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Wahrnehmungsverschiebung

Polizeipräsenz im Übermaß vor dem Landgericht Mannheim beim Berufungsprozess gegen eine Weinheimer Ärztin, die angeblich falsche Gesundheitszeugnisse ausgestellt haben soll: mit fünf Mannschaftswagen waren die Ordnungshüter auf Anordnung des Vorsitzenden Richters der 12. Kleinen Strafkammer des Landgerichts angerückt. Foto: er

SERIE, Teil 7: Monika Wagner beobachtete das Berufungsverfahren vom 07. November 2023 bis 20. Februar 2024 vor dem Landgericht Mannheim gegen eine Weinheimer Ärztin und deren Praxisangestellte wegen des Verdachts auf Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse

Heute berichten wir in unserer Serie vom Tag 7 der Berufungsverhandlung, 29. Dezember, 2023

Teil 1 ist nachzulesen unter: www.de-fakt.de/deutschland/details/?tx_ttnews 

Zum Glück komme ich nicht auf den letzten Drücker, denn fast alle Schließfächer sind bereits belegt. Es herrscht mächtiger Andrang im Foyer. Die Sicherheitsvorkehrungen sind die selben wie an den letzten Verhandlungstagen.

Schließfach, Erfassung des Ausweises, elektronische Durchleuchtung, Metalldetektor, Abtasten. Allerdings gelten diese heute auch für Saal 2. Wer oder was dort verhandelt wird weiß ich nicht, ich habe vergessen auf dem Schwarzen Brett nachzulesen.

Die übrigen Gerichtssäle sind verwaist. Ein Mann mit umfangreichem professionellem Presse-Eqiupment, großer Kamera und Mikrofon, wird daran gehindert mit seiner Ausrüstung den Gerichtsaal zu betreten - mehr als Papier und Stift ist auch den Pressevertretern im Gerichtsaal nicht erlaubt. Die lokale Presse ist ebenfalls wieder präsent.

Die Justizbeamten tragen Patches mit dem Kürzel „SGS Mannheim“. Der Pressevertreter weiß damit genauso wenig anzufangen wie ich und fragt nach: „SGS“ steht für Sicherheitsgruppe Gericht und Staatsanwaltschaft.

Ob diese Sicherheitsgruppe für den Maskenprozess oder die Verhandlung im Saal nebenan bestellt wurde, weiß ich nicht, mir ist dieses Patch zumindest bei den vorherigen Verhandlungstagen noch nie aufgefallen.

Der Prozess beginnt pünktlich um 09 Uhr. Heute sind wieder alle drei Wahlverteidiger, die Rechtsanwälte Lausen, Künnemann und Willanzheimer anwesend. Die Schöffinnen wurden ebenfalls nicht ausgetauscht. Die Staatsanwaltschaft wird erneut durch Herrn Stork vertreten.

Rechtsanwalt Lausen beanstandet, dass jetzt der Metalldetektor auch beim Verlassen des Gerichtsaals passiert werden muss, da die Lücke zwischen Metalldetektor und Absperrgitter durch ein großes, verschiebbares Brett gesichert wurde.

Rechtsanwalt Künnemann rügt, dass am 16. November 2023 die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen dazu führten, dass der Pressevertreter des Südwest-Rundfunks (SWR) nicht an der Verhandlung teilnehmen konnte.

Der Reporter trägt einen Herzschrittmacher, was das Passieren des Metalldetektors aus gesundheitlichen Gründen ausschließt. Die Beamten wiesen ihn ab. Der Journalist legte sowohl seinen Presseausweis als auch den Ausweis über den Herzschrittmacher vor, was von den Justizbeamten nicht akzeptiert wurde.

Meiner Meinung nach verstößt dies gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz und die Pressefreiheit. Einen missliebigen Zuschauer auszuschließen, ist eine Sache, aber einen Pressevertreter, der sich ausweisen kann, aus gesundheitlichen Gründen auszuschließen, ist nochmal eine andere Hausnummer.

Wobei dies - meiner Meinung nach - schon als unzulässige Diskriminierung aus gesundheitlichen Gründen zu werten ist.

Wie ich von einer Sicherheitskraft des BER erfahren habe, werden am Berliner Flughafen Personen mit Herzschrittmacher, größeren Metallplatten und Schrauben z.B. nach Gelenkoperationen, sowie Schwangere bei Vorlage entsprechender Gesundheitsnachweise bzw. Mutterpass von der Sicherheitsmaßnahme Metalldetektor ausgenommen und stattdessen gründlich abgetastet.

