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Betätigt sich Landrat Klaus-Peter Schellhaas als Arztsitz-Raubritter?

Der Darmstadt-Dieburger Kreischef stößt mit seiner „Einkaufstour“ von Arztsitzen auf heftigen Widerstand zahlreicher regionaler Ärzte und des Hausärzteverbandes Hessen e.V.

DARMSTADT-DIEBURG. - Klaus-Peter Schellhaas sorgt sich, wie viele seiner Kollegen, um die Wirtschaftlichkeit und damit verbunden den Erhalt seiner kommunalen Krankenhäuser. Es zählt zu seinen ureigenen Aufgaben für diese Probleme nach Lösungen zu suchen.

Kritiker werfen dem SPD-Landrat des Kreises Darmstadt-Dieburg inzwischen allerdings vor, die Mittel seiner Wahl seien nicht nur grenzwertig, sondern er bewege sich auf illegalem Terrain. Er sei ein „Arztsitz-Raubritter“ und beschränke sich dabei nicht alleine auf den von ihm geführten Landkreis, verlautete da gar zuletzt mehrfach.

>Me first-Haltung< der Kreistochter

Die nähere Betrachtung dieser >Me first-Haltung< lasse in der Tat den Schluss zu, Donald Trump könnte in der Verwaltung des Darmstäder Landratsamtes und insbesondere bei der in Groß-Umstadt angesiedelten Kreistochter >Zentrum der Medizinischen Versorgung Darmstadt-Dieburg< (MVZ) Pate gestanden haben, kritisieren mehrere Mediziner, die in der Handlungsweise des Landrats einen klaren Verstoß gegen geltendes Gesetz, insbesondere gegen §121 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) erkannt haben wollen.

Nach Arztsitz-Aufkäufen durch das von Peter Schellhaas installierten und am Kreiskrankenhaus in Groß-Umstadt angedockten Medizinischen Versorgungszentrums bzw. einen Chefarzt des Groß-Umstädter Kreiskrankenhauses in Erbach und Höchst (Odenwaldkreis) führte die jüngste „Einkaufstour“ des Darmstadt-Dieburger Landrats, der am Sonntag, 30. Mai, für weitere sechs Jahre wiedergewählt werden möchte, nach Alsbach-Hähnlein.

Hier sieht Schellhaas in dem von ihm verwalteten Landkreis den ärztlichen Versorgungsbedarf gefährdet und sich veranlasst, ein medizinisches Versorgungszentrum zu installieren.

Konkurrierend zur ÄGiVO eG

„Im Landkreis Darmstadt-Dieburg bewirbt sich ein kommunaler MVZ-Träger konkurrierend zur >Ärztegenossenschaft Gesundheitsversorgung im Vorderen Odenwald<, (ÄGiVO eG), um eine Hausarztnachfolge. Dies soll der Grundstein für die Schaffung einer kommunal getragenen Hausarztversorgung für mehrere Kommunen der Region in einem zentralen örtlichen Neubau werden“, prangern Hausärzte aus der Region an.

In der Tat war Schellhaas aktuell mit seinem medizinischen Versorgungszentrum im Nachbesetzungsverfahren Dr. Ilse Vock (Alsbach-Hähnlein) mit einer Bewerbung der Kommunal-MVZ-GmbH erfolgreich.

Er stand damit mit seinem kommunalen MVZ im direkten Wettbewerb zur privaten Ärztegenossenschaft ÄGIVO die vor Ort schon eine Praxis betreibt und die Patientenversorgung von Dr. Vock übernehmen wollte. Den Zuschlag erhielt jedoch die Kommunal-MVZ-GmbH.

„Grundlegender Paradigmenwechsel“

Diese Entscheidung stelle jedoch einen grundlegenden Paradigmenwechsel dar, ohne Rücksicht auf Wettbewerbsverzerrung, da damit nicht nur massiv gegen den Grundsatz der Subsidiarität verstoßen werde, in dem Hausarztversorgung durch die öffentliche Hand übernommen werden soll, obwohl die angestrebte Sicherstellung aus der Ärzteschaft möglich wäre.

Das „Wohlergehen des Patienten“ sei hier offenbar nicht mehr „wichtigstes Anliegen“, wie es die scheidende Ärztin noch auf ihrer Website darstelle, kritisieren regionale Hausarztkollegen.

Wohnortnahe Hausarztversorgung wird aufgegeben

Auch das Prinzip der wohnortnahen Hausarztversorgung wird damit aufgegeben, befindet selbst der Hausärzteverband Hessen e.V., und konstatiert: das Eingreifen kommunaler Versorgungszentren lasse HausarztkollegInnen keinen Raum mehr für die Findung freiberuflicher oder ärztlich getragener Versorgungsstrukturen, sondern sei der Einstieg in die Verstaatlichung der ambulanten Gesundheitsversorgung.

