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Die Rückkehr des Wolfs in den Odenwald und der Umgang mit ihm

Der Wolf, hier in einem Freigehege im Bayerischen Wald, ist auch wieder im Odenwald unterwegs.

Veranschaulichung der Gefährdung durch den Wolf im Vergleich zu allen übrigen täglichen Gefahren. Grafik Gefährdung durch den Wolf: © by 2015 CHWOLF

ODENWALD. - Wie mehrfach berichtet, wurden im November im Odenwaldkreis mehrere Schafe und eine Ziege nachweislich durch einen Wolf gerissen. Das Auftauchen eines Wolfes in unserer Region nach über 150 Jahren, bringtaufgrund fehlender Erfahrungen im Umgang mit diesem großenBeutegreifer einige Verunsicherungen und Ängste mit sich.

„Gerade für Schaf- und Ziegenhalter bedeutet der nun erforderliche Aufwand zum Schutz ihrer Tiere eine Mehrbelastung an zusätzlichen Kosten und Zeit“ erläutert Dirk Bernd (MUNAe. V.), der selbst eine kleine Schafherde zur Landschaftspflege besitzt.

„Wir sehen durchaus die Problematik in der Rückkehr des Wolfes als Beutegreifer in eine Region, die an den Umgang mit Raubtieren nicht gewohnt ist“, so Limprecht vom NABU KV Odenwaldkreis.

„Gerade in dieser Situation halten wir einen sachlichen Austausch und gegenseitige Unterstützung für nötig, um den fragilen Versuch der Natur, in ein Gleichgewicht zurück zu finden nicht durch eine emotional geführte Debatte zu gefährden“, so Limprecht weiter.

Der Wolf ist ein natürlicher Teil unseres Ökosystems und so sollte man seine positive Rolle in den natürlichen Abläufen nicht außer Acht lassen. So haben Wölfe nicht nur einen quantitativen, sondern auch einen qualitativen Einfluss auf ihre Beutetiere, in der Regel Rehe, Wildschweine, Hirsche. Sie haben häufig nur bei jungen noch unerfahrenen, alten, schwachen oder kranken Tieren Jagderfolg, meint Bernd.

Das heißt, sie entlasten den Gesamtbestand und wirken der Ausbreitung von Infektionskrankheiten bei ihren Beutetieren entgegen. Die Folge ist ein in seiner Gesamtheit vitalerer Wildbestand und ein im Gleichgewicht gehaltenes Ökosystem. So trägt der Wolf auch ganz nebenbei zu einer verbesserten Naturverjüngung des Waldes bei, die in vielen Bereichen nur noch möglich ist, wenn man den Jungwald einzäunt.

Ein weiterer Aspekt ist, dass im Gegensatz zum menschlichen Jäger, der ein erlegtes Tier immer aus dem Wald nimmt und keiner sonst davon profitieren kann, der Wolf meist nicht seine gesamte Beute auf einmal frisst, ergänzt Limprecht.

Die verstreuten Kadaverteile bedeuten für viele Aasfresser eine lebenswichtige Nahrungsquelle und bilden somit für viele Organismen notwendige ökologische Nischen. Mit der Anwesenheit des Wolfes wird das Nahrungsnetz grösser, da die Nutznießer wiederum eine Nahrungsgrundlage für andere Tiere darstellen

Somit wird klar: Der Wolf ist ein wichtiger Bestandteil der Biodiversität und er ist eine Tierart zu deren Schutz sich die europäische Union und Deutschland entschlossen haben. „Der Wille zur Biodiversität sollte nicht zu einer Gartencenter-Mentalität degradiert werden, bei der wir uns den Luxus erlauben, die Arten auszusuchen, die hübsch, bequem und niedlich sind, aber vor allem mal keine Umstände machen“, so Limprecht.

Seit Jahren bemühen sich Naturschutzverbände, wie der NABU und MUNA, durch den Dialog mit Schäfern, ein möglichst konfliktarmes Miteinander von Wolf und Mensch möglich zu machen. Durch die Gründung der „Schnellen Eingreiftruppe“ des NABU, die betroffene Schäfer bei der Sicherung ihrer Tiere unterstützen kann, wurde gezeigt, dass ein Miteinander für den Wolf und die Interessen der Tierhalter möglich ist.

Durch die Veröffentlichung zahlreicher Informationsbroschüren über Leben und Verhalten des Wolfes versuchen wir den Befürchtungen und Ängsten in der Bevölkerung zu begegnen und so zu einem sachlichen Umgang mit diesem Thema zu kommen.

„Wir setzen uns tagtäglich Gefahren aus, ohne uns darüber auch nur Gedanken zu machen. Wir steigen ohne Zögern ins Auto, dabei ist die Gefahr relativ groß, in einen Unfall verwickelt zu werden. Wir sind als Fußgänger unterwegs und betreiben Freizeitsport und bewegen uns dabei ständig in einem erhöhten Unfallrisikobereich. Die Gefahr, die von einem Wolf ausgeht, ist im Vergleich dazu gleich Null“, erläutert Bernd.

Schon die Wahrscheinlichkeit, je einen Wolf in freier Natur zu Gesicht zu bekommen, ist sehr gering. Keinesfalls sollte man jedoch auf die Idee kommen Wölfe zu füttern, da sie dann, wie Wildschweine zutraulich werden können. „Wir wollen keine bettelnden Wölfe im Odenwald die nach Futter suchen“, so Limprecht weiter.

Fakt sei, dass seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland (1998) kein einziger Fall bekannt wurde, wo Wölfe aggressives Verhalten Menschen gegenüber gezeigt hätten. Hier gelte es also die Relationen zu wahren und die Gefährdung durch Wildtiere, insbesondere durch Wölfe, an den tatsächlichen Zahlen zu messen und nicht emotional zu färben.

Limprecht und Bernd sammeln Beobachtungen zu Wolfssichtungen im Odenwald, hier können Interessierte Beobachtungen und auch Fragen zum Wolf an die Artenschutzexperten der beiden Naturschutzvereine stellen, Telefon 01629671694 (Limprecht) und 06254/940669 (Bernd).

„Wir sollten hier im Odenwald die Chance, die die Rückkehr des Wolfes mit sich bringt nutzen und zeigen, dass wir gemeinsam in der Lage sind die Herausforderung zu meistern und dass wir das Thema Artensterben und Biodiversität in ihrer ganzen Bandbreite ernst nehmen“, so Limprecht abschließend.