Interessant finde ich, dass der Reporter über die Ausweis-Scannung berichtete, jedoch die Tatsache, dass er selbst an den Sicherheitsvorkehrungen scheiterte unerwähnt ließ.

Jeder Prozessbeobachter, Pressevertreter, geladene Zeuge, zu Beginn selbst die Angeklagten müssen durch den Metalldetektor und sich zusätzlich abtasten lassen. Die Verteidiger und Angeklagten müssen ebenfalls durch die Schleuse, dies wird seitens der Verteidiger als unzulässig gerügt.

Generell sind die sicherheitspolizeilichen Maßnahmen erneut ein Thema. Die Ausweise werden weiterhin gescannt und gespeichert, was eine neue Rüge der Verteidigung nach sich zieht.

Rechtsanwalt Lausen fragt den Vorsitzenden Richter Dr. Hirsch direkt: „…gab es Störungen am letzten Verhandlungstag (Anmerkung: 18. Dezember 2023)?" Das klingt ganz nach dem Motto: Ist die Katze aus dem Haus tanzen die Mäuse auf den Tischen. Die Wahlverteidiger aus Hamburg waren zu diesem Termin nicht angereist.

Der Richter verneint. (Die Mäuse, ähm, die Zuschauer waren friedlich. Die Gesangseinlagen anläßlich des 60. Geburtstags fanden vor der Verhandlung bzw. in der Pause statt, was die Staatsanwältin zwar in Rage versetzte, der Richter jedoch nicht als Störung wertete.)

...same procedure as last time... - es folgt ein Antrag die sicherheitspolizeiliche Anordnung aufzuheben, da der Zweck die Identifizierung etwaiger Störer (die es bis dato noch nicht gab) mit milderen Mitteln erreicht werden kann. Ein Generalverdacht gegen alle Zuschauer ist unzulässig.

Der in diesem Zusammenhang kontaktierte Datenschutzbeauftragten von Baden-Württemberg hat sich bis dato nicht gemeldet, obwohl Rechtsanwalt Lausen der Eingang seiner Beschwerde bestätigt wurde. Eine nachvollziehbare Begründung für die Anordnung der sicherheitspolizeilichen Maßnahmen fehlt der Verteidigung immer noch.

Die Gründe für die Datenerhebung sind nach wie vor unklar - was, warum und vor allem, wer ein Interesse daran hat zu erfahren, wer als Beobachter den Prozess verfolgt. Die Sitzung wird unterbrochen, die Kammer zieht sich zur Beratung zurück.

Der Beschluss der Kammer wird verkündet: „Die sicherheitspolizeiliche Anordnung wird bestätigt. Es wird ebenfalls bestätigt, dass die bisherigen Verhandlungen bis auf wenige Ausnahmen störungsfrei verliefen.“

(Hier entsteht bei allen anwesenden regelmäßigen Prozessbeobachter ein großes Fragezeichen auf der Stirn, auch bei mir: Ich war bis jetzt an jedem Verhandlungstag von Beginn bis zum Schluss anwesend - die „wenigen Ausnahmen“ sind mir offensichtlich völlig entgangen.

Alle „Zwischenfälle“ wurden bereits vor Sitzungsbeginn von den anwesenden Justizbeamten unterbunden. Nach reiflicher Überlegung fällt mir ein Zuschauer ein, der nur am ersten oder zweiten Verhandlungstag anwesend war. Er weigerte sich aufzustehen sobald die Strafkammer den Gerichtsaal betrat. Ansonsten ist mir absolut kein Zwischenfall in Erinnerung.)

Es folgt ein erneuter Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Dr. Hirsch und die beiden Schöffinnen. Es wird eine Frist zur schriftlichen Begründung bis zum 02. Januar 2024, 18 Uhr gewünscht. Dr. Hirsch möchte über die Frist zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.

Rechtsanwalt Lausen hat Dr. Hirsch einen Auszug in Kopie aus dem „Richterbund“ (Zeitung des Berufsverbandes) vorgelegt. In diesem Artikel wird das ethische Verhalten der Richter beschrieben.

Dr. Hirsch gibt an, dass er diesen Artikel nicht gelesen hat. Rechtsanwalt Lausen Lausen möchte, dass der Artikel über die Ethik der Richter in die Gerichtsakte aufgenommen wird.