Insbesondere die Hessische Gemeindeordnung (HGO) sei den jüngsten MVZ-Entwicklungen nicht angepasst worden; von daher werde hier die Betätigung in der Gesundheitsversorgung noch als „nicht wirtschaftliche Betätigung“ angesehen, obwohl ein MVZ selbstverständlich ein Wirtschaftsunternehmen sei und sogar erhebliche unternehmerische Risiken mit sich bringe.

Die kommunale MVZ GmbH des Landkreises Darmstadt-Dieburg werde vom Landrat des Kreises hessenweit massiv beworben, sodass bald mit Nachahmern zu rechnen sei.

„Klaus-Peter Schellhaas verwirklicht besonderes Hobby“

Landrat Klaus-Peter Schellhaas habe als ehemaliger Gesundheitsdezernent ein besonderes Hobby, über das er sich selbst verwirkliche: die Kreiskrankenhäuser im Landkreis Darmstadt-Dieburg.

Die Kreiskrankenhäuser seien in seiner Amtszeit massiv in einem Verdrängungswettbewerb insbesondere zum Klinikum Darmstadt (Maximalversorgungskrankenhaus für Südhessen) erheblich ausgebaut und Versorgungsbereiche mit Maximalversorgungscharakter etabliert worden, um die Kreiskliniken von Betten- und Fallzahl her auszubauen.

Diese Versorgungsangebote verursachten aber einen hohen Aufwand an Vorhaltung, für deren Abdeckung aber zu wenig Patienten behandelt würden. Logische Folge seien hohe Defizite.

Ausschlaggebend für die Schellhaas-Strategie zur Steuerung des Patientenflusses in die Kreiskliniken sei die Gründung einer MVZ-GmbH als Tochter des Kreises gewesen. Das sei dem Kreistag als notwendig zur Sicherung der wegbrechenden Hausarztversorgung verkauft worden.

Facharztsitze teuer eingekauft

Faktisch seien aber nach Genehmigung in der Hauptsache Facharztsitze (Internisten-, Chirurgensitze sogar Kardiologen-Sitze etc.) teuer eingekauft worden, wobei die Übernahme von Hausarztzulassungen eher Zufall gewesen seien und mit bestimmten Facharztsitzübernahmen hätten „geschluckt“ werden müssen.

Obwohl es die Kommunal-MVZ-GmbH seit 2014 gibt, sei die Hausarztversorgung so uninteressant, dass der Kreis Darmstadt-Dieburg inzwischen zu den am höchsten hausärztlich unterversorgten Kreisen in Hessen gehöre.

„Verschleierung der tatsächlichen Unterversorgung“

Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen habe zur Verschleierung der tatsächlichen Unterversorgung die hausärztlichen Zulassungsbezirke neu gegliedert und das Landkreisgebiet neben dem Zulassungsbezirk Dieburg / Groß-Umstadt einen Teil dem Zulassungsbezirk Darmstadt und einen Teil dem Landkreis Groß Gerau zugeschlagen

Nun kämen erschwerend die Corona-Auswirkungen auf die Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg zu. Es müssten massiv die Patientenzuströme gesichert werden. Nur so erschließe sich die Ausweitung auf die Hausarztversorgung im Landkreis.

Resolution des Hausärzteverbands Hessen e.V.

Vor diesem Hintergrund hat die Delegiertenversammlung des Hausärzteverbands Hessen e.V. vor Monatsfrist eine Resolution zur Zukunftssicherung der Allgemeinmedizin und der hausärztlichen Versorgung durch die Ärzteschaft verabschiedet.

Darin fordert der Hausärzteverband die Politik, die Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene, die ärztlichen Körperschaften und die Kostenträger auf, die Sicherstellung und Weiterentwicklung der wohnortnahen Hausarztversorgung in der Selbstverwaltung und Trägerschaft der Ärztinnen und Ärzte weiterhin zu sichern und zu fördern und alles dafür Notwendige zu tun, insbesondere durch den Erlass von entsprechenden Gesetzesregelungen und Richtlinien, die die Fehlentwicklungen zu einem verstaatlichten ambulanten Gesundheitswesens unterbinden, wie deren Vorsitzender Armin Beck erläutert.

Einstimmig gegen die Wettbewerbsverzerrungen

Die Delegierten sprachen sich dabei einstimmig gegen die Wettbewerbsverzerrungen aus, die durch den Aufkauf von hausärztlichen Praxen durch kommunale MVZ-Träger entstehen.

„Die Delegierten befürchten einen Verdrängungswettbewerb mit Steuergeldern, der die bewährte hausärztliche Versorgung empfindlich stören könnte. Ein solcher Eingriff in die ärztliche Selbstverwaltung ist nicht zu akzeptieren“, heißt es abschließend in der Resolution.