungen, um bei der Wolfsthematik dem Zielkonflikt zu begegnen.
Die Bereitschaft, in der KonfliktbewĂ€ltigung aktiv zu werden, ist im zustĂ€ndigen Ministerium nicht erkennbarâ, so Bernd Keller abschlieĂend.
Aufforderung an die Hessische Landesregierung
Der SchĂ€ferverein Odenwaldkreis fordert die Hessische Landesregierung und das zustĂ€ndige Ministerium auf, verlĂ€ssliche und belegbare Zahlen zu den Nutztierrissen in Hessen, die EntschĂ€digungszahlungen an Schaf- und Weidetierhalter von 2015 bis 2019 und den Aufwand im Landeshaushalt fĂŒr den gleichen Zeitraum fĂŒr das Wolfsmanagement zu dokumentieren.
Auch sollten auf den jeweiligen Internetseiten und der zentralen Stelle fĂŒr Wolfsmonitoring (DBBW â Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf) veröffentlicht sowie dem SchĂ€ferverein Odenwaldkreis zur VerfĂŒgung gestellt werden und den Wolfsmanagementplan wie oben genannt, entsprechend zu Ă€ndern.