Der Vorsitzende Richter Dr. Hirsch verkündet weitere Beschlüsse:

1) Der Beweisantrag von Rechtsanwalt Willanzheimer auf Einvernahme des Präsidenten des Landgerichts Mannheim als Zeugen wird abgelehnt.

Die Begründung für die Ablehnung wird verlesen. Im Kern geht es darum, dass die fehlende medizinische Ausbildung des Richters keine Bedeutung für die Urteilsfindung bzw. Beweisaufnahme hat.

2) Der Beweisantrag auf Einvernahme des Vorsitzenden Richters des 12. Zivilsenats am OLG Stuttgart, als Zeugen wird abgelehnt.

Auch hierzu wird die Begründung verlesen. Im Kern geht es um die Frage inwieweit der Richter mangels Sachkunde in der Lage ist die gesundheitlichen Gegebenheiten zu beurteilen.

3) Der Beweisantrag der Verteidigung auf Einvernahme der Fachärztin für Psychiatrie in Konstanz und Mitglied der Ärztekammer Freiburg als Zeugin wird abgelehnt. Die Begründung wird verlesen.

4) Ein Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 08. Juli 2021 wird verlesen. Hier ging es um einen Fall aus Sigmaringen in welchem der Rechtsschutz abgelehnt wurde. Es ging um den Streitwert und die Verfahrenskosten.

Kurzfassung: Eine Schülerin darf ohne Maske am Unterricht teilnehmen, da sie Gründe für den Ausnahmetatbestand glaubhaft machen konnte. Hierzu genügte eine ärztliche Bescheinigung, welche nicht mit einem qualifizierten Gesundheitszeugnis gleichzusetzen ist.

Eine Diagnose sei hierzu nicht erforderlich. Es reicht das informationelle Selbstbestimmungsrecht und damit die fachfremde Beurteilung. Alles andere wäre von einem Amtsarzt als Fachmann zu prüfen.

Dr. Hirsch gibt weiterhin bekannt, dass nach § 265 StPO keine weiteren Beweisanträge seitens des Gerichts gestellt werden. Die im Selbstladeverfahren geladenen Zeugen werden dieser Aufforderung nicht nachkommen, da die Frage der Zeugenentschädigung, Fahrtkosten, etc. nicht geklärt ist.

Nur zur Erinnerung es geht um die Staatsanwältin R. und den Leitenden Oberstaatsanwalt Gremmelmaier – beides Beamte im Staatsdienst, die nicht gerade den unteren Besoldungsgruppen angehören. Jedem ist klar, dass es keine „finanziellen“ Gründe sind, warum die beiden nicht erscheinen „konnten“.

Die Verteidigung erklärt, eine Kollegin sei mit der Regelung dieser Frage beauftragt gewesen, insbesondere hätte sie die Kosten für die Zeugen bei der Gerichtskasse hinterlegen sollen. Dies habe aber nicht funktioniert.

Die Hinterlegungsstelle für die Kosten müsste geklärt werden, denn die Justizkasse kann das Geld nicht annehmen. Die Möglichkeit der Zeugenentschädigung per Gerichtsvollzieher wurde verweigert.

Dr. Hirsch stellt fest: „Die im Selbstladeverfahren geladenen Zeugen sind nicht da! Frage: Wie soll jetzt mit dieser Situation umgegangen werden?“

Laut Verteidiger sollte sich die Kammer nochmals Gedanken über das Beweisthema machen. Die Beweisanträge waren umfangreich und detailliert begründet. Gegebenenfalls muss der Vorgang nochmals wiederholt bzw. neu eingereicht werden.

Rechtsanwalt Lausen gibt zu Bedenken, ob das Gericht nicht doch selbst die Zeugen laden könnte. Außerdem möchte die Verteidigung wissen wie das mit der Kostenhinterlegung hier am Landgericht Mannheim funktioniert.

Dr. Hirsch erklärt, er hatte noch nie Kontakt mit der Hinterlegungsstelle. Ob es am Landgericht überhaupt eine Hinterlegungsstelle gibt ist ihm nicht bekannt.

Ferner möchte Dr. Hirsch wissen ob es außer den Zeugen im Selbstladeverfahren weitere Beweisanträge gibt. Rechtsanwalt Künnemann bejaht diese Frage und stellt weitere
Beweisanträge. Rechtsanwalt Lausen gibt eine Erklärung zu dem soeben verlesenen Urteil des VGH Baden- Württemberg ab.

Es geht um einen Zeitraum der Corona-Verordnungen, welcher nicht mit dem Anklagezeitraum übereinstimmt. Der hier zur Debatte stehende Anklagezeitraum bezieht sich noch auf die Zeit, in der auch Schals und Gesichtsschilder alternativ zur Maske getragen werden konnten, da es noch gar keine ausreichende Masken-Massenproduktion gab, mit der man die ganze Bevölkerung hätte versorgen können. (Hier kommt mir doch gleich der ehemalige MdB Niklas Löbel in den Sinn.)

Rechtsanwalt Künnemann möchte eine Beamtin vom Amtsgericht Weinheim als weitere Zeugin vorladen. Es geht um die Frage: laut Urteil des Amtsgericht Weinheim hätte die Angeklagte ein vollumfängliches Geständnis abgelegt. Dieses Geständnis wurde aus dem Urteil zitiert.

Dies sehen Rechtsanwalt Künnemann (der bereits am Amtsgericht Weinheim in erster Instanz als Wahlverteidiger für Dr. Jiang tätig war) und die Angeklagte anders: Die Beamtin soll in ihrer Einvernehmung als Zeugin darlegen, dass dies so nicht korrekt ist und es keinesfalls ein vollumfängliches Geständnis der Angeklagten vor Gericht gab.

Rechtsanwalt Willanzheimer stellt ebenfalls einen neuen Beweisantrag, welchen er bereits in schriftlicher Form ausgearbeitet hat und an Dr. Hirsch und Staatsanwalt Stork übergibt. Er möchte einen Oberamtsrat aus Karlsruhe als Zeugen vorladen.

Dieser soll bestätigen, dass es bis dato keine Anklage wegen Körperverletzung oder ähnliches im Zusammenhang mit dem „nicht Tragen einer Maske“ gibt. Er soll dies anhand von Statistiken der Landgerichte untermauern. Es gibt weder Attestgeschädigte noch Strafanzeigen wegen Körperverletzung gegen die Angeklagte.

Dr. Hirsch fragt den Staatsanwalt ob er hierzu eine Erklärung abgeben möchte - will er nicht. Rechtsanwalt Lausen stellt ebenfalls einen weiteren Beweisantrag. Er möchte noch einmal die Staatsanwältin Fuchs als Zeugin vernehmen.

Ihm ist aufgefallen, dass es in der Akte kein einziges Attest mit dem Vermerk bzw. Verwendungszweck „zur Vorlage bei einer Behörde“ gibt. Dr. Hirsch fragt den Staatsanwalt Stork ob er hierzu Stellung nehmen möchte - will er nicht.

Der Vorsitzende Richter erklärt, dass er die Sitzung unterbrechen werde und sich die Kammer zur Beratung zurückzieht. Der neue Befangenheitsantrag soll bis heute Nachmittag 15 Uhr seitens der Verteidigung schriftlich begründet werden.

Die Verteidiger wenden ein, dass sie über keine geeigneten Arbeitsräume zur Beratung
und zum Arbeiten verfügen. Dr. Hirsch gibt zu, dass ihm diese Problematik bekannt ist und er dies auch schon angesprochen habe.

Er habe aber leider keinen Einfluß auf diese Situation. Die Verhandlung wird bis 11:30 Uhr für etwa 1 Stunde unterbrochen.

Alle müssen den Saal verlassen. Es kommt zu einem kleinen Stau vor dem Metalldetektor. Einige Zuschauer weigern sich auch beim Verlassen des Gerichtsaals durch diesen hindurch zu gehen.

Nach einigem Hin und Her öffnen die Justizbeamten die Absperrung zwischen Metalldetektor und Absperrgitter lassen die Zuschauer durch und schließen den Durchgang danach sofort wieder.

Julia Neigel (bekannte Musikerin aus der Region) steht, als wir den Saal verlassen, gerade an der „Pass-Kontrolle“, sie wollte die Verhandlung ebenfalls besuchen. Später als die Verhandlung fortgesetzt wird, sehe ich sie jedoch nicht im Saal.

Für mich steht die Frage an, was mache ich in der knapp 1-stündigen Pause? Ich gehe zu Thalia um einen Kaffee zu trinken und ein wenig zu schmökern. Leider habe ich Pech - das Café ist geschlossen.

Kurz vor 11:30 Uhr das immer gleiche Spiel: Schließfach. Ausweiskontrolle. Durchleuchtung. Metalldetektor. Abtasten. Der Reporter der Lokalzeitung hat noch nicht aufgegeben. Auch er ist um 11:30 Uhr wieder vor Ort und sitzt als einziger Vertreter seiner Zunft in einer der beiden für die Presse reservierten Sitzreihen.

11:45 Uhr geht es weiter. Die Verzögerung ergab sich aus der Problematik der Hinterlegungsstelle, um die anfallenden Kosten der im Selbstladeverfahren einbestellten Zeugen zu sichern. Wie sich herausstellte, verfügt das Landgericht Mannheim über keine eigene Hinterlegungsstelle, diese gibt es nur beim Amtsgericht.

Rechtsanwalt Künnemann bestätigt, dass das Geld inzwischen in bar hinterlegt wurde und der Ladung der Zeugen somit nichts mehr im Wege steht. Nach Auffassung der Verteidiger maßt sich die Kammer an über medizinische Kenntnisse zu verfügen (was bei der in der Pharmabranche tätigen Schöffin ja nicht ganz ausgeschlossen ist) und stellt einen neuen Befangenheitsantrag mit der Bitte um Fristsetzung zur schriftlichen Begründung bis zum 03. Januar 2024, 18 Uhr.

Rechtsanwalt Künnemann stellt nun noch einmal den Beweisantrag die Staatsanwältin R. und den Leitenden Oberstaatsanwalt Gremmelmaier hier jedoch in seiner Eigenschaft als Kammeranwalt der Bezirksärztekammer Nordbaden, als Zeugen zu vernehmen.

Es geht um die Frage wie es dazu kam, dass die Staatsanwältin R. das Ermittlungsverfahren zunächst einstellen wollte, dieses dann aber wohl entgegen ihrer eigenen Überzeugung fortsetzte.

In diesem Zusammenhang ist von einem Ermittlungsrichter die Rede, der wohl ebenfalls eine Diskrepanz zwischen der Anzahl der Fälle und der erstellten Tabelle sah, da zumindest ein Teil der Atteste zu Recht ausgestellt wurden.

Aus Sicht der Verteidigung liegt die Vermutung nahe, dass erst auf drängen des Kammeranwalts der Bezirksärztekammer das Ermittlungsverfahren fortgesetzt wurde. Staatsanwältin R. sah keine Notwendigkeit zur Einleitung eines Strafverfahrens.

Ebensowenig wurden die Handlungen (Atteste) welche straflos waren (da zu Recht ausgestellt) nicht von den, nach Meinung der Staatsanwaltschaft, strafrelevanten Handlungen sauber abgegrenzt.

Rechtsanwalt Lausen spricht erneut das Selbstladeverfahren in Bezug auf den Zeugen Herrn Gremmelmaier an, welcher sowohl leitender Oberstaatsanwalt in Karlsruhe und damit Behördenleiter, als auch Kammeranwalt der Ärztekammer Nordbaden ist.

Die Leitungsebene der Ärztekammer sah indes keine Gefährdung der Patienten durch die
Maskenbefreiungsatteste. Weiter wird Bezug genommen auf einen öffentlichen Brief der Behindertenbeauftragten der Stadt Heidelberg. Es geht in diesem Brief um den Umgang mit den Befreiungsattesten.

„Freigestellt vom Tragen einer Maske ist, wer glaubhaft machen kann, dass er nicht in der Lage ist eine Maske zu tragen. Dies ist die Grundlage für ein ärztliches Attest.

Pauschale Atteste genügen hier nicht, eine detaillierte Diagnose zur Befreiung ist möglich aber der Arzt kann selbst entscheiden wer ohne Maskenbefreiung in die Praxis darf oder eben nicht. Die Atteste sind eine Meinungsäußerung keine feste medizinische Aussage.“ (Interview SWR).

Die Bescheinigungen zur Befreiung von der Pflicht eine Maske zu tragen enthielten also keine konkrete medizinische Aussagen. (Offener Brief, Stadt Heidelberg, siehe Anhang.)

Es wird ein weiterer Beweisantrag gestellt. Ein medizinischer Sachverständiger aus Wien (Andreas Sönnichsen) soll ein Gutachten erstellen. Der Sachverständige soll zum 29. Januar 2024 als Zeuge geladen werden.

Sein Gutachten soll beweisen das Masken nicht schützen. (Warum man dafür ein Gutachten braucht ist mir nicht ganz klar, denn das steht auf jeder Verpackung).

Die Verhandlung wird bis 14:30 Uhr unterbrochen. Okay, das reicht für Einkauf, schnelles Mittagessen und wieder zurück. Erneut: Schließfach. Ausweiskontrolle. Durchleuchtung, Metalldetektor. Abtasten.

Nach der Pause verkündet der Vorsitzende Richter Dr. Hirsch folgende Beschlüsse:

1) Der Antrag auf Zeugeneinvernahme von Herrn Schneider (ich weiß leider nicht, wer das ist…) wird abgelehnt. Die angestrebten Beweise sind für das Verfahren ohne Bedeutung.

2) Die nochmalige Zeugeneinvernahme von Staatsanwältin Fuchs wird abgelehnt. Die Sachlage ist bereits geklärt und durch den Zeugen Förster der Sachverhalt erwiesen.

3) Die Zeugeneinvernahme von Staatsanwältin R. wird ebenfalls abgelehnt. Das Gericht sieht die Beweise die hier erhalten werden sollen als unerheblich für das Gerichtsverfahren.

4) Die Zeugeneinvernahme der Mitarbeiterin des Amtsgerichts Weinheim wird abgelehnt. Die Kammer sieht die Tatsache (des umfassenden Geständnisses in erster Instanz) als erwiesen an.

5) Die Sacheinlage führt keine Namen auf welche nicht als Patienten von Frau Dr. Jiang aufgetaucht sind. Daher zielt auch dieser Beweisantrag nur auf eine Bewertung der Sacheinlage durch die gewünschte Zeugin ab, objektiv würden keine neuen Sachverhalte zu Tage treten.

Die einzelnen Beschlüsse und ihre Begründung werden schriftlich den Rechtsanwälten und dem Staatsanwalt übergeben.

Die Verteidigung gibt eine weitere Erklärung zum Selbstladeverfahren des Zeugen Gremmelmaier ab. Das Selbstladeverfahren wurde inzwischen eingeleitet, die Kosten bei der Hinterlegungsstelle am Amtsgericht hinterlegt.

Herr Gremmelmaier wurde für den 19. Januar 2024, 10 Uhr vorgeladen. Der Antrag für den Sachverständigen, welcher als Gutachter gehört werden soll, wurde per Einschreiben eingeleitet, da sich dieser in Österreich befindet. Die Ladung wurde ebenfalls auf den 19. Januar 2024, 12 Uhr terminiert.

Rechtsanwalt Willanzheimer stellt einen neuen Beweisantrag. Er möchte einen Sachverständigen für Informationstechnologie als Zeugen laden. Hier geht es um die Frage der Manipulierbarkeit der Atteste, welche als Email-Anhang im PDF-Format verschickt wurden.

Es stelle sich die Frage, welches ist das „dokumentensichere Original“? Das PDF im Gerät, der erste Ausdruck, sind die zweiten, dritten und vierten Ausdrucke immer noch Originale?

Laut Verordnung muss ein Gesundheitszeugnis ein Originaldokument sein. Damit scheiden Email-Anhänge als Originaldokumente aus. Gesundheitszeugnisse sind einem amtlichen Dokument gleichgestellt, daher müssen sie im Original vorgelegt werden.

Ferner wird ein textlinguistisches Fachgutachten von einem Experten der Universität Stuttgart beantragt, dieser soll die stets gleichbleibenden Sätze: „Hiermit bestätige ich, dass bei oben genannter Person das Tragen eines Mundschutzes aus medizinischen Gründen kontraindiziert ist.

Damit ist das Tragen einer Mundnasenabdeckung unzumutbar.“ analysieren. Dr. Hirsch verfügt über keine Fachausbildung im Bereich Linguistik.

Helmut Kuhn hierzu: „Laut Einschätzung der Bezirksärztekammer Nordbaden müssen ärztliche Atteste konkret begründet werden. Aus objektiver Sicht stellt dieser stets gleichbleibende Satz eine Meinungsäußerung dar, jedoch kein Attest gemäß § 278 StGB.“

Es wird angeregt die Akte der Bezirksärztekammer Nordbaden beizuziehen, insbesondere im Hinblick auf die Zeugenvernehmung von Herrn Gremmelmaier. Der Vorsitzende Richter Dr. Hirsch legt die Frist zur Begründung der Befangenheitsgesuche auf Dienstag, 02. Januar 2024, 18 Uhr fest. Um 14:55 Uhr wird die Sitzung beendet.

Dies war meine Wahrnehmung des siebten Prozesstages. Aufzeichnungen der weiteren Prozesstage folgen jeweils freitags und montags. Hier geht's zu Teil 8: www.de-fakt.de/bundesland/hessen/details/?tx_ttnews